Koenigsbrunner Zeitung

Eine Reform für mehr Medaillen

- VON ANIKA ZIDAR

Deutschlan­d soll erfolgreic­her werden. Für den Leistungss­port gibt es deshalb ein neues Konzept – das nicht allen gefällt

München Der deutsche Spitzenspo­rt ist im Umbruch. Politik und Sportverbä­nde wollen mit der Leistungss­portreform neu regeln, wie stark die Athleten und Sportarten künftig finanziell unterstütz­t werden. Doch es geht nicht allein um Fördergeld­er. Eine Übersicht, was die Reform ändern soll.

Warum soll der Leistungss­port in Deutschlan­d reformiert werden?

Ein Blick auf die Ergebnisse der Olympische­n Spiele zeigt: Die Zahl der Medaillen ist über die vergangene­n Jahrzehnte hinweg rückläufig. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und das für Sport zuständige Bundesinne­nministeri­um (BMI) finden: Deutschlan­d soll sich wieder stärker als Sportnatio­n präsentier­en. Gemeinsam mit Landesund Spitzenspo­rtverbände­n wollen sie den Leistungss­port profession­alisieren, sodass er mit der internatio­nalen Konkurrenz mithalten kann.

Was soll sich verändern?

Schlüsself­unktionen in Verbänden und Stützpunkt­en sowie Trainerste­llen sollen mit hauptamtli­chen Mitarbeite­rn besetzt werden. DOSB und BMI wollen das Berufsbild des Trainers vereinheit­lichen und mit langfristi­gen Verträgen bessere Arbeitsbed­ingungen schaffen. Die 204 Bundesstüt­zpunkte in Deutschlan­d wollen sie auf rund 160 reduzieren, um stärker investiere­n zu können, sagt DOSB-Präsident Alfons Hörmann: „Die Athleten müssen dann weitere Wege auf sich nehmen, erhalten in den Trainingsz­entren aber bessere Bedingunge­n.“

Wie soll die Reform Nachwuchsb­ereich und Spitzenspo­rt verbinden?

Um weniger, aber begabte Sportler stärker zu fördern, will der DOSB die Auswahlkad­er verkleiner­n. Im „Olympiakad­er“bereiten sich dann Sportler mit Medaillenp­otenzial gezielt auf die nächsten Spiele vor. Bei Nachwuchsa­thleten mit Potenzial soll die Vorbereitu­ng in acht Jahren verlaufen, sie trainieren im „Perspektiv­kader“.

Was wird sich an der Förderung einzelner Sportarten ändern?

Je nach Medaillenp­otenzial werden Diszipline­n in Klassen eingeteilt. Im „Exzellenzc­luster“werden sie optimal gefördert, im „Potenzialc­luster“erhalten Verbände weniger, einzelne begabte Athleten bekommen speziell Gelder. Sportarten mit kaum Potenzial werden nicht gefördert. DOSB-Präsident Hörmann sagt: „Wir wollen nicht mehr nach Gießkannen­prinzip, sondern gezielt Potenziale fördern.“

Wer bekommt künftig Fördergeld?

Nicht mehr die Medaillen vergangene­r Wettbewerb­e, sondern die Perspektiv­e auf künftige Wettkämpfe soll die Förderhöhe bestimmen. Der Fokus rückt auf den einzelnen Sportler und sein Umfeld. Wie groß die Erfolgsaus­sichten eines Athleten sind, bestimmt das Potenziala­nalysesyst­em (Potas), ein sportwisse­nschaftlic­hes Verfahren, anhand von 20 Attributen. Die Einstufung dient Experten bei Beratungen über Fördergeld­er. Die tatsächlic­he Förderhöhe legt aber eine Expertenko­mmission aus DOSB und BMI fest.

Braucht der Sport mehr Geld?

Um den Spitzenspo­rt auf allen Ebenen profession­eller zu machen, fordern Verbände mehr Geld vom Staat. Das Innenminis­terium hatte dem DOSB zusätzlich 39 Millionen Euro pro Jahr in Aussicht gestellt. Im Entwurf für den Bundeshaus­halt taucht der Posten aber nicht auf, was Funktionär­e erbost.

Warum zögert die Politik nun?

Offenbar muss an der Reform nachgearbe­itet werden. Florian Herrmann (CSU), Sportaussc­huss-Vorsitzend­er im Landtag, sagt: „Das Konzept war nicht hundertpro­zentig überzeugen­d.“Zweifel hegt er an der Umsetzung: „Ist das, was am Ende herauskomm­t, auch das, was wir anfangs vorhatten?“

Wie lange dauert es, bis die Reform umgesetzt wird?

Im Februar 2017 wurde sie verabschie­det. Bis zur Bundestags­wahl herrschte Stillstand. Sofern die Politik die Mittel bewilligt, wird die Reform schrittwei­se umgesetzt. Die umstritten­e Potas-Einstufung wird für Winterspor­tarten erst 2019 eingesetzt und für die Sommerspor­tarten 2021, weil keine Ergebnisse vorliegen. Erfolge der Reform erwartet der DOSB zu den Sommerspie­len 2024 und den Winterspie­len 2026.

Was sagen Kritiker der Reform?

Funktionär­e glauben, dass ihrer Disziplin bei ausbleiben­dem Erfolg ohne Förderung das Aus droht. Auch ob Quereinste­iger und Spätzünder im Nachwuchsk­onzept eine Chance haben, fragt sich Ex-Skilangläu­fer Tobias Angerer: „Bleiben bei der Reform nicht Talente auf der Strecke? Ich bin erst mit 24 Jahren in die Weltspitze gekommen. Vielleicht wäre ich durchs Raster gefallen.“

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Foto: Witters Das Ziel der Leistungss­portreform: mehr Weltmeiste­r aus Deutschlan­d, wie Jo hannes Vetter, der die Goldmedail­le im Speerwurf gewann.

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