Haken, Striche und Kreise am Himmel
Die Phänomene sind meteorologisch erklärbar: Warum die Kondensstreifen von Flugzeugen in diesen Tagen so gut und so lange zu sehen sind und wie die unterschiedlichen Formen entstehen
Augsburg Am Himmel zeigen sich Kondensstreifen in seltsamen Formen, am Boden rätseln Beobachter in der Region Augsburg, was es damit auf sich hat. Wir fragten einen Meteorologen um Rat. Die Verschwörung liegt in der Luft. In Form von Kreisen und Sicheln – scheinbar immer wieder durchschnitten von vielen weißen Linien.
Wer an diesen klaren Herbsttagen den Blick hebt, kann am Himmel seltsam wirkende Zeichen erkennen. Für einige Menschen gibt es keine Zweifel: Es handelt sich um sogenannte Chemtrails, also eine Art Giftwolken. Der Begriff taucht immer wieder bei Verschwörungstheoretikern auf. Anhänger der Theorie glauben, dass Flugzeuge im geheimen Auftrag von Regierungen Chemikalien versprühen.
Doch für die Zeichen am Himmel gibt es eine meteorologische Erklärung, wie Wetterfachmann Matthias Radochla aus Landsberg erklärt: Mehrere Faktoren begünstigen sich gegenseitig und sorgen dafür, dass Kondensstreifen von Flugzeugen derzeit besonders markant und über eine relativ lange Zeit hinweg sichtbar sind.
Das liegt zum einen am derzeitigen Hochdruckgebiet über der Region. Es veranlasst Piloten, ihr Flugzeug höher steigen zu lassen als beispielsweise während eines Wettertiefs. Denn bei einem Hochdruckgebiet müssen sie höher fliegen, um in eine bestimmte „Druckfläche“zu gelangen.
Mit der steigenden Höhe kann die Temperatur auf bis zu minus 60 Grad Celsius fallen. Der Effekt der Kondensation zeigt sich dann dementsprechend stark: Wenn die mehrere hundert Grad heißen Abgase des Flugzeugs auf die kalte Luft treffen, führt das zu einer extremen Abkühlung. Wenn die Luftfeuchtigkeit dann noch entsprechend hoch ist, kondensiert Wasserdampf im Abgas an den Partikeln in der Luft. Es bilden sich quasi Wolken. Abgasstrahl entstehen dann Eiskristalle, die sich als Kondensstreifen auch vom Boden aus sichtbar stark abzeichnen. Natürlich zeigt sich das Schauspiel nur, wenn wenige Wolken am Himmel stehen und auch die Kondensstreifen nicht von Wind schnell verblasen werden. Genau eine solche ruhige Hochdrucklage kennzeichnet dieser Tage den Himmel.
Übrigens: Beobachtern kann sich von weit auseinander liegenden Standpunkten ein ähnliches Bild am Himmel bieten. Da Flugzeuge meist in großen Höhen und über weite Distanzen unterwegs sind, tut sich das menschliche Auge schwer damit, eine genaue Position der gesichteten Kondensstreifen zu nennen. So erreichten unsere Redaktion regelmäßig Nachrichten besorgter Menschen aus vielen Teilen der Region: zum Beispiel zur gleichen Zeit aus Augsburg, Landsberg, Meitingen oder Ulm.
Was sie da sehen, sind Spuren einer bunten Mischung unterschiedlichster Flugzeuge. Da ziehen Linienmaschinen auf dem Weg zwischen England und dem Nahen Osten eine gerade Bahn über den Himmel, Forschungsflugzeuge des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt aus Oberpfaffenhofen erkunden in großen Schleifen die Atmosphäre oder testen neue Geräte. Geschäftsflugzeuge steuern eine Wartungswerft am Flugplatz Mühlhausen an, Regionalflieger pendeln zwischen München und der Schweiz. Und dann sind da vor allem immer wieIm der Militärflugzeuge aus Nato-Ländern, die in eigens reservierten Höhen den großen Übungsraum zwischen Lech und Schwäbischer Alb für das Training ihrer Piloten nutzen. Daran können Eurofighter aus Neuburg an der Donau beteiligt sein, aber auch Militärjets aus anderen Ländern oder Tankflugzeuge, die ihnen als fliegende Zapfsäule für Treibstoff dienen. Im Gegensatz zu den geraden Linien der großen Airliner zeichnen die Kampf- und Abfangübungen der Militärjets viele Kreise, Achter und enge Kurven an den Himmel. Manchmal schon früh am Tag genießen ganz andere Herrn der Lüfte diese ruhige Wetterlage mit weiter Sicht: Ballonfahrer. Sie aber produzieren wenigstens keine Kondensstreifen. »Kommentar
Wer so alles am Himmel unterwegs ist