Zwischen alle Stühle gesetzt
Hat den katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont der Mut verlassen? Oder hat er eingesehen, dass die Zeit nicht reif ist für die Unabhängigkeit des bisherigen spanischen Landesteils? Wie auch immer, im Endeffekt hat er ein übles Schmierentheater veranstaltet.
Puigdemont tat so, als gründe er die Republik „Catalunya“– womit er die spanische Verfassung gebrochen hätte und von der Zentralregierung des Amtes enthoben werden könnte. Indem er gleichzeitig den Unabhängigkeitsbeschluss aussetzte, hoffte er, diese harten Konsequenzen umgehen und künftig auf Augenhöhe mit Madrid verhandeln zu können.
Man mag Puigdemont zugutehalten, dass er nun eine flexiblere Position eingenommen hat als in den Tagen zuvor, als alles auf ein klares Entweder-oder zuzulaufen schien. Sollte er jetzt aber versucht haben, es allen recht zu machen, so hat er das Gegenteil erreicht: Er hat sich zwischen alle Stühle gesetzt. Der Separatistenführer hat einerseits seine Anhänger enttäuscht, andererseits aber auch seine Gegner nicht zufriedengestellt. Und seine Absetzung sowie, viel schlimmer, die Aufhebung der bestehenden katalanischen Autonomie innerhalb Spaniens durch die Zentralregierung drohen immer noch.
Ministerpräsident Mariano Rajoy ist dennoch gut beraten, nicht gleich die ganz große Keule auszupacken. Katalonien ist zerrissen. Separatisten und Befürworter der Einheit Spaniens halten sich in und um Barcelona die Waage. Madrid sollte nicht durch überzogene Zwangsmaßnahmen dafür sorgen, dass dieses Verhältnis zugunsten der Abspaltungswilligen kippt.