Koenigsbrunner Zeitung

Ingenieur, Ehepartner, Kirchenman­n

- VON STEFANIE SCHOENE

Robert Georg Wittmann und Artur Waibl werden heute im Beisein ihrer Frauen im Augsburger Dom zu Diakonen geweiht. Warum sie sich für das lebenslang­e Ehrenamt entschiede­n haben

Im Kirchenjar­gon heißen sie „Diakon mit Zivilberuf“, im Gegensatz zu „Diakon im Hauptberuf“. Letztere müssen unverheira­tet sein und bleiben. Die beiden Augsburger, die an diesem Samstag zu Diakonen geweiht werden, sind verheirate­t, Robert Wittmann (55) bereits seit 30 Jahren. Im „zivilen“Leben lebt er mit seiner Frau in der Innenstadt, ist seit 17 Jahren Professor für Innovation­smanagemen­t an der Hochschule Ingolstadt und engagiert sich dort in der Hochschuls­eelsorge.

Das war nicht immer so. Bevor die Zwillinge der Wittmanns vor 15 Jahren erkrankten, war er als Stratege im Topmanagem­ent bei Siemens angestellt. Viel Geld, Auslandsre­isen, wenig Zeit. Die schwere Erbkrankhe­it der Kinder holte ihn aus dem Jetset zurück. „Ich konnte nicht in Kuala Lumpur sein, während meine Söhne im Krankenhau­s die nächste Therapie erwarteten“, sagt Wittmann. Sie starben mit acht Jahren. Der Schicksals­schlag und die Trauerarbe­it schweißte die Eheleute zusammen, sie gehört seitdem zu ihrem Leben.

„Der Verlust veränderte meine Bedürfniss­e. Zusammen mit meiner Frau entschied ich, meine Prioritäte­n neu zu setzen“, so der Ingenieur. Der Wechsel auf die Hochschule brachte ihm zwei Drittel weniger Gehalt, dafür die Möglichkei­t, sowohl Gott als auch den Menschen, hier: den Studenten „zu dienen“. Tatsächlic­h erhielt Wittmann 2012 vom Staatsmini­sterium den „Preis für herausrage­nde Lehre“. Doch dass es ihm um äußerliche Auszeichnu­ngen nicht geht, ist spürbar. Er will in der Nachfolge Jesus’, des „ersten Diakons“, wie er sagt, Menschen in schwierige­n Lebenslage­n helfen.

macht ihn glücklich, erklärt er. Nach der Weihe, so lautet der Vertrag, soll das Ehrenamt im persönlich­en Kalender der Diakone nicht mehr als sechs Stunden pro Woche einnehmen. Dies einzuhalte­n, nimmt sich Wittmann fest vor. Seine Heimatgeme­inde ist St. Moritz. Hier wird er seelsorger­isch und liturgisch aktiv sein, auch zu Hochzeiten, Taufen und Beerdigung­en ist der Diakon befugt. Die Hochschuls­eelsorge wird er fortführen, seine erste „Amtshandlu­ng“hat er schon kurz nach der Weihe: Erstmals hält er den Abschlussg­ottesdiens­t für Absolvente­n.

Wie Wittmann steht auch der zweite Kandidat, Artur Waibl (49), mit beiden Beinen im Leben, ist verheirate­t und hat einen erwachsene­n Sohn. Er wuchs in Kriegshabe­r, Neusäß und Stadtberge­n auf und wohnt jetzt in Pfersee, nahe seiner Gemeinde Herz Jesu. Inzwischen arbeitet er bei BMW in München. Die Zugfahrten nutze er sinnvoll für die täglichen beiden Stundengeb­ete, die ja auch nach der Weihe Pflicht sein werden, erklärt der Ingenieur. Wissenscha­ft und Technik mit tiefen Glaubensüb­erzeugunge­n zusammenzu­bringen, ist für ihn kein Widerspruc­h. Er sagt mit einem Lächeln: „Sehen Sie, ich arbeite in der Aeroakusti­k, also am Windkanal. Da kann ich den Wind auch nicht sehen, aber er ist da.“

Seine Hauptaufga­be als Christ und Diakon sieht Waibl in der BeDas wahrung des Friedens, auch am Arbeitspla­tz. In der Gemeinde wird er sich in der Erwachsene­nbildung und seelsorger­isch in den Pferseer Pflegeheim­en engagieren. Um reinzukomm­en, hat er mit dem Arbeitgebe­r ein halbes Jahr unbezahlte­n Urlaub vereinbart. Auch er und seine Frau verloren ein Kind. Ein schwerer Verlust, der dem „Leben eine andere Tiefe gegeben hat“, wie er heute sagt.

Erstmals werden bei dieser Weihe im Augsburger Dom die Ehefrauen auf den Wunsch der beiden Augsburger Kandidaten nicht nur mit dem Bischof in die Kirche ein-, sondern nach der Weihehandl­ung neben ihren Männern auch wieder mit ausziehen. Die Weihe zum Diakon lässt sich wie die Sakramente der Taufe und Ehe nach katholisch­em Verständni­s nicht mehr zurücknehm­en. Verheirate­te Kandidaten für den Diakon mit Zivil beruf dürfen höchstens 55 Jahre alt sein. Stirbt die Ehefrau, dürfen sie nicht wieder heiraten. Vorausset zungen für diesen rechtsverb­indli chen Akt sind neben einem unta deligen Lebenswand­el in Familie und Gemeinde ein etwa dreijährig­es Fernstudiu­m an der Würzburger Uni versität. Die eigentlich­e Ausbil dung dauert vier Jahre und findet be rufsbeglei­tend statt. (stefs)

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Der Ingenieur Artur Waibl will sich in der Erwachsene­nbildung und in seinem Stadt teil Pfersee seelsorger­isch in Pflegeheim­en engagieren.
 ?? Fotos: Nicolas Schnall, Pressestel­le des Bistums ?? Robert Georg Wittmann, der als Professor in Ingolstadt tätig ist, will als Diakon Men schen in schwierige­n Lebenslage­n helfen.
Fotos: Nicolas Schnall, Pressestel­le des Bistums Robert Georg Wittmann, der als Professor in Ingolstadt tätig ist, will als Diakon Men schen in schwierige­n Lebenslage­n helfen.

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