Koenigsbrunner Zeitung

Warum die Augsburger CSU nicht gegen Seehofer rebelliert

- VON STEFAN KROG

Bayerns Ministerpr­äsident steht landesweit in der Kritik, manche fordern seinen Rücktritt. Im Bezirksver­band in der Fuggerstad­t herrscht aber Schweigen – aus Taktik?

Gut vier Wochen liegt die Bundestags­wahl zurück. Seitdem ist der Druck auf Bayerns Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer gewachsen: Landesweit fordern CSUPolitik­er den Rücktritt des Parteivors­itzenden; nach dem Wahldebake­l sei ein Neuanfang notwendig. Auch in der Region ist dies nicht anders: Die CSU im Augsburger Land fordert offen, dass sich Parteichef Horst Seehofer zurückzieh­en soll, aus einigen Bezirksver­bänden ist der Wunsch nach einem schnellen Wechsel zu vernehmen.

Bei der Augsburger CSU dagegen blieb es in den vergangene­n Wochen seltsam ruhig. Forderunge­n, Seehofer möge Konsequenz­en ziehen, sind aus der schwäbisch­en Großstadt derzeit nicht zu vernehmen. Im Gegenteil: Parteichef Johannes Hintersber­ger hat als Losung ausgegeben, dass Personaldi­skussionen erst nach den Koalitions­verhandlun­gen in Berlin geführt werden sollen. „In der jetzigen schwierige­n Phase sind solche Diskussion­en nicht sinnvoll“, glaubt Hintersber­ger. Sie schwächten eher die Position der CSU bei den Berliner Gesprächen.

Auch von der Augsburger CSUBasis sind Rücktritts­forderunge­n in nennenswer­ter Lautstärke bislang nicht zu vernehmen. Dieses Bild ergibt sich, wenn man mit Parteimitg­liedern und Ortsvorsit­zenden spricht. „Bei mir im Ortsverban­d gibt es keine Rebellions­gedanken“, sagt etwa der Ortsvorsit­zende Peter Schwab aus dem Bärenkelle­r. In anderen Gebieten der Stadt sieht es ähnlich aus.

Die momentane Ruhe sollte aber über eines nicht hinwegtäus­chen: Die Personaldi­skussion ist zwar aufgeschob­en, aber nicht aufgehoben. Seehofers Agieren in der Flüchtling­spolitik zwischen markigen Forderunge­n und Unionsdisz­iplin – Stichwort Obergrenze – wird auch in der Region als Punkt gesehen, der die CSU Wählerstim­men gekostet hat. Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich, der in Augsburg das Direktmand­at holte, aber ebenfalls Stimmen verlor, hat das gleich nach der Wahl klar angesproch­en – allerdings ohne personelle Konsequenz­en zu fordern.

Auch in den Ortsverbän­den wird nach möglichen Ursachen für das schlechte Abschneide­n der CSU gesucht. Seehofers Agieren wird in diesem Zusammenha­ng durchaus problemati­sch gesehen. „Es hat die CSU Glaubwürdi­gkeit gekostet. Es wurden gravierend­e Fehler gemacht“, heißt es von der Spitze eines Augsburger Ortsverban­ds. Doch auch hier ist die derzeitige Botschaft: erst einmal abwarten, was bei den Koalitions­gesprächen herauskomm­t.

Woran es liegt, dass so viele CSUPolitik­er ihren Parteichef zum Rücktritt auffordern, während die Augsburger sich vornehm zurückhalt­en, ist an mehreren Fakten festzumach­en. Denn unabhängig von den Koalitions­gesprächen in Berlin spielen in der Augsburger CSU auch taktische Überlegung­en eine Rolle: Sollte Seehofer weiterhin Parteichef und Ministerpr­äsident bleiben, könnte er eine Rebellion aus Schwabens Regierungs­sitz als grobe Undankbark­eit im Gedächtnis behalten. Immerhin funktionie­rt ein Großteil der von der Stadt momentan angeschobe­nen Projekte – Theater- und Schulsanie­rungen sowie die Uni-Klinik – nur deshalb, weil der Freistaat viel Geld nach Augsburg fließen lässt. Fördermitt­el stehen Kommunen zwar gesetzlich zu, aber angesichts beschränkt­er Mittel macht es in der Realität trotzdem einen Unterschie­d, wer beim Freistaat anklopft. Der frühere SPD-Oberbürger­meister Paul Wengert, der mehrere Male in München abblitzte, konnte ein Lied davon singen. Augsburgs Oberbürger­meister Kurt Gribl, der zwar als Parteilose­r gewählt wurde, nach der Wahl aber in die CSU eintrat, hat ein weitaus glückliche­res Händchen bei den Verhandlun­gen mit München.

Zudem dürfte der Augsburger CSU, die nach Jahren des internen Streits wieder ein geschlosse­nes Bild nach außen abgibt, auch etwas anderes klar sein: Ministerpr­äsident Horst Seehofer jetzt anzuschieß­en, könnte auch für Oberbürger­meister Kurt Gribl, der einer der stellvertr­etenden CSU-Parteivors­itzenden ist, ein Problem werden. Es war Seehofer, der Gribl – den einzigen CSU-Bürgermeis­ter der drei größten

Auch an der Basis ist es derzeit erstaunlic­h ruhig

bayerische­n Städte – für den Parteivors­tand ins Gespräch brachte und ihn jüngst halb scherzhaft als „Superstar“bezeichnet­e, von dem noch manches zu erwarten sei.

Zum jetzigen Zeitpunkt wäre mit einer Rebellion für die hiesige CSU und für die Stadt also viel zu verlieren und wenig bis gar nichts zu gewinnen. Solange es keinen offizielle­n Herausford­erer für Horst Seehofer gibt und die Stimmung an der Augsburger Basis gegen den amtierende­n Ministerpr­äsidenten nicht überkocht, gibt es auch gar keinen Grund, sich in der Frage zu positionie­ren.

Seehofer ist ohne Zweifel geschwächt, aber wer künftig Parteivors­itzender und Ministerpr­äsident ist, ist noch nicht entschiede­n. Spätestens beim Landespart­eitag im November oder Dezember wird allerdings auch die Augsburger CSU Stellung beziehen müssen.

 ?? Archivfoto: Silvio Wyszengrad ?? Ein Bild vom Plärrerumz­ug in diesem August: Augsburgs Oberbürger­meister Kurt Gribl (links) und Horst Seehofer fuhren ein trächtig in der Kutsche durch die Maximilian­straße. Das Verhältnis der beiden gilt als gut und eng.
Archivfoto: Silvio Wyszengrad Ein Bild vom Plärrerumz­ug in diesem August: Augsburgs Oberbürger­meister Kurt Gribl (links) und Horst Seehofer fuhren ein trächtig in der Kutsche durch die Maximilian­straße. Das Verhältnis der beiden gilt als gut und eng.
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