Koenigsbrunner Zeitung

Die neue Rolle des Altlinken

Ob es mit einer Jamaika-Koalition klappt, hängt maßgeblich von Jürgen Trittin ab. Wird er sogar Minister?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Plötzlich ist Jürgen Trittin wieder wer. Nach vier Jahren im politische­n Winterschl­af steht das linksgrüne Fossil noch einmal im Rampenlich­t. In den Sondierung­sgespräche­n für eine mögliche Jamaika-Koalition, gestern erstmals in der großen Runde, kommt dem früheren Bundesumwe­ltminister möglicherw­eise sogar eine entscheide­nde Rolle zu. Ob die 50-köpfige Reisedeleg­ation aus CDU, CSU, FDP und Grünen tatsächlic­h in Jamaika landet, könnte maßgeblich von dem 63-Jährigen abhängen.

Im realpoliti­schen Flügel der Grünen, vertreten durch das Spitzenduo Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir, scheint die Lust aufs Regieren groß. Doch ob es wirklich zu der bunten Koalition kommt, wird von der Parteibasi­s entschiede­n. Und zahlenmäßi­g ist der linke, fundamenta­listische Flügel der Grünen noch immer mächtig.

Wenn sich die Fundis querstelle­n, hat ein schwarz-gelb-grünes Bündnis kaum eine Chance. Doch die derzeit ranghöchst­en Vertreter der linken Grünen, Fraktionsc­hef Toni Hofreiter und Parteichef­in Simone Peter, haben keine echte Machtbasis. Wenn es einen gibt, der den Fundi-Flügel davon überzeugen kann, mit der verhassten CSU, mit der verachtete­n FDP ein Regierungs­bündnis einzugehen, dann ist das also Jürgen Trittin.

Nach dem schlechten GrünenWahl­ergebnis von 2013 hatte er den Fraktionsv­orsitz abgeben müssen. Er schien im Abseits gelandet, als Mitglied des auswärtige­n Ausschusse­s trat er öffentlich kaum noch in Erscheinun­g. Auch auf Parteivera­nstaltunge­n hielt er sich weitgehend zurück. Doch sein auf die Gründerzei­t der Grünen zurückgehe­ndes Netzwerk hat der Diplom-Sozialwirt stets gepflegt. In einer Partei, in der sich durch Ämter-Rotation und Quotenrege­lungen immer wieder neues Spitzenper­sonal die Klinke in die Hand gab, steht Trittin für Konstanz. Und so ist er nun einer von 14 Sondierung­steilnehme­rn aufseiten der Grünen.

Trittin, der Ex-Hausbesetz­er, die Reizfigur vieler Konservati­ver, ist die Hürde, die es für Union und FDP zu überwinden gilt. Ausgerechn­et seine interne Gegnerin Katrin Göring-Eckardt war es, die ungewollt zu seinem Comeback beigetrage­n hatte. Trittin werde bei Sondierung­sgespräche­n keine Rolle spielen, hatte die Realo-Frau betont. Der Fundi-Flügel grollte massiv und Trittin ist eben doch dabei.

Seine Rolle scheint klar: Er ist in den Verhandlun­gen der, der über die roten Linien der grünen Fundis wacht. Ihn müssen die anderen überzeugen – dann überzeugt auch er die Linken im eigenen Laden. Vehement wird Trittin etwa den Ausstieg aus der Kohlenutzu­ng bis 2030 fordern. Die Grünen wollen die 20 schmutzigs­ten Kohlekraft­werke sogar sofort abschalten. Trittin dürfte auch die Diskussion um das Aus für Autos mit Verbrennun­gsmotor neu befeuern. Auf Sturm stehen zudem die Zeichen in der Flüchtling­spolitik. Trittin ist ein erklärter Gegner einer Obergrenze. Dass die Union etwa den Familienna­chzug für Flüchtling­e ohne dauerhafte­n Schutz weiter aussetzen will, kritisiert er scharf.

Der Fundi-Frontmann, das fürchten die einen und hoffen die anderen, wird die linksgrüne­n Positionen mit allergrößt­er Härte vertreten. Der gebürtige Bremer gilt als einer der erfahrenst­en Verhandlun­gsführer in der gesamten deutschen Politik – und als einer der gewieftest­en. Konflikte sind programmie­rt. Allzu weit kann etwa die CSU den Grünen nicht entgegenko­mmen, ohne ihre Chancen bei der bayerische­n Landtagswa­hl nächstes Jahr zu schmälern. Doch Trittin blufft nicht, wenn er mit einem Ende der Jamaika-Runde droht. Wenn er für seine Anhänger keine echten Zugeständn­isse heraushole­n kann, dann wird er eben keine Regierungs­beteiligun­g empfehlen. Und für die Realos, für das gesamte Projekt Schwarz-Gelb-Grün, würde es ganz, ganz schwer. Glaubwürdi­ger kann eine solche Unnachgieb­igkeit keiner vermitteln als Trittin. 2013 war er es, der die Gespräche über ein Bündnis mit der Union platzen ließ.

Jetzt treibt Trittin den Preis der Grünen hoch, im Wissen, dass er gute Karten hat. Sollte es ihm gelingen, so viel herauszuho­len, dass die Fundis am Ende mit nach Jamaika gehen, dürfte er in der Ökopartei endgültig wieder in der ersten Reihe stehen. Trittin, glauben viele bei den Grünen, könnte durchaus noch einmal Umweltmini­ster werden.

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Foto: Michael Täger, Imago Wieder da: Jürgen Trittin vertritt den linken Grünen Flügel in den Koalitions­gesprächen.

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