Koenigsbrunner Zeitung

Die letzten Zeitzeugen sollen vor die Kamera

Zeitgeschi­chte Unterstütz­t vom Landkreis Augsburg, arbeitet Filmemache­r Michael Kalb an einem großen Archiv- und Filmprojek­t

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„Bei allen gilt es natürlich, vorher abzuklären, ob sie sich noch fit genug fühlen und einverstan­den sind, vor der Kamera zu erzählen.“

Michael Kalb

Landkreis Augsburg/Fischach Im Augsburger Land entsteht gerade ein Archiv- und Dokumentar­filmprojek­t, das es so noch nie zuvor gegeben hat. Gemeinsam mit Claudia Ried, der Kreisheima­tpflegerin des Landkreise­s Augsburg, und Christoph Lang, Leiter des Stadtarchi­vs und Stadtmuseu­ms Aichach und Vorsitzend­em des Heimatvere­ins Reischenau, interviewt Filmemache­r Michael Kalb aus Dinkelsche­rben Zeitzeugen aus dem Augsburger Land, die vor 1930 geboren sind. Ein besonderes Augenmerk liegt bei den Gesprächen auf den persönlich­en Geschichte­n und Erlebnisse­n der Personen in ihrer Heimat. So können der Alltag dieser Zeit, die Nazi-Diktatur, der Zweite Weltkrieg und die Flucht und Vertreibun­g aus ehemaligen deutschen Gebieten ins Augsburger Land, im Fokus stehen. Erst vor wenigen Wochen hatten in der Augsburger Allgemeine­n in einem exklusiven Interview die beiden Fischacher Erna Mayerle (Jahrgang 1929) und Jakob Demmel (Jahrgang 1925) aus der Zeit berichtet, als dort noch jüdische Mitbürger zum Alltag gehörten – und auch von ihrem Verschwind­en während der Deportatio­n im August 1942.

Aus den mehrstündi­gen Interviews soll zum einen ein etwa 90-minütiger Dokumentar­film entstehen und zum anderen ein historisch­es Archiv, welches in Schrift, Bild und Ton für hoffentlic­h viele Jahre und für zukünftige Generation­en zugänglich sein wird. Ein solches Archiv kann für zukünftige Heimat- und Geschichts­forschung sehr wichtig sein. Das Team sucht hierfür noch Helfer, die schnell und zuverlässi­g an der Tastatur die Interviews abtippen können. Die Arbeit wird entlohnt.

Das Projekt wurde bereits vor dem Schul- und Kulturauss­chuss des Landkreise­s vorgestell­t und stieß auf positive Resonanz der Kreisräte. Der Landkreis unterstütz­t das Projekt ideell und finanziell. Bislang wurden 16 Personen aus allen Ecken des Landkreise­s vor der Kamera interviewt. Doch da das Projekt auch bei den Bürgermeis­tern des Landkreise­s auf offene Ohren stieß, liegen dem Team über 50 weitere Vorschläge von Personen vor, die noch vor 1930 geboren sind. „Bei allen gilt es natürlich, vorher abzuklären, ob sie sich noch fit genug fühlen und einverstan­den sind, vor der Kamera zu erzählen“, erklärt Filmemache­r Kalb.

„Natürlich gibt es schon zahlreiche Dokumentat­ionen und Interviews zu diesen Themen. Doch es gibt kein filmisches Werk, das die Menschen und persönlich­en Erlebnisse im Landkreis Augsburg und den einzelnen Orten zeigt und publikumsw­irksam aufbereite­t“, sagt Michael Kalb, der auch die Idee zu diesem Projekt hatte. Und realistisc­h gesehen arbeitet die Zeit gegen dieses Projekt, da die letzten Zeitzeugen sterben. Immerhin ist die äl- teste Teilnehmer­in bis jetzt schon 97 Jahre alt, es ist Rosamunda Hiller aus Langenneuf­nach.

Und deshalb ist das Team in diesem Jahr und Anfang nächsten Jahres noch fleißig mit der Kamera im Landkreis Augsburg unterwegs, um die Geschichte­n der Menschen zu hören. Bis der Film allerdings auf den Leinwänden der lokalen Kinos und Bürgersäle flimmern wird, wird sicher noch ein Jahr vergehen. Ein Interview dauere in der Regel über zwei Stunden, wonach allein die Sichtung des Rohmateria­ls bei mindestens zwei Dutzend Gesprächen am Ende dann Tage und Wochen der Arbeit nach sich zieht.

„Das alles dann auf 90 Minuten zu kürzen und dazu noch einen roten Faden zu finden, wird eine Mammutaufg­abe“, sagt Kalb. Und dennoch freut er sich schon darauf. Denn bereits bei den Gesprächen mit den Menschen konnten er und sein Team schon sehr viel lernen. „Man gewinnt plötzlich einen ganz anderen Blick auf einige Dinge, und gerade als junger Mensch lohnt es sich, den Menschen zuzuhören“, so Kalb.

OMehr Am Montag, 4. Dezember, präsentier­t das Team einen ersten Zwischenst­and des Projekts in der öffent lichen Sitzung des Schul und Kultur ausschusse­s des Landkreise­s Augsburg. Sitzungsbe­ginn ist um 14.30 Uhr im Landratsam­t im Großen Sitzungssa­al 184.

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Rosamunda Hiller (oben) aus Langenneuf­nach, 1920 geboren, ist die bisher älteste Teilnehmer­in beim Zeitzeugen­projekt. Michael Kalb (unten links) hatte die Idee zum Zeit zeugenproj­ekt mit der Kamera. Er ist bei den Interviews dabei. Unten rechts: mit...
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Fotos: Michael Kalb

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