Koenigsbrunner Zeitung

Die Frage der Woche Handkuss für Damen?

- PRO WOLFGANG SCHÜTZ CONTRA LEA THIES

Seit Jahrzehnte­n schon begrüßen Menschen einander mit Wangenküss­chen – auch weit abseits von Kulturen, in denen das Tradition ist. Kann man blöd finden, kann man auch einfach nicht mitmachen. Aber grundsätzl­ich zu sagen, das gehe nicht, auf die Idee käme eigentlich keiner, oder? Was ist beim Handkuss anders?

Es ist eine womöglich antiquiert wirkende Geste der Ehrerbietu­ng, die, richtig vollzogen, nur angedeutet wird, also ohne Lippenberü­hrung bleibt und die vor allem nicht beidseitig ist. So, wie es auch klassisch Gesten des Tür-Aufhaltens und des Inden-Mantel-Helfens nicht sind. Kann frau alles blöd finden, kann frau auch alles abwehren – etwa weil es ihr unangenehm ist, weil es ihr übergriffi­g erscheint oder weil sie meint, es passe nicht in eine Zeit, in der es doch endlich darum gehe, einander auf Augenhöhe, von gleich zu gleich, zu begegnen. Und dass sich Männer hier verneigen, anderersei­ts aber noch immer die völlige Emanzipati­on verweigern – zynisch! Und so. Mehr lesen Sie wohl nebenan…

Aber der Handkuss ist im Gegensatz zu Wangenküss­chen – und außerhalb von Adelskreis­en – ja längst kein alltäglich­es Ritual mehr. Und das ändert alles. Denn in der Ausnahmege­ste riskiert doch höchstens der Mann, sich lächerlich zu machen. Es genügt ein süffisante­s bis abschätzig­es Kräuseln des Damenmunde­s, während er sich neigt, um ihn abzukanzel­n. Erst recht wirkt ein Entziehen der Hand verheerend. Und damit gewinnt der Handkuss einen Reiz zurück, weil er sich in der Hoffnung auf Einigkeit ausliefert. Das kann vom gemeinsame­n, ironischen Bezug bis zur echten Vertrauthe­it gehen, die eine Verehrungs­oder Demutsgest­e ernsthaft zulässt. Darum kann ein Handkuss so schön sein. Ihn rundweg verneinen, ist darum blindwütig­e, stumpfe Agitation.

Welch ein Theater! Jetzt müssen wir uns allen Ernstes wieder mit Handküssen befassen, die Gott sei Dank fast ausgestorb­en waren. Und warum das alles? Weil sich ein paar, seltsamerw­eise immer ältere Männer damit medienwirk­sam ihre Späßchen mit Frauen erlauben. Denn mal ehrlich: nichts anderes ist ein Handkuss in der Öffentlich­keit. Außerdem: Mit dieser Geste stechen die Handküsser aus der Masse der normalen Handgeber hervor.

Bitte nicht falsch verstehen: Über einen wirklich ernst gemeinten Handkuss, bei einer Gala etwa, wird sich manche Frau durchaus freuen. Das kann ein kleines Zeichen der Wertschätz­ung sein. Wenngleich es aus einer Zeit stammt, in der Frauen kaum Rechte und auch sonst nicht viel zu lachen hatten. Sei’s drum: Ein Handkuss kann nett rüberkomme­n.

Er kann aber auch anders. Dieses inzwischen schier inflationä­re Über-HändeBeuge­n von gleich oder höhergeste­llten Frauen ist einfach nur lächerlich. Die spannende Frage ist doch, welche Botschaft wollen Kubicki und Co damit medienwirk­sam transporti­eren? a.) Dass sie altmodisch sind. b.) Dass sie Machos sind und Frauen für nicht ganz voll nehmen, sie aber mitspielen lassen. c.) Dass sie Frauen gerade für voll nehmen und damit ehren. d.) Dass sie gerne die Aufmerksam­keit auf sich ziehen.

Wie dem auch sei: In der Politik haben Handküsse ebenso wenig verloren wie die dauernde und enervieren­de MännerFrau­en-Unterschei­dung, denn es kommt auf die gleiche Augenhöhe an und nicht auf den Chromosome­nsatz. Dass Kubicki anschließe­nd noch leicht anzügliche Witze gegenüber Frau Göring-Eckardt riss, ist empörend und peinlich. Dieses Verhalten beantworte­t aber die obenstehen­de Frage: a, b und d.

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Foto: Screenshot Foto: Michael Kappeler/dpa
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