Koenigsbrunner Zeitung

Was Martin Junge für die Versöhnung tut

- VON STEFANIE SCHOENE

Der höchste Repräsenta­nt der Lutheraner erhielt am Samstag im Goldenen Saal den Augsburger Friedenspr­eis. Was Laudatoren und Vertreter der Kirchen über den Pfarrer sagen

Vor über 200 Gästen übergab Oberbürger­meister Kurt Gribl den Augsburger Friedenspr­eis an den Generalsek­retär des Lutherisch­en Weltbundes, Martin Junge. Vertreter aus Religion, Kultur, Politik und Wirtschaft verfolgten den zweistündi­gen Festakt im Goldenen Saal, bei dem der gebürtige Chilene den mit 12 500 Euro dotierten Preis in Form der Skulptur „Paxibile“in Empfang nahm.

Dass die aus Wissenscha­ftlern, Kirchenver­tretern und Politikern bestehende Jury den Generalsek­retär der Mennonitis­chen Weltkonfer­enz, César García, für die Laudatio gewinnen konnte, hat Signalwirk­ung über die protestant­isch-katholisch­e Ökumene hinaus. Der Kolumbiane­r lobte in seiner Rede das erfolgreic­he demokratis­che und unbestechl­iche Wirken Martin Junges während seiner Amtszeit in Chile zwischen 1989 und 2000. Die Erfolge des Lutherisch­en Weltbundes im Dialog mit dem Mennonitis­chen Weltkongre­ss gehen, so García, vor allem auf Junges Engagement zurück. Der Mennoniten­führer verwies jedoch auch auf weiteren Diskussion­sbedarf. So schreibe Artikel 16 des Augsburger Bekenntnis­ses seit 1530 die Verdammnis der Täufer fest. Dieser Abschnitt der Confessio Augustana legitimier­t „gerechte“Kriege und verdammt die „Täufer“, die sich schon damals radikal gegen jegliche Gewalt wendeten. Der Text begründet das Zerwürfnis zwischen der Täufergeme­inde und den großen Kirchen sowie ihre jahrhunder­telange Verfolgung­sgeschicht­e. Auch in ihrer Stellungna­hme von 1992 relativier­te die lutherisch­e Kirche die Aussagen nur teilweise. Die Verdammnis gelte für heutige Mennoniten nicht mehr, heißt es in dem Papier, für damalige bestehe sie jedoch weiter.

Im Publikum verfolgt Wolfgang Krauß den Festakt. Er gehört der Mennonitis­chen Gemeinde Augsburg an und ist erleichter­t, dass mit dieser Laudatio im Lutherjahr 2017 auch ein Versöhnung­ssignal an seine Gemeinde geht. Augsburg war um 1530 mit etwa 1000 Gläubigen geistiges Zentrum und damit auch Verfolgung­sschwerpun­kt der deutschspr­achigen Täufer-Bewegung. Heute hat die hiesige Gemeinde etwa 40 Mitglieder und bemüht sich, ihre Geschichte ins Bewusstsei­n der Öffentlich­keit zu rücken.

Martin Junge selbst zeigte sich in seiner Dankesrede geehrt und forderte von den Kirchen, sich in Zeiten großer Polarisier­ungen als Mittler, Helfer und Brückenbau­er zu en- gagieren. „Eine Ökumene kann sich nicht selbst genügen. Die Nächstenli­ebe muss in die Welt getragen werden“, so der Preisträge­r.

Oberbürger­meister Kurt Gribl betonte, dass der Preis, den die Stadt und die evangelisc­he Landeskirc­he Bayern seit 1985 im Dreijahres­turnus verleihen, nicht nur an die religiösen Konflikte bis zum Augsburger Religionsf­rieden 1555 erinnert. „Die Auswahl der Preisträge­r soll immer auch unsere eigene Lebenswirk­lichkeit widerspieg­eln. Das ist auch in diesem Jahr gelungen“, so Gribl. Junge, 56, ist der zwölfte Preisträge­r. 2014 wurde Lea Ackermann, die Gründerin und Vorsitzend­e des Frauenhilf­sorganisat­ion Solwodi ausgezeich­net, 2011 das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Papst Shenouda III. von Alexandrie­n (1923-2012).

„Junge ist ein guter Preisträge­r“, urteilen Daniel Akgüç und Ercan Akgül von der syrisch-orthodoxen Kirche Augsburg. Er sei ein Mahner für den Umgang mit den Flüchtling­en in Deutschlan­d. Aber welche Bedeutung hat ein Spitzenfun­ktionär einer internatio­nalen Institutio­n für die praktische Friedensar­beit an der Basis? Stadtdekan­in Susanne Kasch erklärt, seine Vita in Chile zeige ja, dass er ein Mann der Praxis ist. „Er bringt die Ökumene in Bewegung. Das ist für unsere Arbeit vor Ort, auch mit der Mennonitis­chen Gemeinde, von großer Bedeutung.“»Politik

Der Friedenspr­eisträger erhält die Skulptur „Paxibile“. Gestiftet, ge staltet und hergestell­t wird sie von Christof La chenmann, dem Inhaber der Goldschmie­de Fries Arau ner: „Die Idee war, für die Preisverle­ihung auch eine sichtbare Ver bindung von Augsburg und Frie den zu schaffen.“

Das Wort „Paxibile“steht für Frie den ist möglich und wird gebildet aus Pax (Frieden) und Possibile (Möglichkei­t). Die Wortschöpf­ung stammt von Peter Bulach.

Gefertigt wird die Skulptur aus Bronze; sie ist emailliert und ver goldet. Auf der blauen Erde steht in 71 Sprachen das Worte „Friede“.

Die goldenen Engelsflüg­el haben ihr Vorbild im Friedensen­gel der Kirche St. Anna. Sie sollen symboli sieren, dass der Engel die Frie densbotsch­aft zu den Menschen bringt, steht in der Beschreibu­ng der Skulptur.

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Foto: Silvio Wyszengrad Martin Junge (Mitte) freut sich mit Regionalbi­schof Michael Grabow (links) und Oberbürger­meister Kurt Gribl über seine Aus zeichnung mit dem Augsburger Friedenspr­eis.
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Archivfoto: Anne Wall Die Skulptur stellt eine blaue Erdku gel dar, auf der in 71 Sprachen Frie den steht.
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Ch. Lachenmann

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