Theater steigt auf die Kanzel
In St. Anna wird am Sonntag über den „Freischütz“gepredigt. Und die Sopranistin Jihuyn Cecilia Lee singt das Ännchen
Ein Theaterstück als Predigtthema? Warum denn nicht. Die Bühne und die beiden großen Kirchen wagen den Versuch. Jetzt am Sonntag, 8. Oktober, um 16 Uhr wird Monsignore Florian Schuller, Direktor der Katholischen Akademie in Bayern, in der St.-Anna-Kirche die erste Theaterpredigt halten. Es geht über den schauerlichen Bann des Bösen in Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“. Gerahmt wird seine Predigt von musikalischen Beiträgen der Sopranistin Jihyun Cecilia Lee, die in der Augsburger Operninszenierung das Ännchen spielt.
Die Idee für die Theaterpredigten hat der neue Intendant André Bücker aus Dessau mitgebracht. Eine vollkommen andere Sichtweise auf die Inszenierung verspricht er sich davon. Denn Kirche und Theater haben durchaus Gemeinsamkeiten. „Beide Institutionen bewegen, bedenken und suchen Antworten auf die großen Fragen der Menschheit“, sagt die evangelische Stadtdekanin Susanne Kasch. Deshalb ließ sie sich sofort für das Projekt gewinnen und stellt dafür St. Anna zur Verfügung. Auch der katholische Stadtdekan Helmut Haug war gleich dabei – zumal im Konzept der Cityseelsorge der Moritzkirche solche interaktiven Kontakte mit der Stadtgesellschaft ausdrücklich erwünscht sind. Zudem habe das Zelebrieren der Liturgie viel mit Inszenierung zu tun.
Gleichwohl stellten sich beide Geistliche die Frage: Wie gottesdienstlich sollte der Rahmen einer Theaterpredigt sein? „Niemand soll religiös vereinnahmt werden, aber man kann nicht so tun, als wären wir nicht in der Kirche“, erklärt Dekanin Kasch. Die Zuhörer werden mit dem Segen entlassen, nachdem sie in die Atmosphäre der jeweiligen Inszenierung eintauchen konnten.
Fünf Theaterpredigten sind zunächst geplant, informierte Musikdramaturgin Johanna Mangold, womit das Theater „einen neuen Begegnungsund Diskussionsraum“ zwischen Kunst und Religion eröffnen will. Florian Schuller kennt beide Welten. Er ist begeisterter Theatergänger und hat als ehemaliger Leiter der katholischen Hochschulgemeinde das Studententheater sehr gefördert. Über das Stück „Martin Luther & Thomas Müntzer oder Die Einführung der Buchhaltung“wird der Nürnberger Regionalbischof Stefan Ark Nitsche predigen (26. November, St. Moritz), der auch schon als Dramaturg gearbeitet hat. Über Brechts „Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer“wird der Berliner Politiker Gregor Gysi reden (25. Februar, St. Anna). Zu Mozarts Oper „La forza del destino“und zur Schauspiel-Erstaufführung „Das Spiel der Schahrazad“stehen die Prediger noch nicht fest. Der Schriftsteller Navid Kermani wurde angefragt.
Der Eintritt zu den Theaterpredigten in der Kirche ist frei.