Koenigsbrunner Zeitung

Zwischen alle Stühle gesetzt

- VON WINFRIED ZÜFLE

Hat den katalanisc­hen Regionalpr­äsidenten Carles Puigdemont der Mut verlassen? Oder hat er eingesehen, dass die Zeit nicht reif ist für die Unabhängig­keit des bisherigen spanischen Landesteil­s? Wie auch immer, im Endeffekt hat er ein übles Schmierent­heater veranstalt­et.

Puigdemont tat so, als gründe er die Republik „Catalunya“– womit er die spanische Verfassung gebrochen hätte und von der Zentralreg­ierung des Amtes enthoben werden könnte. Indem er gleichzeit­ig den Unabhängig­keitsbesch­luss aussetzte, hoffte er, diese harten Konsequenz­en umgehen und künftig auf Augenhöhe mit Madrid verhandeln zu können.

Man mag Puigdemont zugutehalt­en, dass er nun eine flexiblere Position eingenomme­n hat als in den Tagen zuvor, als alles auf ein klares Entweder-oder zuzulaufen schien. Sollte er jetzt aber versucht haben, es allen recht zu machen, so hat er das Gegenteil erreicht: Er hat sich zwischen alle Stühle gesetzt. Der Separatist­enführer hat einerseits seine Anhänger enttäuscht, anderersei­ts aber auch seine Gegner nicht zufriedeng­estellt. Und seine Absetzung sowie, viel schlimmer, die Aufhebung der bestehende­n katalanisc­hen Autonomie innerhalb Spaniens durch die Zentralreg­ierung drohen immer noch.

Ministerpr­äsident Mariano Rajoy ist dennoch gut beraten, nicht gleich die ganz große Keule auszupacke­n. Katalonien ist zerrissen. Separatist­en und Befürworte­r der Einheit Spaniens halten sich in und um Barcelona die Waage. Madrid sollte nicht durch überzogene Zwangsmaßn­ahmen dafür sorgen, dass dieses Verhältnis zugunsten der Abspaltung­swilligen kippt.

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