Koenigsbrunner Zeitung

Das Wunder von Violau

Vor 400 Jahren wurde die Wallfahrts­kirche gebaut. Noch heute kommen jedes Jahr Tausende Pilger hierher. Pfarrer Thomas Pfefferer hat dafür eine Erklärung

- VON MANUELA BAUER

Altenmünst­er Violau Die Frau hat gerade ihr siebtes Kind geboren, jetzt liegt sie im Sterben. Ihr Mann reitet voller Sorge los, drei Tage lang von Memmingen nach Violau. Verzweifel­t erreicht er die Wallfahrts­kirche. Er betet, er bittet – und als er nach Hause kommt, ist seine Frau noch am Leben. Sie wird wieder gesund. Zum Dank bringen die beiden 1547 eine Tafel nach Violau. Sie hängt in der Kirche, neben vielen anderen Votivbilde­rn. Die Tafel des Ehepaars aus Memmingen ist die älteste in der Wallfahrts­kirche.

Am Sonntag feiert die Gemeinde nun ein besonderes Jubiläum: 400 Jahre Grundstein­legung. 1617 entschloss sich die damalige Äbtissin von Oberschöne­nfeld, Susanna Willemayr, eine neue Kirche in Violau bauen zu lassen. Sie wurde 1620 geweiht. Wallfahrte­n nach Violau (die „Veilchenau“) gab es schon viel früher, mindestens seit 1466.

Und auch heute noch kommen jedes Jahr viele Tausend Pilger nach Violau. Wenn man Pfarrer Thomas Pfefferer fragt, mit welchen Anliegen die Menschen heute in die Wallfahrts­kirche kommen, dann erzählt er als Erstes von den Votivbilde­rn. Denn die Nöte, Ängste und Fragen, die die Menschen hierherbri­ngen, seien über die Jahrhunder­te eigentlich die gleichen geblieben, sagt der Priester und zählt auf: Krankheite­n, Existenzän­gste, Perspektiv­losigkeit, Sorge um die Kinder... Seit Jahrhunder­ten finden Pilger hier Trost vor dem Gnadenbild der Schmerzhaf­ten Muttergott­es. In einem Buch vertrauen die Besucher ihre Anliegen der Gottesmutt­er an. Diese werden regelmäßig beim Fatimatag in die Fürbitten eingeschlo­ssen. Dass die

Menschen ganz ähnliche Wünsche und Bitten haben wie die in früherer Zeit, dazu kann Pfarrer Pfefferer viele Beispiele aus der Violauer Wallfahrts­geschichte geben. Da ist zum Beispiel Kreszenz Holland, die im 19. Jahrhunder­t von ei-

nem Fuhrwerk überrollt wurde. „Sie hatte Angst vor einer Querschnit­tslähmung, das halbe Dorf betete, sie wurde gesund – ein Wunder“, sagt Pfefferer. Und da ist der junge Mann, der 1982 mit seinem Motorrad in einer Kurve auf Kies ausmoderne­n rutschte. „Fünf Wochen lag er im Koma, seine Eltern beteten – dann machte er die Augen auf.“Pfefferer erzählt, wie sehr die Menschen das alles berührt, wenn sie in die Kirche kommen und hören, wie andere hier Trost, Hoffnung und Heilung erfahren haben. Der 45-Jährige berichtet von einer Kirchenfüh­rung: Als er auf die Tafel einer Mutter gezeigt habe, die um ihr totes Baby trauert, habe eine ältere Dame geflüstert: „Meine Tochter hat auch gerade ihr Kind verloren.“Eine andere Frau sei fast jeden Tag mit verweinten Augen in die Kirche gekommen und habe eine Kerze angezündet. Ihr Enkel hat einen Tumor, erzählte sie dem Pfarrer später. „Nach einigen Monaten schrumpfte er, man konnte operieren. Jetzt macht der Junge eine Schreinerl­ehre.“

Aus ganz Mittelschw­aben und dem Allgäu kommen die Menschen nach Violau. Beliebt sind zum Beispiel die Musiker-, Trachten-, Sportler-, Schreiner-, Feuerwehru­nd Soldatenwa­llfahrt. Am meisten los ist am 1. Mai. „Wir merken: Es kommen wieder mehr Leute“, sagt Pfefferer. „Bei Wallfahrte­n gibt es schon einen kleinen Boom.“Am Maifeierta­g ist St. Michael zu allen drei Gottesdien­sten voll. „Es ist auch für mich etwas Besonderes, an einem Vormittag 1200 Menschen zu bepredigen“, sagt Pfefferer. Benedikt Kretzler vom Pfarrgemei­nderat erzählt: Er habe schon als Jugendlich­er gespürt, dass in Violau ein besonderer Geist weht – „ein Geist, der die Leute begeistert.“Und Pfefferer ergänzt: „Die Kirche ist eingebetet. Sie hat etwas, das die Neubauten aus den Siebziger- und Achtzigerj­ahren nie erreichen werden.“Dass die Wallfahrts­kirche dieses Jahr Geburtstag hat, darauf ist Benedikt Kretzler durch Zufall gestoßen: Im Winter hatte er nach einer Operation viel Zeit zum Lesen. In der Chronik von Violau bemerkte er dann das Datum: Am 8. November 1617 wurde der Grundstein für die Kirche in ihrer heutigen Form gelegt, also genau vor 400 Jahren. „Jeder Verein feiert sein 20-Jähriges, da müssen wir dieses Jubiläum doch auch feiern“, sagt er und hat mit vielen Helfern ein großes Fest organisier­t. Am Sonntag, 12. November, gibt es einen Gottesdien­st und viele Aktionen rund ums Pfarrheim. Dazu kommen auch die Zisterzien­serinnen aus Oberschöne­nfeld, denn diese hatten im 13. Jahrhunder­t Violau gegründet.

Am Sonntag feiern die Katholiken aber nicht nur ihre Kirche, sondern auch 20 Jahre Pfarreieng­emeinschaf­t (PG) Altenmünst­er-Violau. In dieser Zeit sei in der PG schon viel gewachsen, erzählt Pfefferer, der seit 2010 dort Pfarrer ist. Durch die Wallfahrte­n hat er zusätzlich zur Gemeindear­beit natürlich viele Aufgaben – ab 1. Dezember ist er auch noch Dekan – aber er ist in der glückliche­n Lage, mit Kaplan Biju Nirappel noch einen zweiten Priester an seiner Seite zu haben. Das ist in recht kleinen Gemeinden (die PG Violau hat 3400 Katholiken) durchaus nicht üblich. „Hier ist klar: Die Wallfahrts- ist immer die Hauptkirch­e, deshalb gibt es keine Eifersucht“, sagt Pfefferer. Die Menschen aus den anderen vier Pfarreien kämen gerne nach Violau – schwierige­r sei es allerdings andersheru­m. Zum Beispiel am Gründonner­stag, als der einzige Gottesdien­st heuer in Zusamzell stattfand. Es gebe aber schon viele Aktionen, die gemeinsam in der PG laufen, betonen Pfefferer und Kretzler, zum Beispiel die Sternproze­ssion und Fronleichn­am.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Pfarrer Thomas Pfefferer zeigt die Votivtafel­n, die die Gläubigen zum Dank nach Vio lau gebracht haben. Die große in der Mitte ist die älteste: 1547 dankte ein Ehepaar aus Memmingen dafür, dass die Frau im Kindbett überlebt hatte.
Fotos: Marcus Merk Pfarrer Thomas Pfefferer zeigt die Votivtafel­n, die die Gläubigen zum Dank nach Vio lau gebracht haben. Die große in der Mitte ist die älteste: 1547 dankte ein Ehepaar aus Memmingen dafür, dass die Frau im Kindbett überlebt hatte.

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