So klein mit Hut
Günther Groß ist der Vorsitzende des Pilzvereins Augsburg-Königsbrunn. Er erklärt, worauf es im Wald ankommt und wo es Verwechslungsgefahr gibt. Der 73-Jährige hat einen Appell an alle Sammler. Serie, Teil 17
Königsbrunn In wenigen Tagen neigt sich die Pilzsaison dem Ende zu. Begonnen hat diese bereits Ende Juni. Zur großen Augusthitze wird es bekanntlich ruhig, im September ist die Ausbeute am üppigsten, und im Oktober entscheidet letztlich das Wetter darüber, wie lange die Pilzsaison dauert. Solange es keinen Frost gibt und der Waldboden warm und feucht ist, sprießen die Pilze aus dem Boden – die leckeren essbaren und auch ihre giftigen Ver- wandten. In den sauren Wäldern des Augsburger Landes würden fast alle Speisepilzarten gedeihen, erklärt Günther Groß, Vorsitzender des Pilzvereins Augsburg-Königsbrunn.
Um Steinpilze, Rotkappen, Maronenröhrlinge und Pfifferlinge zu finden, suchen Pilzsucher regelmäßig bekannte Fundstellen auf, die von Jahr zu Jahr variieren können. Zu den unbekannteren Speisepilzen, es im Augsburg Land gibt, zählen der Frauentäubling, der Mohrenkopf-Milchling, der SemmelStoppelpilz und der Hexenröhrling. Zu den Vertretern der giftigen Verwandten zählen Bischofsmützen, Blutmilchpilz und der Ziegelrote Schwefelkopf. Summa summarum, so schätzt Groß, sind unter den Pilzen etwa 70 Prozent nicht essbare Arten und 30 Prozent Speisepilze.
Der 73-Jährige, der seit 1983 in der Pilzberatung tätig ist, kennt zwei Sorten von Sammlern: Die einen konzentrieren sich auf die alten, überlieferten Pilzarten. Sie sammeln Maronenröhrlinge, Steinpilze und Pfifferlinge – und laufen so auch Gefahr, den Falschen Pfifferling mitzunehmen. Dieser ist zwar nicht giftig, aber schwer verdaulich. Auch wenn die Pilzarten sich auf den ersten Blick ähnlich sehen, so zeigt doch der Schnitttest: Der echte Pfifferling hat Leisten, weißes Fleisch und einen gelben Rand, der Falsche Pfifferling eine durchgehend gelborange Färbung und Lamellen.
Die zweite Gruppe der Pilzsammler hat Spaß an der Materie, beschäfdie tigt sich damit und achtet auf die sogenannten artspezifischen Merkmale. Das Argument, ein Pilz sehe „so ähnlich aus wie …“, lässt Groß bei der Bestimmung nicht gelten. Zu groß ist das Risiko, einen giftigen Pilz mit einem Speisepilz zu verwechseln. Farbe und Struktur des Hutes, der Fruchtschicht (Lamellen, Röhren, Stacheln) und des Stiels sind die Merkmale, die definiert sein müssen, um einen Pilz bestimmten zu können. „Dann braucht auch niemand Angst zu haben.“
Der Wiesenchampignon und der giftige Knollenblätterpilz sehen sich nur auf den ersten Blick ähnlich. Der Hut des Knollenblätterpilzes ist hellgrün bis olivgrün, hat einen gefaserten Stiel, steckt in einem Hautsack und hat weiße Lamellen. Der Wiesenchampignon hat rosafarbene, im Alter kakaobraune Lamellen. Auch der Steinpilz hat einen ungenießbaren Doppelgänger: den Gallenröhrling. Der Hut des Steinpilzes ist braun, die Fruchtschicht gelb. Der Stiel ist hell und hat oben ein wabenförmiges, weißes Netz. Der Gallenröhrling hat hingegen einen bräunlichen Stiel und eine schwarze Netzzeichnung. Groß weiß noch einen weiteren Trick, um den Pilz zu bestimmen: „Auf Druck bekommt der Gallenröhrling Röhren, die altrosa gefärbt sind.“
Auch Günther Groß hat mit den Klassikern – Maronenröhrlingen und Rotkappen – mit dem Pilzesammeln begonnen. Mit 13 Jahren war er mit seinem Großvater und einem Freund im Wald. Heute sammelt der 73-Jährige keine Speisepilze mehr, sondern ist vielmehr fasziniert von der Artenvielfalt, die sich im Wald zeigt. Hüftund Knieleiden lassen es nicht mehr zu, dass er seine Lieblingsspeisepilze sammelt. Dazu gehört der Parasol. Dieser, auch Gemeiner Riesenschirmpilz genannt, ist Speisepilz des Jahres 2017. Sein Hut kann einen Durchmesser von 35 Zentimeter bekommen. In gebackener Form ist er dem Pilzfan aus Königsbrunn am liebsten. Ansonsten wünscht er sich den puren Pilzgeschmack auf den Tisch – ohne geschmacksverändernde Stoffe, nicht einmal Petersilie. In der Soße, so rät er, mache sich der Trompetenpfifferling am allerbesten. Getrocknete Pilze werden oft eingeweicht und zu Soße verarbeitet, können aber auch als Gemüsebeilage dienen. Auch in der Gefriertruhe lassen sich die Pilze gut lagern.
Wie viele Pilze die Sammler jährlich im Augsburger Land finden, das weiß keiner so genau. Per Gesetz ist es erlaubt, handelsübliche Mengen zu sammeln. Für die Händler am Markt gelten andere Regeln. Der Steinpilz beispielsweise gehört zu den geschützten Arten. Dieser dürfte nur mit einer Sondergenehmigung zum Verkauf angeboten werden. Auch Birkenpilze, Pfifferlinge und Rotkappen sind geschützt.
Groß erläutert regelmäßig die Regeln, die beim Pilzsammeln gelten: Wer einen Speisepilz im Wald findet und eindeutig bestimmen kann, darf ihn abschneiden, sauber machen und am besten pfannenfertig ins Körbchen legen. Den ganzen Fruchtkörper benötigt man, wenn der Sammler das Fundstück noch nicht sicher kennt und es von seinem Experten bestimmen lassen möchte. Die Aufbewahrung im Korb ist sehr wichtig, denn in einer Plastiktüte würde sich das Eiweiß zersetzen, und es droht eine Lebensmittelvergiftung. Damit ein Pilz überhaupt zum Speisepilz werden kann, müsse dieser 15 Minuten gekocht, gegart oder gedünstet werden, sagt Groß. An alle Pilzsammler hat er noch einen anderen Appell: „Es sind genügend Pilze für alle da.“Er hofft, dass sich die Gier legt, die die Sammler schon nachts in den Wald treibt. Durch dieses Verhalten würden die Tiere aufgeschreckt. Wer in den Wald geht, sollte dies mit Freude tun und die Tiere und Pflanzen dort genießen, ohne gleich ans Essen zu denken.