Wenn die Schultafel zum Riesen Smartphone wird
In der Bobinger Mittelschule lösen große Displays die Kreidezeit ab. Was die 17 000 Euro teuren Bildschirme alles können und warum es auch kritische Stimmen gibt
Schultafeln waren einst schwarz wie Schiefer, dann grünlich beschichtet. Die Digitalisierung des Unterrichts brachte weiße Projektionswände, doch geblieben ist nur der alte Name: Whiteboard. Jetzt kommen Riesen-Displays zum wischen und tippen.
Bobingen Es wirkt wie Zauberei, wenn Trainer Markus Amos an der neuen Schultafel Arbeitsblätter erscheinen lässt oder mit nur einem Finger Fotos verschiebt. Um den Umgang mit den beiden neuen Whiteboards zu lernen, müssen die Lehrkräfte der Bobinger JaufmannMittelschule Nachhilfestunden nehmen und für ihre Fortbildung noch einmal selbst die Schulbank drücken.
„Denn was digitale Medien betrifft, sind uns viele Jugendliche weit voraus“, weiß Franz Kalkbrenner, Lehrer in der Klasse 9 d. Er und seine Kollegin Bettina Schuster aus der 6 a sind derzeit die Einzigen, die nicht mehr im Kreidezeitalter leben müssen. In ihren Klassen sind die Zeiten vorbei, in denen zu einer bestimmten Stunde ein unhandlicher Wagen mit der riesigen Glotze und dem Videorekorder durch die Schulgänge gezerrt wurde, damit die Jugendlichen Kopien von 70erJahre-Telekolleg-Filmen in grober Auflösung betrachten durften.
Für die Anschaffung von zunächst zwei Whiteboards hat die Stadt stolze 17 000 Euro investiert. „Sollten alle 19 Klassen damit ausgestattet werden, würde das zwischen 130 000 und 150 000 Euro kosten“, sagt Stadtkämmerer Alexander Ziegler.
Aktuell arbeiten die Schulen an einem Medienplan, in dem Notwendigkeit und Umfang digitaler Medien definiert werden. Der Stadtrat werde dann über die Anschaffung weiterer digitaler Medien entscheiden, so Ziegler: „Einfluss auf die Entscheidung über Art und Umfang der Ausstattung sowie den zeitlichen Rahmen wird auch das geplante Förderprogramm des Freistaats Bayern für die Digitalisierung in Schulen haben.“
Hinter den riesigen Bildschirmen verbirgt sich ein Computer, mit dem man wie daheim schreiben, surfen, projizieren, mailen und vieles mehr kann. Aber man muss mit moderner Technik schon einigermaßen ver- traut sein, wenn Markus Amos wie selbstverständlich von App, Cloud, Mastertool und Presenter spricht und den Lehrern demonstriert, wie sie für ihren Unterricht in wenigen Minuten einen Lückentext erstellen können.
Das Erarbeiten der neuen elektronischen Arbeitsblätter bedeutet für die Lehrkräfte anfangs mehr Aufwand, „aber die meisten Kinder sind begeistert“, erzählt Kalkbrenner, der schon seit 30 Jahren an der Schule unterrichtet und bisher nur zusammengerollte Landkarten oder Tafeldienst mit feuchten Schwämmen gewohnt ist. „Man muß sich zwar erst in die neue Materie einarbeiten“, sagt seine Kollegin Christa Steinhardt, „aber wir sitzen ja zuhause auch vorm Computer!“
„Spielen Sie einfach mal ein wenig herum“, empfiehlt der Trainer und zeigt, wie man mit einem besonderen Stift den digitalen Tafelanschrieb wieder ausradieren kann. Begriffe und Bilder können mit der Hand vergrößert, verschoben und zugeordnet werden. Auch das dynamische Einbinden von Videodateien, Musikclips oder Internetinhalten ist möglich, ohne dass dazu ein neues Gerät notwendig wird.
Schüler sehen in den neuen Zaubertafeln vor allem ein riesiges Touchpad mit Internetzugang, das im Klassenraum hängt. Ein Gerät, mit dessen Funktionen und Umgang sie bestens vertraut sind und das hilft, die Welt in den Klassenraum zu holen. „Diese Faszination wirkt motivierend und man hat viel mehr Möglichkeiten als bisher“, stellt ITLehrer Alexander Sprang fest.
Es gibt aber auch kritische Stimmen zum Einsatz der kostspieligen Whiteboards, weil sie überschätzt und von den Herstellern mit massiven Werbekampagnen in den Markt gedrückt würden. „Die Qualität des Unterrichts hängt nicht maßgeblich vom Einsatz digitaler Medien ab“, meint ein Lehrer. Eine alternative Möglichkeit: Angesichts der hohen Anschaffungskosten könnte man die Schüler auch mit einem Netbook ausstatten und vernetzen.