Bundesliga kann noch entspannt verlieren
Für den deutschen Fußballfreund bieten Europapokal-Abende vor dem Fernseher traditionell jene Fluchträume voller Leidenschaft und innerer Einkehr, die ihm Arbeitsund Eheleben schon lange nicht mehr bieten. In solchen Stunden voll späten Glücks lässt er die Rollläden herunter, schickt den Hund ins Körbchen und verbittet sich jede Wortmeldung. Auf diese Weise gibt er sich jener nächtlichen Fußball-Kulisse hin, auf die ihn der FC Bayern und Borussia Mönchengladbach in den 70er Jahren konditioniert haben. Damals waren Europapokal-Abende heilige Messen des Fußballs, zelebriert von Göttern wie Franz Beckenbauer und Günter Netzer. Am Ende haben meistens die Bayern gewonnen, worauf die Gläubigen beseelt ins Bett gesunken sind.
Während die Gladbacher über die Jahre aus dem Abendprogramm verschwunden sind, siegt der FC Bayern noch immer – vorausgesetzt, er trifft nicht gerade auf Paris St.-Germain oder einen Klub aus Madrid. Das sollte nicht nur die Anhänger der Münchner freuen. Die Abgesandten der Bundesliga bilden international eine Solidargemeinschaft ähnlich der Rentenversicherung: Denn jeder Erfolg eines deutschen Klubs wandert in die Fünfjahreswertung. Wer jetzt gewinnt, sichert nachfolgenden Klubs einen Platz in der Champions oder Europa League.
Weil die Bundesligisten den Beladenen und Erschöpften im Land diese Woche wieder kaum Fluchträume boten, litt auch die Zukunftssicherung. Darüber informiert die Uefa-Fünfjahreswertung, eine Art Renteninformation. Deutschland (65 Punkte) belegt dort Platz vier hinter Spanien (93), England (68) und Italien (66) – aber satte 15 Punkte vor Frankreich. Auf diesem Polster lässt es sich entspannt verlieren. Schließlich müssen auch die Franzosen erst einmal solidarisch gewinnen, um aufzuholen. Da reicht es nicht, Paris St.-Germain vorzuschicken. Wie schwer es für Frankreich wird, den Rückstand zu verkürzen, zeigt diese Woche: Trotz der deutschen Pleiten haben es die Franzosen nicht geschafft, auch nur um ein Hundertstel aufzuholen.
Nach welchem vertrackten Modus die Punkte vergeben werden, sollte niemand genau wissen wollen. Entscheidend für die Bundesliga: Platz vier, der nächste Saison noch wertvoller wird, bleibt sicher. Für das Spitzenquartett gibt es dann einen vierten festen ChampionsLeague-Platz zu den drei EuropaLeague-Plätzen. Die großen Nationen, die gerne unter sich bleiben, wenn es ums Geldverteilen geht, haben das so beschlossen. Der deutsche Fußballfreund kann also beruhigt schlafen. Seine Fluchträume bleiben sicher.