Warum die Augsburger CSU nicht gegen Seehofer rebelliert
Bayerns Ministerpräsident steht landesweit in der Kritik, manche fordern seinen Rücktritt. Im Bezirksverband in der Fuggerstadt herrscht aber Schweigen – aus Taktik?
Gut vier Wochen liegt die Bundestagswahl zurück. Seitdem ist der Druck auf Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer gewachsen: Landesweit fordern CSUPolitiker den Rücktritt des Parteivorsitzenden; nach dem Wahldebakel sei ein Neuanfang notwendig. Auch in der Region ist dies nicht anders: Die CSU im Augsburger Land fordert offen, dass sich Parteichef Horst Seehofer zurückziehen soll, aus einigen Bezirksverbänden ist der Wunsch nach einem schnellen Wechsel zu vernehmen.
Bei der Augsburger CSU dagegen blieb es in den vergangenen Wochen seltsam ruhig. Forderungen, Seehofer möge Konsequenzen ziehen, sind aus der schwäbischen Großstadt derzeit nicht zu vernehmen. Im Gegenteil: Parteichef Johannes Hintersberger hat als Losung ausgegeben, dass Personaldiskussionen erst nach den Koalitionsverhandlungen in Berlin geführt werden sollen. „In der jetzigen schwierigen Phase sind solche Diskussionen nicht sinnvoll“, glaubt Hintersberger. Sie schwächten eher die Position der CSU bei den Berliner Gesprächen.
Auch von der Augsburger CSUBasis sind Rücktrittsforderungen in nennenswerter Lautstärke bislang nicht zu vernehmen. Dieses Bild ergibt sich, wenn man mit Parteimitgliedern und Ortsvorsitzenden spricht. „Bei mir im Ortsverband gibt es keine Rebellionsgedanken“, sagt etwa der Ortsvorsitzende Peter Schwab aus dem Bärenkeller. In anderen Gebieten der Stadt sieht es ähnlich aus.
Die momentane Ruhe sollte aber über eines nicht hinwegtäuschen: Die Personaldiskussion ist zwar aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Seehofers Agieren in der Flüchtlingspolitik zwischen markigen Forderungen und Unionsdisziplin – Stichwort Obergrenze – wird auch in der Region als Punkt gesehen, der die CSU Wählerstimmen gekostet hat. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich, der in Augsburg das Direktmandat holte, aber ebenfalls Stimmen verlor, hat das gleich nach der Wahl klar angesprochen – allerdings ohne personelle Konsequenzen zu fordern.
Auch in den Ortsverbänden wird nach möglichen Ursachen für das schlechte Abschneiden der CSU gesucht. Seehofers Agieren wird in diesem Zusammenhang durchaus problematisch gesehen. „Es hat die CSU Glaubwürdigkeit gekostet. Es wurden gravierende Fehler gemacht“, heißt es von der Spitze eines Augsburger Ortsverbands. Doch auch hier ist die derzeitige Botschaft: erst einmal abwarten, was bei den Koalitionsgesprächen herauskommt.
Woran es liegt, dass so viele CSUPolitiker ihren Parteichef zum Rücktritt auffordern, während die Augsburger sich vornehm zurückhalten, ist an mehreren Fakten festzumachen. Denn unabhängig von den Koalitionsgesprächen in Berlin spielen in der Augsburger CSU auch taktische Überlegungen eine Rolle: Sollte Seehofer weiterhin Parteichef und Ministerpräsident bleiben, könnte er eine Rebellion aus Schwabens Regierungssitz als grobe Undankbarkeit im Gedächtnis behalten. Immerhin funktioniert ein Großteil der von der Stadt momentan angeschobenen Projekte – Theater- und Schulsanierungen sowie die Uni-Klinik – nur deshalb, weil der Freistaat viel Geld nach Augsburg fließen lässt. Fördermittel stehen Kommunen zwar gesetzlich zu, aber angesichts beschränkter Mittel macht es in der Realität trotzdem einen Unterschied, wer beim Freistaat anklopft. Der frühere SPD-Oberbürgermeister Paul Wengert, der mehrere Male in München abblitzte, konnte ein Lied davon singen. Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl, der zwar als Parteiloser gewählt wurde, nach der Wahl aber in die CSU eintrat, hat ein weitaus glücklicheres Händchen bei den Verhandlungen mit München.
Zudem dürfte der Augsburger CSU, die nach Jahren des internen Streits wieder ein geschlossenes Bild nach außen abgibt, auch etwas anderes klar sein: Ministerpräsident Horst Seehofer jetzt anzuschießen, könnte auch für Oberbürgermeister Kurt Gribl, der einer der stellvertretenden CSU-Parteivorsitzenden ist, ein Problem werden. Es war Seehofer, der Gribl – den einzigen CSU-Bürgermeister der drei größten
Auch an der Basis ist es derzeit erstaunlich ruhig
bayerischen Städte – für den Parteivorstand ins Gespräch brachte und ihn jüngst halb scherzhaft als „Superstar“bezeichnete, von dem noch manches zu erwarten sei.
Zum jetzigen Zeitpunkt wäre mit einer Rebellion für die hiesige CSU und für die Stadt also viel zu verlieren und wenig bis gar nichts zu gewinnen. Solange es keinen offiziellen Herausforderer für Horst Seehofer gibt und die Stimmung an der Augsburger Basis gegen den amtierenden Ministerpräsidenten nicht überkocht, gibt es auch gar keinen Grund, sich in der Frage zu positionieren.
Seehofer ist ohne Zweifel geschwächt, aber wer künftig Parteivorsitzender und Ministerpräsident ist, ist noch nicht entschieden. Spätestens beim Landesparteitag im November oder Dezember wird allerdings auch die Augsburger CSU Stellung beziehen müssen.