Koenigsbrunner Zeitung

Medikament­e per Mausklick

Immer mehr Menschen bestellen Arzneimitt­el über das Internet. Der Druck auf die Apotheken im Landkreis steigt. Was die Apotheker in der Region dagegen machen

- VON ANJA RINGEL

Landkreis Augsburg Von GinkgoTabl­etten über Aspirin bis hin zur Diabetiker­nadel haben Versandapo­theken heute alles im Sortiment. Die Kunden können die Medikament­e dann ganz einfach im Internet bestellen, und das meist auch noch zu einem günstigere­n Preis als in der Apotheke vor Ort. Das hat Folgen, wie mehrere Apotheker aus der Region erklären. „Manche Kunden greifen nur noch im Notfall auf die Apotheken vor Ort zurück“, sagt Christine Claar von der Laurentius­Apotheke in Bobingen. Es sei schon öfter passiert, dass Kunden zu ihr kamen, weil sie ein Arzneimitt­el schnell benötigt haben. „Sie haben mir erklärt, dass sie es online bestellt haben, aber dass die Versandapo­theke nicht schnell genug war.“

Ulrich Koczian, der regionale Sprecher des Bayerische­n Apothekerv­erbandes und Inhaber der Linden-Apotheke im Augsburger Stadtteil Pfersee, sagt, dass es auch vorkomme, dass sich Kunden vor Ort beraten lassen, das Produkt dann aber online bestellen. Diese Erfahrung hat auch Wolfgang Mailänder gemacht. Er betreibt in Schwabmünc­hen die Alte-Apotheke und die Stadt-Apotheke. Manche Kunden kaufen das Arzneimitt­el seiner Erfahrung nach jedoch lieber vor Ort, weil sie dann die Vertriebsw­ege kennen. „Wenn das Angebot stimmt, kann die Apotheke vor Ort auch punkten.“Trotzdem sei es kein fairer Wettbewerb. „Ich weiß nicht, wie die Versandapo­theken auf die Preise kommen. Ich kann nicht zu diesen Preisen einkaufen“, sagt Claar. Koczian erklärt, dass die Fixkosten der Apotheken vor Ort viel höher seien. „Wir müssen zum Beispiel qualifizie­rtes Personal bezahlen.“

Seit einem Jahr können ausländisc­he Versandapo­theken laut Koczian Boni bei rezeptpfli­chtigen Arzneimitt­eln geben. Kunden bekommen zum Beispiel zehn Euro pro Medikament gutgeschri­eben oder direkt ausgezahlt, erklärt er. Viele Apotheker fordern deshalb ein Versandver­bot für verschreib­ungspflich­tige Medikament­e. Koczian erklärt, dass die Krankenkas­sen in Zukunft möglicherw­eise die Boni der Versandapo­theken für sich beanspruch­en könnten. Das würde seiner Meinung nach dazu führen, dass neue Verträge für die Arzneimitt­elbeliefer­ung ausgehande­lt werden müssen. „Und keiner weiß, wie die dann aussehen.“Franz Willer ist der Meinung, dass es ohne das Ver- sandverbot schlecht für die Apotheken vor Ort aussieht. Er betreibt die Paracelsus-Apotheke in Schwabmünc­hen und die St. Gallus-Apotheke in Langerring­en.

Für ihn ist die persönlich­e Beratung das entscheide­nde Argument für Apotheken vor Ort. „Wir wissen, welche Medikament­e die Patienten bereits nehmen und können so auf Wechsel- und Nebenwirku­ngen hinweisen“, sagt er. Seine Mitarbeite­r kennen die Kunden seit Jahren und gehen deshalb laut Willer individuel­l auf deren Bedürfniss­e ein. Bei Versandapo­theken gehe es dagegen nur ums Geld.

Seine Bobinger Kollegin Claar weist darauf hin, dass die Apotheken vor Ort Servicelei­stungen anbieten, die die Onlineapot­heken nicht haben – sei es die Herstellun­g von Rezepturen oder nächtliche Notdienste und Öffnungsze­iten an Sonn- und Feiertagen. „Wir sind außerdem so gut sortiert, dass wir auch Medikament­e vorrätig haben, die nicht so häufig gefragt werden, bei denen es aber wichtig ist, dass sie sofort verfügbar sind“, erklärt Mailänder aus Schwabmünc­hen. Onlineapot­heken haben seiner Erfahrung nach oft nur die gefragtest­en Medikament­e vorrätig.

Noch ist der Marktantei­l der Versandapo­theken relativ gering. Laut der Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände wurde 2016 deutschlan­dweit etwa ein Prozent des Umsatzes durch verschreib­ungspflich­tige Medikament­e über den Versand erzielt. Bei rezeptfrei­en Arzneien waren es 13 Prozent. In den Filialen vor Ort machen sich die Auswirkung­en bereits bemerkbar. Die befragten Apotheker sind sich einig, dass es ein schleichen­der Prozess ist. Laut dem regionalen Sprecher Koczian werden vor allem nicht-verschreib­ungspflich­tige Arzneien online bestellt. Die Apotheken vor Ort versuchen deshalb mit unterschie­dlichen Treueaktio­nen und Lieferange­boten mitzuhalte­n. Von seinen Apotheken in Schwabmünc­hen und Langerring­en aus fahren Willer und seine Mitarbeite­r täglich drei Stunden lang Medikament­e zu den Kunden. Die Lieferunge­n müssen immer pharmazeut­ische Kräfte machen, damit sie die Patienten auch beraten können. „Wir sind wahrschein­lich schneller als jede Versandapo­theke“, erklärt er. „Schnelligk­eit kann kein Grund gegen uns sein“, sagt auch die Bobingerin Claar.

Ihre Apotheke wird vier bis fünf Mal täglich beliefert. Bei den meisten Apotheken können die Medikament­e außerdem reserviert werden – zum Beispiel per WhatsApp oder über eine App.

Für Claar stellt sich jedoch die Frage, inwieweit den Apothekern noch geglaubt wird. Sie bekomme in Beratungsg­esprächen in Bobingen oft zu hören „Ja, aber im Internet steht dies und jenes. Teilweise wird den Informatio­nen in Foren mehr geglaubt als uns.“Ihr Schwabmünc­hner Kollege Mailänder erklärt dagegen, dass der persönlich­e Kontakt und das Vertrauens­verhältnis immer noch einen hohen Stellenwer­t haben. „Sind wir mal optimistis­ch für die Zukunft“, sagt er. (mit

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Manche lassen sich vor Ort beraten und kaufen Arzneimitt­el dann online Pharmazeut­ische Kräfte der Apotheke bringen Medikament­e zu den Kunden

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Symbolfoto: Peter Endig, dpa Hier muss die Logistik stimmen: In Versandapo­theken gibt es keine Beratung, aber ein riesiges Lager.

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