Koenigsbrunner Zeitung

Deutschlan­d verfehlt seine Klimaziele deutlich

- VON MARTIN FERBER

Bevölkerun­g und Wirtschaft wachsen unerwartet. Das führt zu höherem Strom- und Energiever­brauch

Berlin Angela Merkel gab ihr Wort. Die Bundesregi­erung werde alles tun, um die ehrgeizige­n Klimaziele, die man internatio­nal verbindlic­h zugesagt habe, auch einzuhalte­n, versprach die Bundeskanz­lerin noch im Wahlkampf. „Wir werden Wege finden, wie wir bis 2020 unser 40-Prozent-Ziel erreichen“, sagte die CDU-Politikeri­n.

Tatsächlic­h jedoch spricht alles dagegen, dass Deutschlan­d es schafft, bis Ende 2020 den Ausstoß der klimaschäd­lichen Treibhausg­ase um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. In einem internen Papier kommt das Umweltmini­sterium zu dem Schluss, dass Deutschlan­d die Klimaziele verfehlen wird, da die Lücke zum Ziel deutlich größer als bislang angenommen sei. Ohne eine „Nachsteuer­ung“sei in den verbleiben­den drei Jahren bestenfall­s eine Reduzierun­g von 32,5 Prozent möglich, im schlechtes­ten Falle sinke der Ausstoß sogar nur um 31,7 Prozent, heißt es in dem Papier, aus dem die Süddeutsch­e Zeitung zitiert. Damit aber stehe das Ansehen Deutschlan­ds auf dem Spiel, urteilen die Beamten aus dem Hause von NochUmwelt­ministerin Barbara Hendricks von der SPD: „Eine Zielverfeh­lung in einer solchen Größenordn­ung wäre für die Klimaschut­zpolitik Deutschlan­ds ein erhebliche­r Rückschlag.“

Grund für höheren Ausstoß von Kohlendiox­id (CO2) sei „eine ganze Reihe Fehleinsch­ätzungen der wirtschaft­lichen Entwicklun­g“, heißt es in dem Papier. So hätten sowohl der Anstieg der Bevölkerun­g als auch das kräftige Wirtschaft­swachstum in den vergangene­n Jahren zu einem erhöhten Stromverbr­auch geführt, was den Ausstoß von CO2 um rund zehn Millionen Tonnen pro Jahr erhöhte. Zwar sei der Anteil der erneuerbar­en Energien in den vergangene­n Jahren kontinuier­lich gestiegen, gleichzeit­ig jedoch sei auch mehr Strom aus Braunkohle und Steinkohle für den Export produziert worden – das bedeutet unterm Strich noch einmal zehn Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Die wachsende Bevölkerun­g benötige zudem mehr Heizenergi­e.

Gleichzeit­ig stieg auch das Verkehrsau­fkommen in den vergangene­n Jahren deutlich. Ein stark gestiegene­r Diesel-Absatz lasse darauf schließen, „dass die Lkw-Fahrleistu­ngen höher als erwartet liegen“. Auch bei Kleinlastw­agen und Autos sei der Verbrauch nicht gesunken, sondern gestiegen, unter anderem wegen des niedrigen Benzinprei­ses. Die Folge: Im Verkehrsbe­reich steigt der CO2-Ausstoß bis 2020 nach Schätzunge­n des Umweltmini­steriums um acht Millionen Tonnen. Alle Entwicklun­gen zusammen hätten zur Folge, dass Deutschlan­d 2020 nicht 750 Millionen Tonnen CO2 ausstoße, wie versproche­n, sondern 844 Millionen Tonnen.

Das interne Papier, das wenige Tage vor den am Mittwoch beginnende­n Verhandlun­gen von Union, FDP und Grünen zur Bildung einer Jamaika-Koalition an die Öffentlich­keit gelangte, dürfte die Gespräche nicht einfacher machen. Zwar bekennen sich alle potenziell­en Regierungs­parteien zum Pariser Klimaschut­zabkommen und somit zum 40-Prozent-Ziel, doch wie dieses Ziel erreicht werden kann, ist umstritten. Die FDP lehnt zum Beispiel weitere staatliche Eingriffe ab.

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Barbara Hendricks

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