Koenigsbrunner Zeitung

Wenn der Biberbau zur Falle wird

- VON STEPHANIE SARTOR

Immer wieder brechen Menschen in Löcher ein, weil der Boden unterhöhlt ist. Zuletzt häuften sich die Fälle in Nordschwab­en. Manch einem platzt so langsam der Kragen

Oppertshof­en Friedrich Böhm reicht es langsam. „Ich habe laufend Probleme mit dem Biber“, schimpft der Landwirt. Zig Quadratmet­er Mais würde ihm der Nager wegfressen, ganze Uferstücke brächen weg. Und dann sind da auch noch die vielen Löcher im Boden. Eines davon wurde vor kurzem Böhms Azubi zum Verhängnis. Der saß gerade auf dem Traktor, als es plötzlich rumste. Das Gefährt war in ein Biberloch eingebroch­en. Und der Auszubilde­nde verletzte sich dabei so schwer an der Hand, dass er ins Krankenhau­s gebracht werden musste. Und der Traktor? „Der ist fast so alt wie ich, der hält so etwas aus“, sagt Böhm, 60, aus Oppertshof­en im Landkreis Donau-Ries und lacht. Man merkt ihm trotzdem an, dass ihn die ganze Sache tierisch nervt.

Landwirt Böhm ist nicht der Einzige, der Probleme mit den Löchern im Boden hat, die entstehen, wenn der Nager Tunnel gräbt und Wiesn und Feldwege unterhöhlt. Bayernweit hört man immer wieder von solchen Fällen. Von Reitern, die stürzten, weil das Pferd in ein tiefes Loch getreten war. Von eingesunke­nen Traktoren. Sogar von Kälbern, die in den ausgehöhlt­en Vertiefung­en ertrunken sein sollen.

In letzter Zeit häuften sich die Unfälle besonders in Nordschwab­en. So hat sich vor kurzem eine Frau aus Donauwörth schwer verletzt, als sie in so ein Loch einbrach. Die Frau war mit ihrem Mann in der Nähe von Wörnitzste­in angeln gewesen. Als es dunkel war, gingen sie mit Taschenlam­pe zurück zum Auto. Plötzlich gab der Boden nach – und die Frau steckte bis zur Hüfte fest. Ihr Mann musste sie herauszieh­en. Der Angelausfl­ug hatte für die Frau schwere gesundheit­liche Folgen: Weil sie sich beim Sturz eine Fraktur am Knie zuzog, musste sie zweieinhal­b Stunden lang operiert werden. Seit dem Unfall ist sie krankgesch­rieben. Voraussich­tlich noch monatelang.

Auch für einen 46-jährigen Mann wurde aus einem idyllische­n Spaziergan­g an der Wörnitz in der Nähe von Ebermergen eine äußerst unangenehm­e Erfahrung – auch er brach vor kurzem in einen Bibertunne­l ein, den der Nager vom Fluss aus

Im Landkreis Donau Ries gibt es nach Angaben des Landratsam­tes etwa 800 Biber.

Im 19. Jahrhunder­t war der Nager in Europa fast ausgerotte­t. Mitte der 1960er Jahre kam der Biber wieder zurück nach Bayern.

Der Biber ist reiner Vegetarier. Er frisst Kräuter, Wasserpfla­nzen und die Rinde von Bäumen. gegraben hatte. Nur mit Mühe konnte sich der Mann selbst aus seiner misslichen Lage befreien und zu seinem Auto zurückhump­eln. Später stellte sich heraus, dass mehrere Bänder im Knie angerissen waren.

Wegen solcher Unfälle oder Schäden an Landwirtsc­haftsmasch­inen wollen viele Menschen im Freistaat dem Nager an den Kragen. So wie Landwirt Böhm aus Oppertshof­en. Für ihn gibt es nur eine Lösung: Der Biber muss aufgehalte­n werden. „Aber ich werde ignoriert. Biber sind anscheinen­d heilige Kühe“, schimpft er und fügt hinzu: „Der Biber hat keine natürliche­n Feinde. Er vermehrt sich explosions­artig. Für mich ist das nicht anders als bei Wildschwei­nen oder Rehen: Was zu viel ist, muss dezimiert werden.“

Nur: Ganz so einfach ist das nicht. Denn der Nager ist streng geschützt. 20 Gemeinden im Land56-jährige

Bayerische Land , Forst und Teich wirte haben nach Angaben des Bau ernverband­es im Jahr 2016 Biber Schäden in Höhe von 610 128 Euro gemeldet. Der sogenannte Biberfonds des Freistaate­s deckt aber nur 450 000 Euro ab.

Schäden, die der öffentlich­en Hand, etwa Kommunen entstehen, wer den nicht ausgeglich­en. (sast) kreis Donau-Ries haben aber bereits eine befristete Genehmigun­g zum Abfang, also zum Töten, des Bibers. „Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Karl Malz, Bürgermeis­ter der Gemeinde Tapfheim im Landkreis Donau-Ries. „Wir haben keine Chance, wenn wir nicht den Schutzstat­us aufheben.“

Man muss nicht gleich dem Biber an den Pelz gehen, um den Konflikt zwischen Mensch und Tier zu entschärfe­n, meint Volker Geiß, Naturschut­zbeauftrag­ter des Landratsam­tes Donau-Ries. Er hält es etwa für sinnvoll, wenn die Landwirte ihre Felder nicht direkt bis ans Flussufer bewirtscha­fteten. Durch einen Randstreif­en von etwa zehn Metern auf beiden Uferseiten könnten bis zu 95 Prozent aller TraktorEin­brüche in Bibertunne­l verhindert werden, sagt er und verweist auf ein Förderprog­ramm des Freistaats, das Landwirte, die den Uferbereic­h für mehrere Jahre unberührt lassen, finanziell unterstütz­t.

Wie man allerdings Spaziergän­ger vor den Löchern im Boden schützen kann, das weiß auch der Naturschut­zbeauftrag­te nicht. „Bei Fußgängern ist das natürlich viel schwierige­r.“Und so wird es wohl noch mehr Fälle geben wie die der Anglerin und des Spaziergän­gers aus dem Landkreis Donau-Ries, für die die die Bekanntsch­aft mit dem Biber eine enorm schmerzhaf­te war. (mit

Der Biber in Bayern

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Foto: Patrick Pleul, dpa Er ist vielen Landwirten ein Dorn im Auge: der Biber. Und für Fußgänger kann der Nager mitunter gefährlich werden.

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