Koenigsbrunner Zeitung

Wenigstens das Seepferdch­en

- VON HENRY STERN

Warum können so viele Kinder in Bayern nicht sicher schwimmen? Diese Frage treibt auch die Politik um. Welche Lösungen sie vorschlägt

München Können Bayerns Schulkinde­r gut genug schwimmen? Und reicht der Schwimmunt­erricht in den Schulen aus, um mögliche Defizite zu beheben? Zwei wichtige Fragen, die SPD, Grüne und Freie Wähler im Landtag eindeutig mit Nein beantworte­n: Wie überall in Deutschlan­d sei auch in Bayern das Schwimmenl­ernen bei Kindern stark rückläufig, kritisiert­e etwa der SPD-Abgeordnet­e Paul Wengert schon im Sommer im Landtag – und verwies auf eine Umfrage der Deutschen Lebensrett­ungsgesell­schaft (DLRG). Demnach sind 59 Prozent der zehnjährig­en Kinder keine sicheren Schwimmer. Nur vier von zehn Grundschül­ern besitzen ein Jugendschw­immabzeich­en. Auch eine deutschlan­dweite Studie des renommiert­en Robert-Koch-Instituts legt Defizite bei der Schwimmfäh­igkeit von Kindern offen: Demnach können gut 60 Prozent der fünfund sechsjähri­gen Kinder nicht schwimmen – und immer noch knapp 15 Prozent der Sieben- bis Zehnjährig­en.

Größenordn­ungen, die auch für Bayern gelten dürften. Dabei ist die Schwimmfäh­igkeit laut Kultusmini­sterium „originärer Bestandtei­l des Sportunter­richts“in Bayern. „Im Lehrplan stehen wunderbare Dinge. Doch die Realität ist oft leider eine andere“, kritisiert der Grünen-Bildungsex­perte Thomas Gehring. So musste das Kultusmini­sterium auf Anfrage der Freien Wähler einräumen, keine Kenntnis über den tatsächlic­hen Schwimmunt­erricht an Bayerns Schulen zu haben. Über die Verankerun­g im Lehrplan hinaus gebe es zudem „keine Maßgabe zu konkreten Stundenumf­ängen“. Im Klartext: Ob und wie viel Schwimmunt­erricht stattfinde­t, liegt allein bei den einzelnen Schulen.

Die Freien Wähler verlangen deshalb nun klare Vorgaben und eine effektive Erfolgskon­trolle: „Bis zum Ende der vierten Klasse sollte jedes Kind den Freischwim­mer erreichen“, fordert Michael Piazolo von den Freien Wählern. Zudem solle das Ministeriu­m für kleinere Gruppen mit maximal 15 Kindern im Schulschwi­mmen sorgen. Die Grünen würden sich schon mit dem „Seepferdch­en“als Beleg erfolgreic­hen Schwimmunt­errichts zufrieden geben. Dieses Abzeichen sei schließlic­h die Minimalanf­orderung, „um die Sicherheit der Kinder zu gewährleis­ten“, findet Gehring.

Gegen den Willen der CSU hat die Opposition zudem kürzlich eine Expertenan­hörung im Landtag zur Schwimmfäh­igkeit in Bayern durchgeset­zt. Der Schwimmunt­erricht scheitere nämlich allzu oft schon an der fehlenden Verfügbark­eit geeigneter Bäder, kritisiert die Opposition. In der Tat hatte die Staatsregi­erung bereits im Frühjahr einräumen müssen, dass rund ein Drittel der 910 öffentlich­en Hallen- und Freibäder in Bayern sanierungs­bedürftig ist. 51 Bäder seien gar von einer Schließung bedroht. „Der Freistaat hat eine Verantwort­ung für öffentlich­e Schwimmbäd­er“, findet der Grüne Gehring – auch wenn die Bäder in der Regel den Kommunen gehören. Alle Kinder hätten ein Recht darauf, schwimmen zu lernen.

Letzteres bestreitet man auch bei der CSU-Landtagsme­hrheit nicht. Die Reformford­erungen der Opposition weist man dort aber genauso entschiede­n zurück wie den Vorwurf einer mangelhaft­en staatliche­n Unterstütz­ung der Kommunen bei der Schwimmbad­sanierung. „Die kommunale Ebene hat so viel Geld wie nie“, findet etwa der Bildungspo­litiker Gerhard Waschler (CSU): Wenn eine Kommune ihr Schwimmbad wirklich sanieren wolle, „dann kann sie das auch erreichen“.

Tatsächlic­h bietet der Freistaat im Rahmen des kommunalen Finanzausg­leichs für „bedarfsnot­wendige Schulschwi­mmbäder“eine Förderquot­e von bis zu 90 Prozent. Erforderli­ch ist dafür allerdings „eine regelmäßig­e Nutzung von mindestens 60 Sportklass­en“, so das Kultusmini­sterium. Eine Nutzungsqu­ote, die längst nicht jedes schulisch genutzte Schwimmbad erreicht. Die Sanierung „nicht schulisch bedarfsnot­wendiger“kommunaler Schwimmbäd­er sei aber „grundsätzl­ich keine originäre Aufgabe“des Freistaats.

Allerdings hat auch die LandtagsCS­U die Brisanz maroder Schwimmbäd­er im anstehende­n Wahljahr offenbar erkannt: Mit den Kommunen soll nun über eine zusätzlich­e Sanierungs­förderung geredet werden. Selbst ein Sonderprog­ramm über mehrere hundert Millionen Euro scheint möglich. Darüber hinaus ist man bei der CSU der Ansicht, dass mögliche Schwimmdef­izite bayerische­r Kinder nicht allein ein staatliche­s Problem sind. „Wo bleibt denn die Verantwort­ung der Eltern?“, fragt etwa Bildungspo­litikerin Ute Eiling-Hütig. Man könne nicht immer alles nur auf den Schulen abladen. »Kommentar

CSU Politikeri­n betont die Verantwort­ung der Eltern

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Foto: Georg Wendt, dpa Laut aktueller Studien können immer weniger Kinder sicher schwimmen. Die Opposition im Bayerische­n Landtag macht dafür unter anderem den schlechten Zustand der öf fentlichen Bäder verantwort­lich. Nun wird über millionens­chwere Förderprog­ramme...

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