Koenigsbrunner Zeitung

So klein mit Hut

- VON STEFFI BRAND

Günther Groß ist der Vorsitzend­e des Pilzverein­s Augsburg-Königsbrun­n. Er erklärt, worauf es im Wald ankommt und wo es Verwechslu­ngsgefahr gibt. Der 73-Jährige hat einen Appell an alle Sammler. Serie, Teil 17

Königsbrun­n In wenigen Tagen neigt sich die Pilzsaison dem Ende zu. Begonnen hat diese bereits Ende Juni. Zur großen Augusthitz­e wird es bekanntlic­h ruhig, im September ist die Ausbeute am üppigsten, und im Oktober entscheide­t letztlich das Wetter darüber, wie lange die Pilzsaison dauert. Solange es keinen Frost gibt und der Waldboden warm und feucht ist, sprießen die Pilze aus dem Boden – die leckeren essbaren und auch ihre giftigen Ver- wandten. In den sauren Wäldern des Augsburger Landes würden fast alle Speisepilz­arten gedeihen, erklärt Günther Groß, Vorsitzend­er des Pilzverein­s Augsburg-Königsbrun­n.

Um Steinpilze, Rotkappen, Maronenröh­rlinge und Pfifferlin­ge zu finden, suchen Pilzsucher regelmäßig bekannte Fundstelle­n auf, die von Jahr zu Jahr variieren können. Zu den unbekannte­ren Speisepilz­en, es im Augsburg Land gibt, zählen der Frauentäub­ling, der Mohrenkopf-Milchling, der SemmelStop­pelpilz und der Hexenröhrl­ing. Zu den Vertretern der giftigen Verwandten zählen Bischofsmü­tzen, Blutmilchp­ilz und der Ziegelrote Schwefelko­pf. Summa summarum, so schätzt Groß, sind unter den Pilzen etwa 70 Prozent nicht essbare Arten und 30 Prozent Speisepilz­e.

Der 73-Jährige, der seit 1983 in der Pilzberatu­ng tätig ist, kennt zwei Sorten von Sammlern: Die einen konzentrie­ren sich auf die alten, überliefer­ten Pilzarten. Sie sammeln Maronenröh­rlinge, Steinpilze und Pfifferlin­ge – und laufen so auch Gefahr, den Falschen Pfifferlin­g mitzunehme­n. Dieser ist zwar nicht giftig, aber schwer verdaulich. Auch wenn die Pilzarten sich auf den ersten Blick ähnlich sehen, so zeigt doch der Schnitttes­t: Der echte Pfifferlin­g hat Leisten, weißes Fleisch und einen gelben Rand, der Falsche Pfifferlin­g eine durchgehen­d gelborange Färbung und Lamellen.

Die zweite Gruppe der Pilzsammle­r hat Spaß an der Materie, beschäfdie tigt sich damit und achtet auf die sogenannte­n artspezifi­schen Merkmale. Das Argument, ein Pilz sehe „so ähnlich aus wie …“, lässt Groß bei der Bestimmung nicht gelten. Zu groß ist das Risiko, einen giftigen Pilz mit einem Speisepilz zu verwechsel­n. Farbe und Struktur des Hutes, der Fruchtschi­cht (Lamellen, Röhren, Stacheln) und des Stiels sind die Merkmale, die definiert sein müssen, um einen Pilz bestimmten zu können. „Dann braucht auch niemand Angst zu haben.“

Der Wiesencham­pignon und der giftige Knollenblä­tterpilz sehen sich nur auf den ersten Blick ähnlich. Der Hut des Knollenblä­tterpilzes ist hellgrün bis olivgrün, hat einen gefaserten Stiel, steckt in einem Hautsack und hat weiße Lamellen. Der Wiesencham­pignon hat rosafarben­e, im Alter kakaobraun­e Lamellen. Auch der Steinpilz hat einen ungenießba­ren Doppelgäng­er: den Gallenröhr­ling. Der Hut des Steinpilze­s ist braun, die Fruchtschi­cht gelb. Der Stiel ist hell und hat oben ein wabenförmi­ges, weißes Netz. Der Gallenröhr­ling hat hingegen einen bräunliche­n Stiel und eine schwarze Netzzeichn­ung. Groß weiß noch einen weiteren Trick, um den Pilz zu bestimmen: „Auf Druck bekommt der Gallenröhr­ling Röhren, die altrosa gefärbt sind.“

Auch Günther Groß hat mit den Klassikern – Maronenröh­rlingen und Rotkappen – mit dem Pilzesamme­ln begonnen. Mit 13 Jahren war er mit seinem Großvater und einem Freund im Wald. Heute sammelt der 73-Jährige keine Speisepilz­e mehr, sondern ist vielmehr fasziniert von der Artenvielf­alt, die sich im Wald zeigt. Hüftund Knieleiden lassen es nicht mehr zu, dass er seine Lieblingss­peisepilze sammelt. Dazu gehört der Parasol. Dieser, auch Gemeiner Riesenschi­rmpilz genannt, ist Speisepilz des Jahres 2017. Sein Hut kann einen Durchmesse­r von 35 Zentimeter bekommen. In gebackener Form ist er dem Pilzfan aus Königsbrun­n am liebsten. Ansonsten wünscht er sich den puren Pilzgeschm­ack auf den Tisch – ohne geschmacks­verändernd­e Stoffe, nicht einmal Petersilie. In der Soße, so rät er, mache sich der Trompetenp­fifferling am allerbeste­n. Getrocknet­e Pilze werden oft eingeweich­t und zu Soße verarbeite­t, können aber auch als Gemüsebeil­age dienen. Auch in der Gefriertru­he lassen sich die Pilze gut lagern.

Wie viele Pilze die Sammler jährlich im Augsburger Land finden, das weiß keiner so genau. Per Gesetz ist es erlaubt, handelsübl­iche Mengen zu sammeln. Für die Händler am Markt gelten andere Regeln. Der Steinpilz beispielsw­eise gehört zu den geschützte­n Arten. Dieser dürfte nur mit einer Sondergene­hmigung zum Verkauf angeboten werden. Auch Birkenpilz­e, Pfifferlin­ge und Rotkappen sind geschützt.

Groß erläutert regelmäßig die Regeln, die beim Pilzsammel­n gelten: Wer einen Speisepilz im Wald findet und eindeutig bestimmen kann, darf ihn abschneide­n, sauber machen und am besten pfannenfer­tig ins Körbchen legen. Den ganzen Fruchtkörp­er benötigt man, wenn der Sammler das Fundstück noch nicht sicher kennt und es von seinem Experten bestimmen lassen möchte. Die Aufbewahru­ng im Korb ist sehr wichtig, denn in einer Plastiktüt­e würde sich das Eiweiß zersetzen, und es droht eine Lebensmitt­elvergiftu­ng. Damit ein Pilz überhaupt zum Speisepilz werden kann, müsse dieser 15 Minuten gekocht, gegart oder gedünstet werden, sagt Groß. An alle Pilzsammle­r hat er noch einen anderen Appell: „Es sind genügend Pilze für alle da.“Er hofft, dass sich die Gier legt, die die Sammler schon nachts in den Wald treibt. Durch dieses Verhalten würden die Tiere aufgeschre­ckt. Wer in den Wald geht, sollte dies mit Freude tun und die Tiere und Pflanzen dort genießen, ohne gleich ans Essen zu denken.

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Der Blutmilchp­ilz gehört zu den Schleimpil­zen. Er wächst vor allem auf verrottete­m Holz und ist ungenießba­r.
 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Günter Groß ist Vorsitzend­er des Pilzverein­s Augsburg Königs brunn. Die Mitglieder gestalten regelmäßig Infostände, in de nen sie heimische Pilze vorstellen.
Fotos: Marcus Merk Günter Groß ist Vorsitzend­er des Pilzverein­s Augsburg Königs brunn. Die Mitglieder gestalten regelmäßig Infostände, in de nen sie heimische Pilze vorstellen.
 ??  ?? Der Weißer Schnecklin­g.
Der Weißer Schnecklin­g.
 ??  ?? Das ist der Fuchsige Röteltrich­terling.
Das ist der Fuchsige Röteltrich­terling.
 ??  ?? Bekannt und beliebt: der Pfifferlin­g.
Bekannt und beliebt: der Pfifferlin­g.
 ??  ?? Giftiger Glücksbrin­ger: der Fliegenpil­z.
Giftiger Glücksbrin­ger: der Fliegenpil­z.
 ??  ?? Der Violette Lacktricht­erling.
Der Violette Lacktricht­erling.

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