Ein zufälliges Ereignis verändert Unterrothan
Eine zusammengewürfelte Dorfgemeinschaft wächst zusammen. Was die 36 Einwohner an ihrer Heimat schätzen. »Lokales
Eine zusammengewürfelte Dorfgemeinschaft findet sich und wächst zusammen. Was die 36 Einwohner an ihrer Heimat schätzen und was der wunde Punkt des Langenneufnacher Ortsteils ist / Serie (6)
Langenneufnach Unterrothan Etwas abseits der Hauptverkehrswege rund um Langenneufnach liegt der kleine Ortsteil Unterrothan. Wer von Mickhausen kommend in Langenneufnach in die Rathausstraße einbiegt, findet nach circa zwei Kilometern einen halb eingewachsenen Wegweiser: „Unterrothan“. Ein Fahrradfahrer, der dieser Weisung folgt, braucht entweder eine gute Kondition oder einen vollen Akku bei seinem E-Bike. Denn von nun an geht es stramm bergauf. Oben angekommen findet man sich in einem kleinen Dorf mit 18 Anwesen wieder. Eines davon ist der Gasthof „Zur Sonne“, betrieben von Katja und Thomas Höß. Katja Höß ist gebürtige Unterrothanerin, ihr Mann Thomas, Sohn des Hobby-Heimatforschers Johann Höß, stammt aus Langenneufnach, nur drei Kilometer entfernt.
Kennengelernt haben sie sich in der elterlichen Gastwirtschaft. Die ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfin und der Schreiner übernahmen die Sonne im Jahr 2008 von Vater Alois Schiegg. „Das war letztlich fast eine automatische Entscheidung“, sagt Katja Höß. Da nach dem Tod der Mutter ihr Vater die Wirtschaft nur noch als Stammtischlokal mit Brotzeit aufrecht erhalten hatte, wollten sie wieder eine echte Gastwirtschaft daraus machen. Was sich auch als äußerst gelungen präsentiert.
„Wir waren nur wenige Kinder im Dorf“, erinnert sich Katja Höß. Daher sei es nicht ausgeblieben, dass sie viel im Haus und auf dem Hof geholfen habe. Dabei habe sie auch das Kochen von der Oma gelernt. Ihr Ochsenbraten nach deren Rezept sei heute in der ganzen Gegend geschätzt. Den zur Wirtschaft gehörenden Bauernhof betreiben sie weiter. Sie sind stolz darauf, dass das Rindfleisch aus eigener Aufzucht von artgerecht gehaltenen Tieren stammt.
„Zur Schule gegangen bin ich, wie später auch meine Kinder, in Fischach. Mit dem Fahrrad gefahren sind wir aber nie“, erzählt sie. Kein Wunder, da der Berg selbst für geübte Einheimische lang und steil ist. Auf die Frage nach der Einwohnerzahl dauert es ein wenig. Vater Alois Schiegg und Tochter Katja Höß überlegen kurz. Dann heben sie die Finger und fangen an zu zählen: „Also, da wären der Ludwig, der Reiner, die Gundula ...“. So geht es weiter, bis sie schließlich bei 36 Einwohnern landen.
Alois Schiegg stammt aus Balzhausen, wo er 1947 geboren wurde. Der Liebe wegen kam er 1971 nach Unterrothan. Überrascht stellt er fest, dass es inzwischen gar nicht mehr viele Einheimische gebe. Die Mehrzahl sei zugezogen. Das sei natürlich nicht immer einfach für das kleine Dorf gewesen. Bis zu jenem Tag, als Barbara und Heinz Greiner vor zwölf Jahren dort einzogen.
Sie waren auf der Suche nach einem ruhigen Wohnsitz für den Ruhestand in Unterrothan hängen geblieben. „Am Anfang war es etwas komisch“, gesteht Heinz Greiner. „Wir dachten, dass die reservierte Haltung der Dorfbewohner vom Misstrauen uns ‘Stoaderern’ (Städtern) gegenüber herrührt.“Doch dann stellten sie fest, dass die Mehrzahl der Einwohner, ebenso wie sie, zugezogen seien und sich auch kaum kannte. Dies änderte sich durch ein zufälliges Ereignis.
Greiners kamen ins Gespräch mit der damaligen Dorfmesnerin und Zeitungsausträgerin Anna Eisenschmid. Sie erfuhren, dass sie 88 Jahre alt sei und noch niemals eine Geburtstagsfeier gehabt hätte. „Das mussten wir ändern“, sagt Barbara Greinert. So organisierten sie ein Geburtstagsfest, zu dem das ganze Dorf eingeladen war. Und alle kamen. Daraus entwickelte sich dann der Stammtisch „Auf ein Wort“in der Sonne. Einmal im Monat trifft sich die Dorfgemeinschaft, um sich in gemütlicher Runde auszutauschen.
Mittlerweile gebe es eine große Hilfsbereitschaft untereinander. „Es ist schon erstaunlich, wie wenig es manchmal braucht, um ein neues Lebensgefühl zu erzeugen,“freuen sich die Greiners. Sie führen auch eine Einwohnerliste mit allen Geburtstagen der Dorfbewohner. „Es wird jedem gratuliert, zum 70. gibt es eine Festschrift, zum 80. einen Geburtstagsfilm“, erklärt er. Mittlerweile gibt es eine Maibaumfeier, ein Adventsfest, einen Faschingsball und eine Silvesterfeier. Für so ein kleines Dorf sei das eine ganze Menge. Da gibt ihm Katja Höß recht. „Nicht zu vergessen, der Bittgang im Mai, mit Gottesdienst im Biergarten. Eine Kirche haben wir ja nicht mehr.“
Das ist der wunde Punkt der Dorfgemeinschaft. Denn gegenüber der Gastwirtschaft steht die Kapelle St. Franz-Xaver. „Mein Sohn wurde noch dort getauft, meine Tochter schon nicht mehr“, bedauert Höß. Die kleine Kapelle verfällt langsam. Früher habe es zweimal im Jahr einen Gottesdienst gegeben. Bei Todesfällen habe man dort den Rosenkranz gebetet und Taufen seien dort vorgenommen worden. Die Unterrothaner würden ihre Kapelle gerne in Eigenregie renovieren. Doch da das Gebäude aus dem Jahr 1836 unter Denkmalschutz steht, würde eine Instandsetzung nach den Auflagen des Landesamtes für Denkmalschutz laut Greiner um die 150000 Euro kosten, wovon die Eigenleistung 60000 Euro betragen würde. Sie haben bereits eine Sammelkasse in der Sonne aufgestellt. Aber den Betrag zu erzielen, das werde wohl noch ein paar Jahre dauern. Trotzdem sei das Leben sehr lebenswert in Unterrothan. Es sei ruhig und die Aussicht grandios. „Die Natur beginnt direkt vor der Haustür. Es kommt schon vor, dass die Rehe direkt am Gartenzaun äsen. Und Wildschweine im Garten sind auch schon gesichtet worden,“freut sich die versammelte Runde.