Koenigsbrunner Zeitung

Schlagabta­usch mit Ex Weltmeiste­r

- VON JAN LUC TREUMANN

Firat Arslan besucht seinen Sparringsp­artner Sedat Kececi in Augsburg und trainiert mit Amateurspo­rtlern. Für diese sind das besondere Minuten im Ring

Es ist voll. Über 50 Sportler sind da, Männer und Frauen jeder Altersklas­se stehen im Boxring und in der Halle der Sportschul­e Gladiator im Augsburger Stadtteil Oberhausen. Jeder macht mit seinem Sparringsp­artner die vorgegeben­e Übung. Die Leute schwitzen, die Fenster beschlagen und es wird laut. Da muss der Leiter der Sportschul­e, Sedat Kececi, schon mal augenzwink­ernd eingreifen: „Lasst eure Fäuste reden, nicht euer Mundwerk.“

Normalerwe­ise nehmen am Training 30 bis 40 Leute teil, doch am Mittwochab­end ist eben kein normales Training. Mit Firat Arslan ist ein ehemaliger Box-Weltmeiste­r im Cruisergew­icht und amtierende­r Europameis­ter zu Gast. Es ist eine Gelegenhei­t, die die Sportler nicht jeden Tag haben, mit ihm will jeder von ihnen einmal im Ring stehen.

Firat Arslan ist ein Boxer, der einen eher ungewöhnli­chen Karrierewe­g eingeschla­gen hat. Mit 37 Jahren wurde er Weltmeiste­r, in einem Alter, in dem fast alle Sportler ihre beste Zeit hinter sich haben. „Ich habe 19 Jahre gebraucht, um das zu schaffen. Anfangs wurde mir gesagt, dass ich nicht das Talent dazu habe“, erzählt Arslan. Es fehle ihm an Technik und Geschwindi­gkeit. „Ich habe dafür andere Dinge eingebrach­t: Härte, Mut, Willenskra­ft und Kondition.“

Trotz eines vollen Terminkale­nders ist Firat Arslan locker und entspannt, er ist in seinem Element, dem Boxring. Doch der Weg, der ihn dahin geführt hat, wo er heute ist, war schwer. Für ihn ist die Sparringst­unde in Augsburg fast ein Heimspiel. Arslan ist 1970 in Friedberg (Landkreis Aichach-Friedberg) geboren, aber mit seiner Familie früh nach Süßen in BadenWürtt­emberg gezogen.

Im Kindergart­en war er anfangs ein Außenseite­r. Er sprach kein Deutsch und die anderen Kinder zogen ihn wegen seines Namens auf. Aus Firat wurde Zweirad oder Dreirad. „Ich habe als Kind meinen Namen gehasst und war sauer auf meine Eltern“, erzählt er. Diese Zeit hat ihn geprägt: „Ich wollte zeigen, dass ich nicht schlechter bin als die anderen.“Daraus hat er Energie und Motivation gezogen.

Mit 27 schlug Arslans erster Profimanag­er vor, ihm einen deutschen Namen zu geben, so wie es im Boxbusines­s häufig üblich ist. „Aber bis dahin hatte ich meinen Namen ver- teidigt und wollte ihn dann behalten“, erzählt der türkischst­ämmige Deutsche. Sein Name stand nun für seine Identität und Herkunft.

Zum Boxen ist Arslan durch die Rocky-Filme gekommen, die für ihn eine Inspiratio­n waren. Aber auch sein Bruder hat eine große Rolle gespielt. Dieser hat mit dem Boxen angefangen, Firat Arslan war sein größter Fan. Irgendwann wollte er allerdings nicht immer nur von seinem großen Bruder sprechen. „Ich musste selber etwas leisten.“Und so stieg er selbst in den Ring.

Er lernte nicht nur im Sport, Treffer und Haken einzusteck­en. 2009 hatte er einen Fahrradunf­all, ein Traktorfah­rer hatte ihn übersehen. Es ging für den Boxer noch glimpflich aus, mit etwas Pech wäre er im Rollstuhl gelandet. „Ich habe einige Rückschläg­e gehabt und bin immer wieder aufgestand­en.“

Sedat Kececi ist ein bisschen hektischer als Firat Arslan. Vielleicht ist es auch die Aufregung, er nutzt die Gelegenhei­t und den prominente­n Besuch, um ein Trainingsv­ideo zu drehen, selbst eine Drohne schwirrt über den Boxring. Kececi und Arslan kennen sich schon aus Amateurzei­ten. Der Augsburger arbeitete auch schon als Sparringsp­artner für Arslan. „Wir haben uns nie aus den Augen verloren“, erzählt Kececi.

Vor fünf Jahren hat er die Sportschul­e eröffnet. „Ich habe im Boxen viele tolle Menschen kennengele­rnt.“

Das Duell im Ring ist für ihn eine Sportart, in der man an seine persönlich­en Grenzen gehe und darüber hinaus komme. „Das Boxen schlägt eine Brücke zwischen den Menschen, egal welche Nationalit­ät oder welchen Glauben jemand hat, wir sind Sportler und gehen respektvol­l miteinande­r um.“

Nach einer Stunde haben alle Boxer im Raum ein paar Minuten mit Firat Arslan im Ring absolviert. Rifat Mesic war begeistert: „Er erkennt sofort jede Lücke und weiß genau, was er machen muss. Es ist etwas Besonderes, mit ihm im Ring zu stehen.“

Gerne hätte der 18-Jährige noch ein paar Minuten länger mit Firat Arslan trainiert. Mit dem Wunsch war er an diesem Abend aber nicht alleine.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Mit einem Ex Weltmeiste­r Sparring zu betreiben, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Hier arbeitet Firat Arslan (rechts) mit Sepp Mangold.
Foto: Michael Hochgemuth Mit einem Ex Weltmeiste­r Sparring zu betreiben, ist ein ganz besonderes Erlebnis. Hier arbeitet Firat Arslan (rechts) mit Sepp Mangold.
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Sedat Kececi

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