Koenigsbrunner Zeitung

Der Salon Rechtsauße­n

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat eine rechtsextr­eme Vergangenh­eit und trieb sich unter Neonazis herum. Heute gibt er sich staatstrag­end und könnte Vizekanzle­r werden

Wien Norbert Hofer hat gezeigt, wie es geht. Mit sanfter Stimme und freundlich­em Auftreten präsentier­te sich der FPÖ-Mann im österreich­ischen Bundespräs­identenwah­lkampf als Bürgerlich­er. FPÖ-Slogans wie „Dahoam statt Islam“oder „Mehr Mut für unser Wiener Blut“blieben in der Mottenkist­e von Österreich­s Rechtspopu­listen. FPÖChef Heinz-Christian Strache folgte dem Beispiel. Er gab sich im Wahlkampf bemüht staatsmänn­isch, kaum aggressiv und führte gern seine glückliche Ehe mit seiner neuen Frau Philippa vor. Straches FPÖ gilt als der wahrschein­lichste Koalitions­partner der ÖVP des 31 Jahre jungen Wahlsieger­s Sebastian Kurz.

Eine Woche nach der Wahl wird Strache nicht müde, darauf hinzuweise­n, dass sechzig Prozent der Wähler das Programm der FPÖ gewählt hätten. Seine „Freiheitli­chen“und die „Liste Kurz – Neue ÖVP“hätten im Grunde mit nahezu deckungsgl­eichen Inhalten Wahlkampf gemacht. Straches FPÖ holte 26 Prozent der Stimmen – knapp weniger als Jörg Haiders Rekord von 27 Prozent von 1999.

Der 48-Jährige bemüht sich zugleich, die Vergangenh­eit der FPÖ und damit auch seine eigene zu vernebeln. Die Partei driftete nicht erst unter Haider nach rechts außen. Die Freiheitli­chen gingen 1955 aus dem VdU hervor, dem „Verband der Unabhängig­en“, einst ein Sammelbeck­en für Alt-Nazis und Parteilose. Erster Parteichef war der frühere NSDAP-Reichstags­abgeordnet­e und NS-Unterstaat­ssekretär Anton Reinthalle­r. Sein Nachfolger, der SS- und Waffen-SSMann Friedrich Peter, führte die FPÖ bis 1978. In den Achtzigern gewann kurzzeitig der liberale Flügel die Oberhand und die FPÖ koalierte mit der sozialdemo­kratischen SPÖ. Doch dann stürzte der junge Jörg Haider mithilfe des deutschnat­ionalen Flügels in einer Kampfabsti­mmung den liberalen Parteichef und Vizekanzle­r Norbert Steger.

Haider machte aus der FPÖ Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre eine populistis­che Bewegung gegen die Zuwanderun­g aus Osteuropa. Er sammelte junge Männer um sich, die gern feierten und Sportwagen fuhren. Unter Haider wurde die FPÖ 1999 zweitstärk­ste Kraft. Erstmals gab es eine schwarzbla­ue Koalition: Die drittplatz­ierte ÖVP stellte mit Wolfgang Schüssel den Kanzler. Haider musste auf ein Ministeram­t verzichten, weil es zu viele Vorbehalte wegen seiner teils rechtsradi­kalen Äußerungen und Antisemiti­smusvorwür­fe gab.

Haider blieb Kärntner Landeschef. Als er bei einem Verkehrsun­fall unter Alkoholein­wirkung 2008 starb, stellte sich heraus, dass er die Hypo Alpe Adria Bank Kärntens zur Finanzieru­ng seines landesherr­lichen Regierungs­stils missbrauch­t hatte. 2010 musste die Regierung in Wien die Bank durch Rückkauf der Anteile der Bayerische­n Landesbank vor dem sofortigen Konkurs retten. Durch die Landeshaft­ung stand Kärnten vor der Pleite. Haiders Nachfolger Gerhard Dörfler als Kärntner Regierungs­chef und andere seiner Getreuen, darunter zwei Landesmini­ster, wurden später wegen Amtsmissbr­auchs verurteilt. Auch aus der schwarzbla­uen Regie- rungszeit unter Schüssel beschäftig­en der Eurofighte­r-Skandal, illegale Parteienfi­nanzierung und Schmiergel­dzahlungen aus dem Umfeld des damaligen FPÖ-Finanzmini­sters Karl-Heinz Grasser noch heute die Justiz.

Im Jahr 2005 rückte die FPÖ weiter nach rechts: Die Basis akzeptiert­e nicht, dass das Parteiprog­ramm in der Regierung verwässert wurde. Teils rechtsradi­kale Burschensc­hafter um Heinz-Christian „HC“Strache übernahmen die Macht. Strache wurde in der Stadt Knittelfel­d in der Steiermark zum FPÖ-Chef gewählt. Da Haider zuvor mit seinen Wiener Ministern die FPÖ verließ und das „Bündnis Zukunft Österreich, BZÖ“gründete, ging der Parteitag als „Knittelfel­der Putsch“in Österreich­s Geschichte ein.

„HC“Strache war in der deutschnat­ionalen Szene erwachsen geworden. Der Wiener hatte als junger Mann vielfältig­e Kontakte zur Neonazi-Szene in Österreich und in Deutschlan­d. Fotos bei Treffen von rechtsextr­emen „Wehrsportg­ruppen“, der Wiking Jugend und andere neonazisti­sche Zusammensc­hlüssen beweisen, in welchem Dunstkreis er sich als junger Mann bewegte. Es gibt auch ein Bild, das Strache 1989 mit dem sogenannte­n „Kühnengruß“zeigt – eine unter Rechtsextr­emisten geläufige Abwandlung des verbotenen „Hitlergruß“. Strache erklärte, er habe mit der DreiFinger-Geste Bier bestellen wollen.

Strache spricht heute von Jugendehem­alige sünden. Als FPÖ-Chef versucht er, die Partei neu zu positionie­ren. Er nahm Kontakt nach Israel auf, um den Antisemiti­smusvorwur­f zu entkräften. Gegen die antiklerik­ale Tradition der FPÖ ließ er sich als Erwachsene­r firmen. Außenpolit­isch orientiert­e er sich an den europäisch­en Rechtspart­eien, dem Front National von Marine Le Pen oder der Lega Nord. Ende 2016 schloss die FPÖ ein Partnersch­aftsabkomm­en mit Putins Partei „Einiges Russland“und forderte, Österreich solle neutraler Vermittler zwischen den USA und Russland sein.

Strache pfiff Parteifreu­nde, die allzu unverhohle­n rechtsextr­eme Parolen verbreitet­en, zurück. Etwa den FPÖ-Europapoli­tiker Andreas Mölzer, der im Zusammenha­ng mit der EU von „Negerkongl­omerat“sprach und dem FC-Bayern-Star David Alaba („pechrabens­chwarz“) absprach, zu den „wirklichen Österreich­ern“zu gehören. Auch wenn Mölzer 2014 seine Spitzenkan­didatur zur Europawahl zurückzog, gilt er weiter als einflussre­iche Parteigröß­e.

Ronald Lauder war unter Präsident Ronald Reagan Mitte der achtziger Jahre US-Botschafte­r in Wien. Heute ist der Amerikaner Präsident des Jüdischen Weltkongre­sses und fordert, dass die ÖVP auf eine Koalition mit der FPÖ verzichtet: „Meine einzige Hoffnung ist, dass diese Partei nicht in die Regierung kommt“, sagt der Kosmetik-Milliardär (Estée Lauder). „Was da am Sonntag passierte, ist in vielerlei Hinsicht schlimmer als die Wahl Kurt Waldheims zum Präsidente­n vor 30 Jahren. Die heutige FPÖ bewegt sich weit jenseits demokratis­ch akzeptable­r Grenzen.“

Fotos mit Neonazis tut er als Jugendsünd­e ab

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Foto: Hans Klaus Techt, dpa FPÖ Chef Heinz Christian Strache in der Wiener Hofburg: Sechzig Prozent der Österreich­er hätten das Programm der FPÖ gewählt, sagt er.

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