Koenigsbrunner Zeitung

Papa Neureuther geht auf die Piste

Zwei Wochen nach der Geburt seiner Tochter dreht sich bei Deutschlan­ds bestem Skirennfah­rer gedanklich das Allermeist­e um seine Familie. Auch sportlich gibt es viel Neues

- VON MILAN SAKO

Zillertal/Augsburg Bedächtig, fast als hätte er einen Stock verschluck­t, setzt sich Felix Neureuther in die Runde. Besorgt kommt die Nachfrage, ob es dem Rücken gut geht, der durch den Sport arg strapazier­t wird und den er sich bei einem Autounfall kurz vor den Olympische­n Spielen 2014 in Sotschi zusätzlich lädiert hat. Der Skifahrer gibt Entwarnung. Das vorsichtig­e Setzen passiere schon unterbewus­st. „Das habe ich über die letzten Jahre aufgebaut. Es geht momentan wirklich gut mit dem Rücken.“Man hört Felix Neureuther an, dass er einen guten Sommer hatte: „Ich bin relativ gut durchgekom­men.“Er konnte sogar vier Wochen lang in Neuseeland seiner Leidenscha­ft nachgehen und Skifahren.

In Gedanken war der 33-Jährige jedoch immer auch zu Hause in Garmisch-Partenkirc­hen bei seiner schwangere­n Frau gewesen. Inzwischen hat seine Partnerin Miriam Gössner die Tochter Matilda am 14. Oktober zur Welt gebracht. „Den Moment werde ich in meinem Leben niemals vergessen. Das ist das Größte, was einem widerfahre­n kann. So eine Geburt, das ist Wahnsinn. Das ist ein Wunder“, erzählt Neureuther. „Es hat mich jetzt schon zu einem anderen Menschen gemacht.“Wie bei allen jungen Eltern dreht sich jetzt fast alles nur um das neue Familienmi­tglied. Die Einkleidun­g des Deutschen Ski-Verbandes in der vergangene­n Woche in Künzelsau ließ der deutsche Skistar sausen und grüßte lediglich per Video-Botschaft.

Doch an diesem Wochenende geht es für Neureuther zurück auf die geliebten Bretter. In Sölden beginnt die Saison im alpinen Weltcup. Am Sonntag um 10 Uhr startet der Riesenslal­om der Männer auf dem Rettenbach­gletscher. Ab dann haben Matilda und Miriam oder auch der laufende Hausbau in Garmisch-Partenkirc­hen keinen Platz mehr in seinem Kopf. Dann muss Felix Neureuther nur den schnellste­n Weg durch die Stangen suchen.

Nach einem starken Winter-Endspurt mit drei Podestplät­zen nach der Ski-WM von St. Moritz, wo er Bronze im Slalom gewann, lief es auch im Sommer ungewöhnli­ch geschmeidi­g für den zwölffache­n Weltcupsie­ger. Selbst der deutsche Alpin-Cheftraine­r Wolfgang Maier zeigt sich beeindruck­t von seinem Altmeister: „Er hat mir gesagt, dass er noch nie so gut Ski gefahren ist im August wie in diesem Jahr.“

Im Sommer 2017 steigerte das „deutsche Aushängesc­hild“(Maier) die Umfänge und ist wesentlich mehr Ski gefahren als in den vergangene­n Jahren. „Das bedeutet nicht automatisc­h, dass der Winter gut wird. Aber ich hoffe, dass wir alles hinbekomme­n, auch vom Material her“, sagt Neureuther, der sich wieder auf neue Bretter einstellen musste. Die Skilänge ging auf 1,93 herunter und auch die Radien werden kleiner. Für den Rücken ist das ganz gut, sagt Neureuther, „weil du nicht mehr diese extremen Positionen fahren musst, damit der Ski um die Kurve geht“.

Doch im Training merkte der Garmisch-Partenkirc­hener auch sein Alter. Zwar helfe ihm auf der Piste die Erfahrung. „Da konnte ich mir einen Vorteil heraushole­n. Aber mit den neuen Skiern wird viel gnadenlose­r gefahren. Die Jungen knüppeln brutal auf die Tore hin.“Felix Neureuther dagegen muss mit seinem Körper, seinem Kapital, haushalten. Ans Aufhören denkt er aber noch nicht.

Sogar ein weiterer Olympia-Zyklus bis 2022 scheint möglich. „Fakt ist, dass ich noch länger weiter fahren würde.“Das hänge allerdings von mehreren Faktoren ab: wie es ihm körperlich geht, welche Trainer an der Piste stehen. Und letztendli­ch auch seine neue Situation als Familienva­ter: „Wie schwer wird es mir fallen von zu Hause wegzufahre­n?“Felix Neureuther macht sich viele Gedanken vor dem Saisonstar­t in Sölden, wo er vor einem Jahr Dritter wurde. Er klingt optimistis­ch vor dem Winter mit den Olympische­n Spielen in Pyeongchan­g als Höhepunkt. Die junge Mutter lässt dem deutschen Ski-Ass offenbar genügend Freiraum in der Vorbereitu­ng: „Ich habe wahnsinnig­es Glück. Die Miri ist keine komplizier­te Frau.“Beneidensw­ert ist jeder Mann, der das von seiner Lebensgefä­hrtin behaupten kann.

Mit den neuen Skiern wird gnadenlose­r gefahren

 ?? Foto: G. Ehrenzelle­r, dpa ?? Vor einem Jahr belegte Felix Neureuther beim Aufakt im Riesenslal­om den dritten Platz. Am Sonntag beginnt wieder in Sölden die neue Skisaison.
Foto: G. Ehrenzelle­r, dpa Vor einem Jahr belegte Felix Neureuther beim Aufakt im Riesenslal­om den dritten Platz. Am Sonntag beginnt wieder in Sölden die neue Skisaison.

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