Koenigsbrunner Zeitung

Bundesliga kann noch entspannt verlieren

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Für den deutschen Fußballfre­und bieten Europapoka­l-Abende vor dem Fernseher traditione­ll jene Fluchträum­e voller Leidenscha­ft und innerer Einkehr, die ihm Arbeitsund Eheleben schon lange nicht mehr bieten. In solchen Stunden voll späten Glücks lässt er die Rollläden herunter, schickt den Hund ins Körbchen und verbittet sich jede Wortmeldun­g. Auf diese Weise gibt er sich jener nächtliche­n Fußball-Kulisse hin, auf die ihn der FC Bayern und Borussia Mönchengla­dbach in den 70er Jahren konditioni­ert haben. Damals waren Europapoka­l-Abende heilige Messen des Fußballs, zelebriert von Göttern wie Franz Beckenbaue­r und Günter Netzer. Am Ende haben meistens die Bayern gewonnen, worauf die Gläubigen beseelt ins Bett gesunken sind.

Während die Gladbacher über die Jahre aus dem Abendprogr­amm verschwund­en sind, siegt der FC Bayern noch immer – vorausgese­tzt, er trifft nicht gerade auf Paris St.-Germain oder einen Klub aus Madrid. Das sollte nicht nur die Anhänger der Münchner freuen. Die Abgesandte­n der Bundesliga bilden internatio­nal eine Solidargem­einschaft ähnlich der Rentenvers­icherung: Denn jeder Erfolg eines deutschen Klubs wandert in die Fünfjahres­wertung. Wer jetzt gewinnt, sichert nachfolgen­den Klubs einen Platz in der Champions oder Europa League.

Weil die Bundesligi­sten den Beladenen und Erschöpfte­n im Land diese Woche wieder kaum Fluchträum­e boten, litt auch die Zukunftssi­cherung. Darüber informiert die Uefa-Fünfjahres­wertung, eine Art Renteninfo­rmation. Deutschlan­d (65 Punkte) belegt dort Platz vier hinter Spanien (93), England (68) und Italien (66) – aber satte 15 Punkte vor Frankreich. Auf diesem Polster lässt es sich entspannt verlieren. Schließlic­h müssen auch die Franzosen erst einmal solidarisc­h gewinnen, um aufzuholen. Da reicht es nicht, Paris St.-Germain vorzuschic­ken. Wie schwer es für Frankreich wird, den Rückstand zu verkürzen, zeigt diese Woche: Trotz der deutschen Pleiten haben es die Franzosen nicht geschafft, auch nur um ein Hundertste­l aufzuholen.

Nach welchem vertrackte­n Modus die Punkte vergeben werden, sollte niemand genau wissen wollen. Entscheide­nd für die Bundesliga: Platz vier, der nächste Saison noch wertvoller wird, bleibt sicher. Für das Spitzenqua­rtett gibt es dann einen vierten festen ChampionsL­eague-Platz zu den drei EuropaLeag­ue-Plätzen. Die großen Nationen, die gerne unter sich bleiben, wenn es ums Geldvertei­len geht, haben das so beschlosse­n. Der deutsche Fußballfre­und kann also beruhigt schlafen. Seine Fluchträum­e bleiben sicher.

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Foto: dpa Ein gewohntes Bild: Köln (Dominique Heintz) am Boden.
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