Über den König der Öle
In der Hartmannmühle in Biburg werden 35 verschiedene Ölsorten produziert. Marcus Hartmann hat als gelernter Landwirt und passionierter Koch noch zahlreiche Ideen. Serie, Teil 16
Diedorf Biburg Es war einmal der Berufswunsch Landwirt, der Besuch einer Ölmühle in Frankreich und ein ungewöhnliches Geburtstagsgeschenk zur Volljährigkeit: eine Ölmühle. Diese Faktoren haben Marcus Hartmann buchstäblich zum „König der Öle“gemacht – wie der Name der Onlinepräsenz heißt, unter der die Ölmühle Hartmann in Biburg heute zu finden ist.
Dass Rückschläge hilfreich sein können, davon kann der Chef der Hartmannmühle wahrlich ein Lied singen. Denn was klingt wie ein Märchen, begann 1988 mit einem herben Rückschlag. Ambitioniert und motiviert hat der 18-Jährige damals versucht, sein selbstgepresstes Sonnenblumenöl herauszubringen. Hartmann erinnert sich lachend an die erste Verkaufsrunde: „Ich bin von Haus zu Haus gefahren und die Leute haben mir mein Öl aus Mitleid abgekauft.“Die Enttäuschung kam hingegen beim nächsten Besuch. Nach zwei bis drei Monaten winkten seine ersten Kunden ab – mit der Begründung: Das Öl schmecke nach Sonnenblumen. Damals lautete die weitverbreitete Meinung noch: Ein Öl hat nach nichts zu schmecken. Anders beim König der Öle.
Hartmanns Produktionsweise, bei der kaltgepresste Öle hergestellt werden, vergleicht der gelernte Landwirt mit der Weinproduktion. Die Qualität des Rohstoffs ist entscheidend. Hartmann begann an sich zu arbeiten, testete Hänge, Aussaat, Sortenwahl und den Geschmack. Das Kümmel-Würz-Öl war eines der ersten Öle, das so entstand. Hartmann selbst ist großer Fan des Öls, das auf einer Mischung aus Kümmel und Rapskörnern basiert, und Gerichten wie Bratkartoffeln, Kartoffelpuffern, Krautgerichten, Schupfnudeln und Kohlgerichten einen ganz besonderen Geschmack verleiht. Doch er weiß auch: Fans wie ihn gibt es nur wenige, und so wird es das Kümmel-Würz-Öl auf Dauer schwer haben, in der Liste der Öle der Hartmannmühle bleiben zu dürfen. 300 Hektar Land mit Ölsaaten aus dem eigenen Anbau und von Kooperationspartnern liefern die Rohstoffe. Hartmanns Devise: Vom Anbau bis zur Ernte muss alles in einer Hand sein. Beim Anbau und beim Dreschen ist Vorsicht geboten, um die Saaten nicht zu beschädigen. Über teflonbeschichtete Fördersysteme werden die Saaten weiter verbracht. Was passiert, wenn nicht akribisch genau auf die Ölsaat geachtet wird, erklärt Hartmann am Beispiel des Leinöls: Dringt Sauerstoff ein, weil der Leinsamen bricht, mindert das die Qualität erheblich. Das Öl wird schnell ranzig. Freie Radikale werden frei.
Klappt alles bei Anbau, Ernte und Pressung, hat Leinöl einen leicht herben Geschmack. 57 Prozent an Omega-3-Fettsäuren machen das Leinöl zum wahren Gesundheitselixier. Zum Vergleich: Das Leindotteröl hat mit 30 Prozent Omega3-Fettsäuren gerade einmal die Hälfte. Naturheilkundler schwören auf die positive Wirkung von Leinöl bei Rheuma und Gicht. Ein bis zwei Esslöffel täglich sollten davon eingenommen werden, um eine positive Wirkung zu erzielen. Verarbeitet werden kann Leinöl sowohl in süßen als auch in deftigen kalten Quarkspeisen. Der Leinsamen, der in Biburg verarbeitet wird, wird Ende August geerntet, gereinigt, getrocknet und eingelagert. Hartmann weiß: „Der Leinsamen braucht zwei Monate Ruhe, um sich vom Stress zu erholen.“Danach kann er zu Öl verarbeitet werden. Frisches Leinöl ist bitter und hat einen Grünstich. Das liegt am Chlorophyllgehalt. Auch das Sonnenblumenöl läuft alle sieben Jahre Gefahr, sauer und kratzig zu schmecken. Wenn es in diesem siebten Missjahr, wie es im Volksmund heißt, im Abreifeprozess zu viel regnet, entsteht Fäule. Die Pilzsporen spalten die Fettsäuren. Um am Ende nicht ohne Sonnenblumenöl dazustehen, setzt Hartmann auf eine größere Anbaufläche. Dann kann er aussortieren. Den Samen aus etwa 80 Blumen braucht er, um einen Liter Öl herstellen zu können. Aus einem Hektar Raps oder Sonnenblumen werden etwa 1000 Liter Öl gewonnen. Zum Vergleich: Aus einem Hektar Leinsamen werden nur 600 Liter. Auch sind zwei unterschiedliche Ölmühlen in Betrieb. Die leistungsstärkere Mühle produziert 1000 bis 1500 Liter in 24 Stunden. Hier wird Rapsund Sonnenblumenöl produziert. In der zweiten Ölmühle werden im selben Zeitraum gerade einmal 300 bis 500 Liter Leinsamenöl produziert.
Warum das Hartmannsche Ölportfolio auf 35 verschiedene Sorten angestiegen ist, lässt sich mit Blick auf die Kundschaft erklären. Das Publikum ist heute deutlich jünger. Junge Menschen setzen auf gesunde Ernährung. Familien mit kleinen Kindern suchen ganz gezielt. Oder sie sind experimentierfreudiger, was Spezialöle angeht, wie etwa das Ingweröl, eine Kombination aus Sesamöl und Ingwer. Das leicht scharfe Öl macht sich gut in asiatischen Gerichten, aber auch in der Kürbissuppe, im Kartoffelbrei, zu Gemüse oder im Ingwer-Birnen-Kuchen. Der neueste Clou ist das Bieröl. Aus bayerischem Hopfen, aromatischem Malz und Raps wurde diese Varian-te hergestellt, die sich zu Salat, Gemüse, Grillfleisch und Braten eignet. Auch das Kokos-Rapsöl ist noch vergleichsweise neu und schmeckt besonders gut zu asiatischen Gerichten. Mit dem Vitalöl und dem Fit-in-denTag-Öl möchte Hartmann zeigen, wie wichtig es ist, auf die richtigen Fettsäuren zu setzen und an dieser Stelle auch Sportler ansprechen.
Abgefüllt wird seit 2015 dort, wo einst der Hühnerstall von Marcus Hartmanns Vater stand. Mit den Jahren wurde auch die Abfüllung perfektioniert. Während des Filtervorgangs wird der sogenannte Filterkuchen aufgebaut, der wiederum das Öl aktiv filtert und anschließend in der Biogasanlage verwertet werden kann. Die Nachfilterung ist eine reine Schönheits-OP, erklärt Hartmann. Auf Pumpen wird verzichtet, um das Öl noch schonender abzufüllen. Sogenannte Fall-Lanzen stoppen beim Abfüllen etwa einen Zentimeter über dem Füllspiegel. Die Reinigung der Anlagen kann nicht mit Wasser erfolgen, sondern erfolgt direkt mit dem Öl, welches als Nächstes abgefüllt wird. Und auch geschmacklich hat Hartmann noch einiges in petto: Das nächste Öl soll ein Butteröl werden, das mit Butterschmalz hergestellt wird. „Dieses Öl ist einzigartig“, schwärmt Hartmann und prophezeit: „Irgendwann wird es auch eine Sorte mit Vanillegeschmack geben.“
„Irgendwann wird es auch eine Sorte mit Vanillegeschmack geben.“
Marcus Hartmann