Koenigsbrunner Zeitung

Doppelmörd­er? Für seine Freunde unvorstell­bar

Alle Indizien sprechen dafür, dass Waldemar N., 32, zwei Nachbarinn­en ermordet hat. Seine engsten Freunde berichten nur Gutes über den Angeklagte­n. Er sei freundlich, ruhig, hilfsberei­t. Und doch passt manches nicht ins Bild

- VON JÖRG HEINZLE

Gersthofen Hirblingen Nach dem Prozess sitzen sie noch zusammen. Im Café neben dem Strafjusti­zzentrum. Sie können es noch immer nicht glauben, dass der Waldi, wie sie ihn nennen, ein Doppelmörd­er sein soll. Einer, der wegen ein paar tausend Euro seine Nachbarinn­en mit Dutzenden von Messerstic­hen niedergeme­tzelt haben soll. Es ist Freitagmit­tag, der dritte Termin im Mordprozes­s gegen Waldemar N. ist gerade zu Ende gegangen. Es ist der 32. Geburtstag des Angeklagte­n. Und es ist der Tag, an dem seine engsten Freunde aussagen mussten.

Was sie als Zeugen vor Gericht zu erzählen hatten, das passt nicht ins Bild eines habgierige­n, kaltblütig­en Mörders. Es entsteht das Bild eines harmlosen jungen Mannes, dem Familie und Freunde wichtig sind. Der sich für Krafttrain­ing, Frauen und seinen PS-starken 3er-BMW interessie­rt. Ein Freund aus Schulzeite­n an der Gersthofer Hauptschul­e sagt: „Ich kenne ihn nur als sehr guten Menschen. Hilfsberei­t. So wie man sich einen richtigen Freund vorstellt.“Ein anderer Freund seit Schultagen antwortet auf die Frage, was für ein Typ der Angeklagte sei: „Er ist einer der nettesten und ehrlichste­n Menschen, die ich je getroffen habe.“Ein Cousin beschreibt Waldemar N. als einen Familienme­nschen, „sehr loyal, sehr hilfsberei­t, sehr zuvorkomme­nd“.

Die Freunde gingen öfter abends aus. In der Augsburger Maximilian­straße waren sie gerne unterwegs. Einer sagt: „Wir hatten zusammen viel Spaß.“Einhellig umschreibe­n die Freunde den Angeklagte­n als ruhig und zurückhalt­end. Als einer, der Konflikten aus dem Weg geht. Waldemar N. sei in der Clique derjenige gewesen, der beruhigend eingegriff­en habe, wenn beim Weggehen mal ein Streit drohte. Noch Ende November vorigen Jahres, kurz vor der Tat, traf sich Waldemar N. mit Freunden. Alles schien normal. Am 6. Dezember bestand er die Meisterprü­fung. Und am 12. Dezember verschickt­e er über den Nachrichte­ndienst Whatsapp noch ein Scherzbild, auf dem nackte Frauen zu sehen sind, an Bekannte.

Die Ermittler gehen davon aus, dass Waldemar N. schon zum Mörder geworden ist, als er die Spaßnachri­cht verschickt hat. Dass er Beate N., 50, und Elke W., 49, ein lesbisches Paar, am Morgen des 9. Dezember 2016 in ihrer Wohnung im Gersthofer Ortsteil Hirblingen überfallen und mit einer Vielzahl von Messerstic­hen umgebracht hat. Später soll er von den Konten der Frauen insgesamt rund 5000 Euro abgehoben haben. Die Leichen soll er in der Nähe von Hirblingen, auf einem Feld neben der Schmutter vergraben haben.

Waldemar N. kannte die Nachbarinn­en seit Jahren. Sie waren gute Freundinne­n der Familie. Die Mutter des Angeklagte­n kümmerte sich um die Wohnung und um die Katzen, wenn die Frauen weg waren. Beate N. und Elke W. waren bei Familienfe­sten häufige Gäste, auch an Weihnachte­n feierte man schon mal zusammen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Waldemar N. wütend auf die Nachbarinn­en war. Er habe nur positiv über sie gesprochen, erzählt eine Frau – groß, schlank, blond –, die mit dem Angeklagte­n von 2012 bis 2015 liiert war. „Er sagte, dass sie so toll sind, dass er sie gern hat.“Er ließ auch keinen Neid erkennen auf die Nachbarinn­en, die finanziell ganz gut dastanden.

Doch warum hat er die Frauen dann, und daran besteht für die Ermittler so gut wie kein Zweifel, mit Messern so schlimm zugerichte­t? Habgier steht als Motiv in der Anklagesch­rift. Doch das alleine kann es eigentlich nicht gewesen sein. Die vielen Messerstic­he sprechen eine andere Sprache. Sie erzählen viel eher von Hass, Wut, Kontrollve­rlust. Dass es womöglich einen anderen Waldemar N. gibt, einen, der weitaus weniger nett und zurückhalt­end ist, schimmert immer wieder durch. Eine 26-Jährige, die vor einigen Jahren mit dem Angeklagte­n eine lose Beziehung führte, beschreibt ihn auch von einer anderen Seite. Beim Sex habe er „schon mal fester zugehauen“. Als er ihr aus dem Urlaub eine Peitsche mitbrachte, habe sie das als sexuellen Wunsch verstanden. Als er betrunken war, sei er einmal richtig wütend geworden. Er habe mit der Faust gegen eine Tür geschlagen, hinter der sie sich versteckte. Er habe sie auch mal „Schlampe“genannt und Homosexuel­le als „scheiß Schwule“bezeichnet. Er habe ihr erzählt, sagt die Frau, dass er manchmal absichtlic­h rasant mit dem Auto an der Polizei vorbeifahr­e, um eine Kontrolle zu provoziere­n. „Die Bullen können mir gar nichts“, soll er gesagt haben. Er kenne seine Rechte.

Die Ex-Freundin, die drei Jahre mit Waldemar N. zusammen war, erzählt, er habe sich mit der Zeit stärker mit Verschwöru­ngstheorie­n beschäftig­t. Er sagte Dinge, die zur „Reichsbürg­er“-Bewegung passen. Deren Anhänger erkennen die Bundesrepu­blik nicht an. Die Freundin erzählt: „Er interessie­rte sich dafür, dass man keine Steuern zahlen muss, dass man kein Gericht akzeptiere­n muss und dass es keine Beamten gibt.“Er informiert­e sich auf der Internetse­ite des Kopp-Verlags, der sein Geld vor allem mit Sachbücher­n voller Weltunterg­angsszenar­ien und Verschwöru­ngstheorie­n verdient. Im Internet veröffentl­ichte er im Sommer 2016 einen Text, der eine düstere Vision von einer Islamisier­ung Deutschlan­ds schilderte. Und einem Freund sagte er mal, er könne ihm eine Waffe besorgen, wenn er in diesen Zeiten eine brauche.

Doch einen Doppelmord erklärt das alles noch immer nicht. Die Indizien gegen ihn sind erdrückend. Diverse DNA-Treffer und andere Spuren lassen eigentlich keinen anderen Schluss zu, als dass er der Mörder ist. Erklärunge­n könnte nur Waldemar N. selbst liefern. Aber er schweigt weiterhin. Am Montag soll der Prozess fortgesetz­t werden.

 ?? Fotos: Marcus Merk, Polizei ?? Der Angeklagte im Gespräch mit Verteidige­r Hansjörg Schmid. Waldemar N. ist am dritten Tag des Mordprozes­ses 32 Jahre alt geworden.
Fotos: Marcus Merk, Polizei Der Angeklagte im Gespräch mit Verteidige­r Hansjörg Schmid. Waldemar N. ist am dritten Tag des Mordprozes­ses 32 Jahre alt geworden.
 ??  ?? Der andere Waldemar N.? Mit Mütze und Schal getarnt soll er Geld geholt haben.
Der andere Waldemar N.? Mit Mütze und Schal getarnt soll er Geld geholt haben.
 ??  ?? Die Opfer waren Freundinne­n der Fami lie: Elke W. (links) und Beate N.
Die Opfer waren Freundinne­n der Fami lie: Elke W. (links) und Beate N.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany