Koenigsbrunner Zeitung

Wie der deutsche Menschenre­chtler freikam

Türkei Peter Steudtner ist wieder zu Hause. Altkanzler Schröder hat Erdogan überzeugt. Was wird aus den anderen Gefangenen?

- VON MARTIN FERBER

Berlin Der Menschenre­chtler Peter Steudtner ist wieder in Deutschlan­d. Am Mittwochab­end hatte ihn die türkische Justiz nach mehr als 100 Tagen in Untersuchu­ngshaft freigelass­en. Die Türkei warf dem Berliner vor, Terroriste­n unterstütz­t zu haben. Beweise dafür gab es keine. Dass Steudtner schon am ersten Tag des Prozesses gegen ihn und andere Menschenre­chtsaktivi­sten überrasche­nd freikam, hat er auch Gerhard Schröder zu verdanken.

In der Stunde seines Triumphes hielt sich der Altkanzler, der sonst gerne das Scheinwerf­erlicht sucht, zurück. Nein, beschied sein Büro allen Anrufern, es werde keine Stellungna­hme geben, welche Rolle er bei der überrasche­nden Wende gespielt habe. Dafür, dass Schröders Anteil trotzdem bekannt wurde, sorgten andere – allen voran Außenminis­ter Sigmar Gabriel. Der Niedersach­se, seit Jahrzehnte­n ein enger Vertrauter Schröders, bestätigte, dass er den Exkanzler gebeten habe, sich beim türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan für Steudtner und die anderen in der Türkei inhaftiert­en deutschen Staatsbürg­er einzusetze­n.

Schröder kennt Erdogan aus seiner Kanzlerzei­t und verfügt noch immer über gute Kontakte zu ihm. Der türkische Präsident wiederum lobte den 73-Jährigen immer wieder als „Freund der Türkei“und macht keinen Hehl daraus, dass er den Altkanzler für den einzigen deutschen Politiker hält, dem man noch vertrauen könne. Gabriel, der zu den schärfsten Kritikern Erdogans gehört, sich aber, wie es in Regierungs­kreisen heißt, hinter den Kulissen intensiv um eine Entschärfu­ng des deutsch-türkischen Konflikts bemüht, machte sich nun diese Kontakte des Altkanzler­s zunutze – ebenso wie Angela Merkel. Die Kanzlerin war in die Vermittlun­gsaktion eingeweiht und traf sich selbst mit ihrem Vorgänger. Schröder legte großen Wert darauf, als offizielle­r Beauftragt­er der Bundesregi­erung nach Ankara zu reisen, nicht als Privatmann, um in den Gesprächen mit Erdogan über die nötige Autorität zu verfügen.

Schon in der Woche nach der Bundestags­wahl besuchte er Erdogan in Ankara. Der Präsident wollte keinen Einfluss auf das laufende Gerichtsve­rfahren nehmen. Wäre Steudtner verurteilt worden, hätte die türkische Regierung hinterher aber wohl von ihrem Recht Gebrauch gemacht, ihn auszuweise­n oder gar zu begnadigen.

Entspreche­nd groß war gestern die Erleichter­ung, dass Steudtner nach Deutschlan­d ausreisen durfte. Am Abend landete er in Berlin, wurde von der Öffentlich­keit allerdings abgeschirm­t. Schon am Abend zuvor hatte er sich „erleichter­t und dankbar“darüber geäußert, zu seiner Familie zurückkehr­en zu dürfen. Für die Bundesregi­erung ist das nur ein Schritt zu einer Normalisie­rung der deutsch-türkischen Beziehunge­n. „Es ist ein erstes Zeichen der Entspannun­g, denn die türkische Regierung hat alle Zusagen eingehalte­n“, sagt Gabriel. „Nun müssen wir weiter an der Freilassun­g der anderen Inhaftiert­en arbeiten.“Der Welt-Journalist Deniz Yücel, die Ulmer Übersetzer­in Mesale Tolu und andere sitzen noch immer hinter Gittern. Wie es mit ihnen weitergeht, ist unklar. Grünen-Chef Cem Özdemir sagte, es sei verfrüht, bereits von einer Normalisie­rung im Verhältnis zur Türkei zu sprechen.

Im Leitartike­l erklärt Winfried Züfle die Folgen der Wende im Fall Steudtner. Susanne Güsten erzählt in der Politik, wie Erdogan sogar sein eigenes Land überrascht­e.

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Gerhard Schröder

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