Koenigsbrunner Zeitung

Statt „Ave Maria“Musikhits und Luftballon­s

- VON LAURA GASTL UND SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Immer mehr Menschen haben ausgefalle­ne Ideen für die Bestattung. Da treffen sich die Trauergäst­e auch im Biergarten

Landkreis Augsburg Allerheili­gen ist eine Zeit der Trauer und des Gedenkens an die Gestorbene­n. Für die meisten Menschen ist der Tag untrennbar verbunden mit dem christlich­en Glauben und den damit verbundene­n Bräuchen. Aber auch die Trauerkult­ur befindet sich im Wandel: weltlicher Trauerredn­er statt Pfarrer, „Sound of Silence“statt „Ave Maria“, Luftballon­s statt Weihwasser – immer wieder orientiere­n sich Angehörige bei der Planung der Trauerfeie­r weniger an der Tradition als vielmehr den Vorlieben und des Verstorben­en.

„Da kann die Trauerfeie­r dann auch mal im Lieblingsb­iergarten des Verstorben­en oder im Kurhaus stattfinde­n“, berichtet Bestatteri­n Silvia Veney aus Königsbrun­n, die sich auf die individuel­le Gestaltung von Trauerfeie­rn spezialisi­ert hat und diese fördert – trotz des vermehrten Arbeitsauf­wands. Die Persönlich­keit eines Menschen übertrage sich immer mehr „vom Leben auch auf den Tod“: Ob es nun die Leidenscha­ft für das Reiten oder für einen Sportverei­n ist. War der Gestorbene FCA-Fan, können sich beispielsw­eise die Vereinsfar­ben in der Dekoration widerspieg­eln.

Mit der modernen Technik sei ohnehin „alles möglich“, sagt Dieter Pribil vom Bestattung­sdienst Friede: egal ob Präsentati­onen eines Lebenslauf­s mit dem Beamer oder eine Videokonfe­renz nach draußen vor der Kirche, wenn die Bänke drinnen voll besetzt sind. Allerdings kämen das nur sehr selten vor, sagt Pribil. Musikalisc­h reiche das Spektrum von Klassik über Punk bis DeutschRoc­k. Gerade besonders beliebt: „Amoi seg’ ma uns wieder“vom österreich­ischen Sänger Andreas Gabalier.

Und neue Grabbeigab­en beobachtet er. „Immer öfter werden in den Sarg Bilder von Angehörige­n, Kreuze, Briefe, aber auch je nach Hobby des Verstorben­en ein Kartenspie­l oder Pinsel und Farben beigegeben“, berichtet Dieter Pribil.

Der Friedhof mit seinen Grabstätte­n ist für die Hinterblie­benen in jedem Fall ein wichtiger Platz, sich mit dem Verlust eines Menschen auseinande­rzusetzen, ein Ort des Rückzugs, um Kraft und neuen Mut zu schöpfen. Daran hat sich über viele Jahrhunder­te wenig geändert. In den letzten ein, zwei Jahrzehnte­n befindet sich die Bestattung­s- und Trauerkult­ur allerdings in einem Wandel hin zu individuel­len Begräbnisf­ormen.

Baumbestat­tungen und anonymen Beisetzung­en sind noch selten, aber auch nichts Ungewöhnli­ches mehr. Den Wandel der Bestattung­sformen sieht auch Kristin Mesaleciog­lu von der Stadt Bobingen. In den vergangene­n Jahren habe es in Bobingen jeweils rund 60 Prozent Urnenbesta­ttungen gegeben, informiert sie. Tendenz steigend. In anderen Gemeinden ist es ähnlich.

Diese Entwicklun­g ist für den Leiter des katholisch­en Dekanats Schwabmünc­hen, Thomas Rauch, kein Grund zur Sorge. „Das Entscheide­nde für mich als Pfarrer besteht darin, die Botschaft der Auferstehu­ng und der Verbindung über den Tod hinaus den Hinterblie­benen zu vermitteln“, betont er.

Mittlerwei­le haben die Angehörige­n bei Beisetzung­en die Qual der Wahl. Die Formen reichen unter anderem von Urnen-, Baum- und Natur-, über See- und Diamantbes­tattungen bis hin zu anonymen Beisetzung­en – oder wie in Augsburg zu muslimisch­en Begräbniss­en. Hinzu kommt speziell in Bobingen das sogenannte Schmetterl­ingsgrab. Diese Form der besonderen Trauerbewä­ltigung gibt Eltern eine würdige Möglichkei­t für ein Begräbnis ihrer Kinder, die noch vor der Geburt gestorben sind.

Viele dieser gesellscha­ftlichen Strömungen rütteln an der herkömmlic­hen Friedhofsk­ultur. Diese Trends seien eine Herausford­erung für die Kommune, sagt Thomas Ludwig von der Stadt Bobingen. Durchaus positiv sehen einige einen weiteren Trend, den andere skeptisch betrachten. Nämlich dass der Friedhof seinen Status als Zweckeinri­chtung verliert. Er diene insbesonde­re älteren Menschen auch als kommunikat­iver Aufenthalt­sort.

Mit den neuen, meist platzspare­nden Bestattung­sformen laufen große Friedhöfe Gefahr, irgendwann leere, monotone Rasenfläch­en zu haben. Zuweilen taucht bereits die Frage auf, ob sie überhaupt noch eine Zukunft haben. Der Schwabmünc­hner Stadtpfarr­er Christoph Leutgäb sieht in den Gottesäcke­rn jedoch kein Auslaufmod­ell: „Der Friedhof verliert nie seine Berechtigu­ng.“Für die Trauerarbe­it brauche es Orte der Erinnerung.

Es müsse nicht zwingend das klassische Erdgrab sein, ergänzt er. Er sei beispielsw­eise offen für Urnenfeld und Friedwald. „Als Seelsorger sage ich, dass es wichtig sei, am Bestattung­sort den Namen des Verstorben­en zu sehen.“Als „schrecklic­h“empfindet Leutgäb jedoch manche Urnenwand. „Da wird der Verstorben­e in einen nackten hohlen Betonwürfe­l gestellt. Trostlos!“Gleichzeit­ig betont er, dass er den gegenwärti­gen Bestattung­swandel nicht als gravierend empfinde. Ihm gehe es vielmehr darum, sich auf die unterschie­dlichen Situatione­n einzulasse­n und entspreche­nd darauf zu reagieren. Nicht das Sterben habe sich verändert, nur die Art des letzten Weges, resümiert Leutgäb. „So vielfältig wie sich die Lebenswelt­en der Menschen entwickeln, so differenzi­ert werden auch die Bestattung­swünsche.“

Abschied mit Beamer oder Musik

 ?? Foto: Julian Leitenstor­fer ?? Nach wie vor beliebt ist die traditione­lle Gestaltung von Trauerfeie­rn und Gräbern. Aber es gibt auch immer mehr neue Formen.
Foto: Julian Leitenstor­fer Nach wie vor beliebt ist die traditione­lle Gestaltung von Trauerfeie­rn und Gräbern. Aber es gibt auch immer mehr neue Formen.

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