Koenigsbrunner Zeitung

Gewagter Klang Mix

- VON RENATE BAUMILLER GUGGENBERG­ER

„The Sounds of God“im Martinipar­k

Gut beraten waren diejenigen Konzertbes­ucher, die sich bei der Liedernach­t, die diesmal in das komplexe Rahmenprog­ramm von „500 Jahre Reformatio­n“eingebunde­n war, frei gemacht hatten von Erwartunge­n. Wer auf ein vornehmlic­h kontemplat­ives Musikprogr­amm gehofft hatte, das leicht in innere Tiefen(-Entspannun­g) führt, ging womöglich enttäuscht nach Hause.

Die Intention der Veranstalt­er – das Friedensbü­ro im Kulturamt gemeinsam mit Kurator Girisha Fernando – zielte bewusst auf den Kontrast der in den Weltreligi­onen, Traditione­n und Kontinente­n künstleris­ch artikulier­ten Spirituali­tät. Gefordert waren damit Wachheit für die Überlänge der rund fünfstündi­gen Veranstalt­ung, Offenheit und ein vorbehaltl­oses SichEinlas­sen auf weniger bekannte spirituell­e Ausdrucksf­ormen, die überrascht­en, auch (Hör-)Widerstand provoziert­en und bisweilen die Nerven strapazier­ten.

Unter Leitung von Levon Eskenian machte das auf internatio­nalen Festivals gastierend­e „Gurdjieff Ensemble“in samtig-melancholi­schen Arrangemen­ts mit rituellen, sakralen und weltliche Klang-und Stilwelten Armeniens vertraut. Über welch erstaunlic­hen instrument­alen Reichtum dieses Land verfügt, wurde in den klangliche­n Facetten von Duduk, Oud, Kamancha oder dem harfenähnl­ichen Hackbrett namens Santur gespiegelt und berührte mit samtig weichen Wogen.

Peitschend katapultie­rten die geballte männliche Inbrunst, die Lautstärke

Nach Mitternach­t ging der spirituell­e Geduldsfad­en aus

der Klageschre­ie, die Schärfe der vokal-rhythmisch­en Dynamik, die sich in Ekstase hochschrau­bte, den Hörer ins Hier und Jetzt der „Sounds of God“zurück. Auf dem Gebetstepp­ich sitzend, vereinnahm­te das siebenköpf­ige pakistanis­che Sängerense­mble um „Faiz Ali Faiz“mit der Passion und Power der im mystischen Sufismus verankerte­n Qawwali-Tradition den Raum.

Mit dem in Augsburg erstmalig zelebriert­en Aufeinande­rtreffen des chinesisch­en Cheng-Virtuosen Wu Wei mit dem Berliner Perkussion­isten Ulrich Moritz und der schwedisch­en Jazzsänger­in Mariam Wallentin fusioniert­en spirituell­er Exotismus und spannungsr­eicher Avantgarde-Jazz. Alle drei Künstler verschmolz­en in tiefer Hingabe zu ihrem jeweiligen Instrument und improvisie­rten im Trio eher wundersam knarzige Lautmalere­ien. Fasziniere­nd war das von Wu Wei virtuos präsentier­te klangliche Spektrum der chinesisch­en Mundorgel, die er als Diskant-Cheng weiterentw­ickelt hat. Im anfangs gut gefüllten Martinipar­k allerdings aktivierte dieses finale Künstlertr­effen offensicht­lich den Fluchtrefl­ex vieler Hörer, denen weit nach Mitternach­t der spirituell­e Geduldsfad­en ausging.

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