Retten, löschen, Gemeinschaft leben
Während anderswo Feuerwehrleute fehlen, will Lechhausen unbedingt eine neue Truppe aufstellen. Was das über das Ehrenamt in Augsburg und das Leben in den Stadtteilen aussagt
Der Slogan ist hart: „Stell Dir vor, es brennt und keiner löscht.“Doch die Worte schildern schlicht die Realität. Für viele freiwillige Feuerwehren in Deutschland ist die Lage brenzlig – sie finden keinen Nachwuchs mehr. In Augsburg ist das anders. Die Stadt hat nicht nur eine Berufsfeuerwehr. Sie hat auch sieben freiwillige Wehren, die personell viel besser dastehen als anderswo. Und sie hat sogar einen Stadtteil, in dem sich Frauen und Männer danach sehnen, endlich wieder eine Freiwillige Feuerwehr Lechhausen einsatzbereit zu machen. Ist das nicht eine wunderbare Lage?
Wenn es Menschen gibt, die ihre Freizeit für die Gemeinschaft einbringen wollen, ist das ein Grund zur Freude. Heute spricht man von Individualisierung, von Ich-Gesellschaft, von Zersplitterung und fehlendem Einsatz für andere. Das Leben gerade in einer schnell wachsenden und von hoher Fluktuation geprägten Großstadt wie Augsburg wandelt sich rapide. Während die Zeiten beinahe beängstigend schnell und unruhig wirken, setzen nicht nur die Feuerwehrler in Lechhausen ein beruhigendes Ausrufezeichen dagegen.
Augsburg ist eine Stadt des ehrenamtlichen Engagements. In der Bürgerumfrage der Stadt im Jahr 2015 haben mehr als 30 Prozent der Befragten angegeben, dass sie sich ehrenamtlich engagieren. Ob Feuerwehr, Rettungsdienst, Musikverein, Kirche, Sport oder Flüchtlingsarbeit – rund 100000 Menschen bringen sich freiwillig ein. Das ist eine stolze Zahl und auch im Bundesvergleich ein überdurchschnittlich hoher Wert.
Sie und ihr Einsatz sind der Kitt der Gesellschaft. Ehrenamtliche helfen nicht nur, sie bringen Menschen zusammen, geben Wissen weiter, leisten wertvolle Integrationshilfe ... Vieles, was sie leisten, würde ohne das Ehrenamt ersatzlos wegfallen. Staat und Stadt können schlicht nicht alles leisten, was Ehrenamtliche vollbringen. Nebenbei: Staat und Stadt dürfen den freiwilligen Einsatz aber auch nicht nutzen, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Und sie tun gut daran, Ehrenamtliche zu unterstützen.
In Augsburg wird das gemacht. Seit 20 Jahren knüpft das Freiwilligenzentrum Kontakte zwischen Menschen, die sich einbringen wollen, und Menschen oder Organisationen, die Unterstützung brauchen. Es feiert in diesem Jahr Jubiläum und kann zugleich Erfolge feiern. Mit Projekten, Beratungen und Ideen wie den „Sporadi-“Angeboten trägt es zum Erfolg des Ehrenamts in der Stadt bei: Wer sich nicht dauerhaft engagieren will, kann das heute auch „sporadisch“tun – wenn es passt. Nicht jeder hat heute noch die Zeit, die Ausdauer und die Lust, sich langfristig zum Beispiel in einem Verein einzubringen. Die Freiwillige Feuerwehr Lechhausen wäre ein Gegenbeispiel – die schon existierenden ebenfalls.
Hier geht es um ein dauerhaftes Engagement. Und, eine weitere Besonderheit, hier geht es um Ehrenamt in den Stadtteilen. In Pfersee, Inningen oder Haunstetten haben Feuerwehr, Sportverein und Musikkapelle noch eine weitere Funktion: Sie tragen zum Leben im Stadtteil bei, sie bringen die Menschen vor Ort zusammen. In den ehemals selbstständigen Stadtteilen symbolisieren sie Wurzeln und Eigenständigkeit.
Die politische Eigenständigkeit haben im Süden der Stadt Göggingen, Haunstetten, Inningen und Bergheim mit der Eingemeindung 1972 verloren. Das Gemeinschaftsleben in den ehemaligen Stadtteilen lebt jedoch in den Vereinen und Arbeitsgemeinschaften weiter. Sie bilden Ankerpunkte und Identifikationsmöglichkeiten. Und sie sind Motoren des Gemeinschaftslebens vor Ort. Die Feuerwehren haben dabei eine Doppelrolle, denn sie sorgen zugleich auch noch für Sicherheit und sind da, wenn es brennt oder die Bäche über die Ufer treten. Alleine würde das die Berufsfeuerwehr nicht schaffen.
Und was bedeutet das für eine Freiwillige Feuerwehr Lechhausen? Die Lage ist für die Stadt – zugegeben – nicht ganz einfach. Im Nordwesten Augsburgs ist die Berufsfeuerwehr stark präsent. Eine zusätzliche Feuerwehr kostet nicht wenig Geld. Eine Neugründung will gut überlegt sein.
Doch eigentlich ist das ein Luxusproblem. Anders lässt es sich kaum beschreiben, wenn anderswo die Retter Mangelware sind und sie sich hier gleich freiwillig melden. Die Frage ist: Kann man wirklich nein sagen, wenn sich Bürger für ihren Stadtteil, ihre Mitmenschen und die Stadt einsetzen wollen? Das ist nur schwer vorstellbar.
Sie sind ein Symbol alter Eigenständigkeit