Von Walkertshofen in die USA
Die 17-Jährige Lisa Hagenbusch verbringt ein Jahr im amerikanischen Payson. Wie ihre ersten Wochen an der Highschool waren und welche sonntägliche Beschäftigung zunächst eine Umstellung für sie war
Payson/Walkertshofen Kaum zu glauben, dass ich schon sieben Wochen in den USA bin. Eigentlich komme ich aus Walkertshofen in den Stauden. Momentan verbringe ich als Austauschschülerin ein Jahr in Payson. Das ist eine kleine Stadt in Utah, mitten in den Rocky Mountains. Unterstützt werde ich vom Parlamentarischen Patenschaftsprogramm (PPP). Das ist ein Stipendium des Deutschen Bundestags. In den ersten Wochen war alles sehr aufregend und neu für mich.
Zunächst verbrachten alle PPPStipendiaten zwei Tage in der USHauptstadt Washington DC. Dort trafen wir die amerikanischen Austauschschüler, die nach Deutschland gehen. Durch Diskussionsrunden, Workshops und Vorträge wurden wir auf unsere Zeit im Ausland vorbereitet. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass amerikanische Familien von ihren (Gast-)Kindern immer wissen wollen, mit wem sie unterwegs sind, was sie machen und wann sie wieder zu Hause sind. Uns wurde auch gesagt, dass die Zimmertüre nicht geschlossen wird, wenn man sich darin aufhält.
Zwei Tage später lernte ich meine Gastfamilie kennen. Ich war sehr aufgeregt und habe mich gefragt, ob sie nett sei und ob ich mich einleben und wohlfühlen werde. Meine Bedenken waren überflüssig: Gleich vom ersten Tag an wurde ich als zusätzliches Familienmitglied betrachtet und auch so aufgenommen. Neben mir wohnt noch ein weiterer Gastschüler, ein 16-jähriger Italiener, bei der Familie.
Mit meiner Gastschwester verstand ich mich sehr schnell, und die ersten Tage unternahmen wir schon sehr viel zusammen: Wir gingen shoppen, trafen uns mit ihren Freunden, gingen wandern und waren zusammen mit einer Jugendgruppe auf einer Kajaktour. Dort lernte ich einige meiner jetzigen Freunde kennen.
Mein Leben in meiner Gastfamilie ist komplett anders als in Deutschland. Wir beten vor dem Essen und gehen jeden Sonntag für drei Stunden in die Kirche. Das hört sich ziemlich lange an, aber wir haben dort eine Art Sonntagschule, in der wir auch über aktuelle und interessante Themen diskutieren. Einmal haben wir zum Beispiel über Dating, Heiraten und die persönliche Entwicklung gesprochen.
Zu Beginn waren die wöchentlichen Gottesdienstbesuche eine Umstellung für mich. Manchmal wollte ich lieber zu Hause bleiben, aber dann war ich doch froh, dass ich gegangen bin. Im Gottesdienst sehe ich die meisten meiner Freunde, weil in Payson jeder in die Kirche geht. Meine Gastmutter ist religiöser als meine Gastgeschwister. Sie trinkt zum Beispiel keinen Alkohol. Hier in Utah gibt es aber viel religiösere Familien.
Sehr aufregend ist die Highschool in den USA. Der Alltag ist jedoch nicht so kitschig, wie es in amerikanischen Kinofilmen manchmal dargestellt wird. Es ist nicht so, dass sich immer zwei Jungs um ein Mädchen streiten, dass jeder vor dem Unterricht vor seinem Spint steht oder dass ständig Zettel im Spint auftauchen.
Ich wurde an der Highschool sehr gut aufgenommen, da ich bereits vor Schulbeginn angefangen hatte, regelmäßig ins Cross-Country-Training, also zum Geländelauf, zu gehen. Ich hatte auch schon Freunde in meiner Nachbarschaft gefunden und lernte durch sie neue Leute kennen. Jeder ist hier sehr nett und offen und fängt gleich ein Gespräch an.
Der wohl größte Unterschied zu Deutschland ist, dass die Schüler in den USA ihre Fächer wählen können, an denen sie interessiert sind, und der Stundenplan nicht vorgegeben ist. Da ich in den USA keinen Abschluss mache, musste ich nicht darauf achten, dass ich in meinen Highschool-Jahren eine bestimmte Anzahl an „langweiligen“Fächern nehme. Von der Organisation wurde vorgeschrieben, dass ich amerikani-
Die Schüler in den USA kön nen ihre Fächer selbst wäh len und Tests wiederholen
sche Geschichte, zwei akademische Fächer und Englisch nehmen muss.
Daneben habe ich Fächer gewählt, die es in Deutschland nicht gibt und die meiner Meinung nach mehr Spaß machen. Meine Lieblingsfächer sind Medical Anatomy (Anatomie), Social Dance – eine Art Tanzkurs – und Sportpsychologie. Es gibt aber auch Fotografie, Töpfern, jegliche Art von Kunst, Musicaltheater und viel mehr.
Ein weiterer großer Unterschied ist, dass wir jeden Test wiederholen können, wenn wir schlecht waren. Häufig sind das die gleichen Tests, von denen man schon die Lösungen kennt. Wir bekommen außerdem Punkte dafür, dass wir zum Unterricht oder Training erscheinen. Wenn jemand zum Beispiel beim Schwimmen einen Tag gefehlt hat, kann er in den Fitnessraum gehen, um Punkte zu bekommen, und so seine Note zu verbessern.
An meiner Highschool gibt es keine Abfragen oder mündliche Noten. Es gibt Tests, die länger sind, und Quiz, die kürzer sind. Alle Tests werden vorher angesagt.
Im Gegensatz zur deutschen Schule gibt es in der Highschool außerdem einen richtigen „school spirit“, also Zusammenhalt. Manchmal werden kostenlos Schul-T-Shirts verteilt, und es gibt für jede Sportart eigene Klamotten und Taschen. Sport ist ein großes Thema in der Highschool, und verschiedene Schulen treten gegeneinander an. Ich gehe nach der Schule jeden Tag ins Cross-Country-Training. Außerhalb der Highschool gibt es kaum Sport- oder Freizeitangebote, wie zum Beispiel Vereine in Deutschland. Zweiter Teil Was Lisa über das Essen in den USA denkt, welche Lebensmittel sie vermisst und wie die Verständigung klappt, lest ihr im zweiten Teil.