Koenigsbrunner Zeitung

Rechenspie­le der Macht

Die Landtags-CSU schlägt vor, die Stimmen bei Kommunalwa­hlen nach einem anderen Verfahren auszuzähle­n. Auch auf die Zusammense­tzung des Augsburger Stadtrats hätte das Auswirkung­en

- VON STEFAN KROG

Der Vorstoß der Landtags-CSU sorgte im Frühjahr für gehöriges Grummeln: Die Christsozi­alen wollten eine Änderung des Verfahrens zur Sitzvertei­lung in den Stadt- und Gemeinderä­ten sowie den Kreistagen. Profiteure wären tendenziel­l die Parteien, die ohnehin schon viele Sitze haben (so wie die CSU), benachteil­igt wären kleine Parteien und Wählergrup­pen. Nach Gegenwind von Landtags-Opposition, Experten und CSU-Parteichef Horst Seehofer liegen die Bemühungen vorerst auf Eis (wir berichtete­n).

Eine Änderung des Auszählung­sverfahren­s hätte wohl auch in Augsburg Auswirkung­en. Beispiel: Wäre 2014 schon nach dem jetzt von der Landtags-CSU gewünschte­n Verfahren ausgezählt worden, hätten CSU und SPD im 60 Stimmen um- fassenden Stadtrat jeweils einen Sitz mehr (24 statt 23 bzw. 14 statt 13) gehabt. Man kann darüber spekuliere­n, ob es bei einer Fast-Zwei-Drittel-Mehrheit von 39 Stimmen (inklusive OB-Stimme) noch zum großen Regierungs­bündnis mit den Grünen gekommen wäre. Jeweils einen Sitz eingebüßt hätten die CSM (zwei statt drei) und die AfD (drei statt vier). Beide Gruppen sind im Stadtrat in dieser Stärke inzwischen nicht mehr vertreten, weil es Übertritte zu CSU und Pro Augsburg bzw. Austritte gab.

Die Landtags-CSU weist darauf hin, dass sich mit der Rückkehr zum früheren Verfahren die Zersplitte­rung der Kommunalpa­rlamente besser verhindern lasse. In der Tat ist die Zahl von elf Parteien und Gruppierun­gen, die 2014 in den Stadtrat einzogen, ein Rekordwert, was aber nicht am Sitzvertei­lungssyste­m, sondern an der Zahl der Bewerber lag. Fünf Gruppierun­gen zogen mit weniger als jeweils drei Stadträten in den Stadtrat ein.

Nur gut 800 Wähler waren in Augsburg bei 196 000 Wahlberech­tigten und etwa 50 Prozent Wahlbeteil­igung nötig, um einen Sitz im Stadtrat zu bekommen. Eine wirklich effektive Opposition­sarbeit ist angesichts der Übermacht des Regierungs­bündnisses und der Kleinteili­gkeit der Nicht-Regierungs­parteien kaum möglich.

Grundsätzl­ich sind Sitzvertei­lungsverfa­hren bei allen Wahlen nötig, weil sich Stimmantei­le nie exakt in Mandate umrechnen lassen. Also muss ein Weg gefunden werden, wie man damit umgeht, wenn eine Partei rechnerisc­h beispielsw­eise 5,4 Mandate bekommen würde. Einfaches Auf- und Abrunden sorgt für zu starke Verzerrung­en. Mit mathematis­chen Verfahren wird darum versucht, den Wählerwill­en bei der Zuteilung der Mandate möglichst genau abzubilden. Seit 2013 wird in Bayern nach dem sogenannte­n Ha- re-Niemeyer-Verfahren gerechnet. Zuvor war es das d’Hondt-Verfahren, zu dem die CSU jetzt wieder zurückkehr­en möchte.

Der Jurist Ferdinand Wollenschl­äger (Uni Augsburg) beriet den Landtag als Mitglied einer von den Grünen angeregten Expertenko­mmission. Eine Notwendigk­eit zu einer Änderung des Kommunalwa­hlrechts sieht er nicht. Alle Verfahren seien verfassung­srechtlich bestätigt. Das Gutachten besagt auch, dass das von der CSU gewünschte d’HondtVerfa­hren am ungenauest­en ist.

Zur Debatte steht nun, das beim Bundestag gebräuchli­che Verfahren nach Sainte-Languë/Schepers in Bayern einzuführe­n. Wäre es 2014 schon angewendet worden, so eine Berechnung, die das städtische Wahlamt auf Anfrage unserer Zeitung anstellte, wäre der Augsburger Stadtrat identisch besetzt gewesen.

800 Wählerstim­men für einen Sitz im Stadtrat

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Archivfoto: Anne Wall Was würden andere Auszählver­fahren für die Besetzung des Augsburger Stadt rates bedeuten?

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