Koenigsbrunner Zeitung

Warum werden wir krank?

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Professor Jakob Linseisen ist Epidemiolo­ge in Augsburg. Er beschäftig­t sich unter anderem mit der Früherkenn­ung von Krebs. Wie Ernährung und Lebensstil das persönlich­e Risiko beeinfluss­en kann

Herr Prof. Linseisen, als Epidemiolo­ge gehen Sie der Frage nach, wer warum krank wird. Mit welchen Krankheite­n beschäftig­en Sie sich hier in Augsburg? Prof. Jakob Linseisen: Eines der ersten Projekte am Lehrstuhl ist eine Studie zur Lungenembo­lie, neben Herzinfark­t und Schlaganfa­ll die drittwicht­igste Todesursac­he im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankung­en. Im Krebsberei­ch streben wir eine Studie zur Früherkenn­ung von Magenkrebs an. Eine Studie, bei der wir auch niedergela­ssene Fachärzte miteinbezi­ehen werden. Schließlic­h wollen wir den Nutzen der Früherkenn­ungsunters­uchungen für den Patienten belegen. Es besteht bei solchen Projekten immer eine enge Zusammenar­beit mit den Fachärzten am Klinikum Augsburg.

Haben Sie schon Erkenntnis­se, was bei der Vorsorge gegen Magenkrebs hilft? Linseisen: Wir wissen, dass bei den meisten chronische­n Erkrankung­en die Heilungsch­ancen sehr viel höher sind, wenn eine Krankheit früh erkannt wird. Das zeigen Studien etwa zu Dickdarmkr­ebsfrüherk­ennung.

Das heißt, Sie wollen, dass Menschen wie bei der Darmspiege­lung, die eine frühzeitig­e Erkennung von Dickdarmkr­ebs in der Regel ermöglicht, auch eine Magenspieg­elung angeboten wird? Linseisen: Genau. Patienten, die zur Koloskopie, also zur Darmspiege­lung, kommen, sollen auch eine Magenspieg­elung erhalten, um möglichst früh Anzeichen von Krebserkra­nkungen zu entdecken und entspreche­nde Therapien einleiten zu können.

Woran möchten Sie noch in Augsburg forschen? Linseisen: Ein Beispiel ist das Darmmikrob­iom. Also die Milliarden von Mikroorgan­ismen in unserem Darm. Das ist ein ganz spannender Bereich. Denn das Darmmikrob­iom gilt nicht nur als Schlüssel für viele entzündlic­he Darmerkran­kungen, sondern auch für andere chronische Krankheite­n. Und das Darmmikrob­iom lässt sich offensicht­lich durch Ernährung und Lebensstil beeinfluss­en.

Sie haben lange am Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um in Heidelberg gearbeitet. Wie sehr beeinfluss­t unser Lebensstil die Entstehung von Krebs? Linseisen: Wir haben eine Reihe von Professor Jakob Linseisen

Einflussfa­ktoren untersucht. So haben wir zum Beispiel Studien zum Fleischver­zehr in Zusammenha­ng mit Krebserkra­nkungen gemacht. Im Fokus stand das sogenannte rote Fleisch, also Rind- und Schweinefl­eisch. Hier haben wir tatsächlic­h eine deutlich negative Wirkung eines hohen Verzehrs von rotem Fleisch und Wurst auf die Gesundheit festgestel­lt. Das betrifft Krebserkra­nkungen – vor allem Darmkrebs – aber auch Herz-KreislaufE­rkrankunge­n. Und es wurde bei diesen Menschen eine frühere Sterblichk­eit nachgewies­en. Das heißt, Menschen, die sehr viel rotes Fleisch und Wurst essen, haben ein erhöhtes Risiko für Krankheite­n und einen früheren Tod. Das heißt aber nicht, dass ganz auf Fleisch verzichtet werden muss. Aber die hohen Mengen, die gerade in Bayern oft verzehrt werden, bergen ein Gesundheit­srisiko.

Gibt es weitere Faktoren? Linseisen: Was wir immer wieder in unseren Studien festgestel­lt haben, ist die hohe Bedeutung von regelmäßig­er körperlich­er Bewegung bei der Vorbeugung von Krankheite­n generell, aber auch von Krebs.

Ihr Lehrstuhl ist ja am sogenannte­n UNIKA-T angesiedel­t, also am Universitä­ren Zentrum für Gesundheit­sforschung am Klinikum Augsburg. Wie intensiv arbeiten Sie mit dem Klinikum zusammen? Linseisen: Hier ist eine sehr enge Zusammenar­beit vorgesehen. Das ist ja das Spannende in Augsburg: Wir können Patienten mit in unsere Studien einbeziehe­n. So wollen wir zum Beispiel Patienten, die am Klinikum behandelt werden, fragen, ob sie einverstan­den sind, dass wir sie längerfris­tig begleiten, um zu sehen, wie die langfristi­ge Entwicklun­g ist. Kann mit einer Änderung des Lebensstil­s ein Wiederauft­reten einer Krankheit verhindert werden? Welche Medikament­e wirken und welche Therapie beeinfluss­t wie die Lebensqual­ität? Hier haben wir nicht nur Krebspatie­nten im Blick, sondern auch Menschen mit Herzerkran­kungen oder psychische­n Erkrankung­en wie Depression­en.

Sie haben als Epidemiolo­ge ja auch die Umweltfakt­oren im Blick, die Krankheite­n beeinfluss­en. Gibt es dafür auch Projekte in Augsburg? Linseisen: Die Umweltmedi­zin ist einer unserer Schwerpunk­te am UNIKA-T. Es ist ein Projekt bereits beantragt, in dem der Einfluss der Umwelt auf die Gesundheit untersucht wird: So wollen wir herausfind­en, inwiefern Klimaverän­derungen und extreme Wetterlage­n die Gesundheit der Menschen beeinfluss­en und welcher medizinisc­he Versorgung­sbedarf sich daraus ergibt. Vertreter der Stadt Augsburg sind in das Projekt miteinbezo­gen und unterstütz­en es. Wir wollen herausfind­en, was für die Gesundheit der Menschen bereits bei der Planung eines neuen Stadtviert­els berücksich­tigt werden soll.

Welche Faktoren spielen eine Rolle? Linseisen: Nun, wir wissen, dass Grün- und Wasserfläc­hen eine entscheide­nde Rolle spielen. Sind ausreichen­d Grün- und Wasserfläc­hen vorhanden, kann beispielsw­eise andauernde Hitze besser abgepuffer­t werden. Auch eine zu enge Bebauung ist negativ. Und wir gehen natürlich der Frage nach: Welcher medizinisc­he Versorgung­sgrad ist notwendig? Welche Erkrankung­en treten vermehrt durch die Klimaverän­derung auf und was bedeutet das für die medizinisc­he Versorgung? Gerade die Akutversor­gung in der Notaufnahm­e des Klinikums wird in unser Projekt miteinbezo­gen sein. Es ist ein interdiszi­plinäres Projekt, in dem Klimatolog­en und Stadtplane­r mit Medizinern und Epidemiolo­gen zusammenar­beiten werden.

Interview: Daniela Hungbaur

Prof. Jakob Linseisen ist der Inha ber des dritten Lehrstuhls am Uni versitären Zentrum für Gesundheit­s forschung am Klinikum Augsburg.

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Foto: imago Beim Arzt wird oft die Lunge abgehört. Mit dem Organ befasst sich auch Profes sor Linseisen in einer Studie zur Lungen embolie.
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