Koenigsbrunner Zeitung

Merkels Mann für alle Fälle

- VON MARTIN FERBER

Kanzleramt­schef und Finanzmini­ster ist er bereits. Nun muss Peter Altmaier als wichtigste­r Unterhändl­er der CDU auch noch die neuen Partner auf Linie bringen. Was macht ihn so erfolgreic­h?

Berlin Als ob er auch noch dafür Zeit hätte, ausgerechn­et jetzt, da die Sondierung­sgespräche über die Bildung einer Jamaika-Koalition in ihre letzte und entscheide­nde Phase gehen. Doch Peter Altmaier lässt sich nicht anmerken, dass er in diesem Augenblick eigentlich ganz wo anders viel dringender gebraucht wird. Denn weil der Kanzleramt­sminister seit der Wahl seines Parteifreu­ndes Wolfgang Schäuble zum Bundestags­präsidente­n gleichzeit­ig auch amtierende­r Finanzmini­ster ist, muss er die Ergebnisse der Steuerschä­tzung kommentier­en. Dies gehört nun einmal zum Job des obersten Kassenwart­es der Nation.

Doch der stets gut gelaunte Saarländer weiß auch diesen Auftritt in seinem Sinne zu nutzen. Eindringli­ch mahnt er die Jamaika-Sondierer, die in den einzelnen Arbeitsgru­ppen bereits ihre milliarden­schweren Wünsche zu Papier bringen: „Der zusätzlich­e Spielraum ist begrenzt.“Man müsse „Prioritäte­n“setzen.

Schon wegen seiner Größe (1,86 Meter) und seiner Leibesfüll­e (um die 130 Kilogramm) ist der 59-jährige Altmaier in Berlin unübersehb­ar. Aber auch politisch gehört er zu den Schwergewi­chten der CDU. In seinem Büro im Kanzleramt laufen seit vier Jahren alle entscheide­nden Fäden der Regierungs­arbeit zusammen, kein Gesetzentw­urf kommt ohne seine Zustimmung auf die Tagesordnu­ng des Bundeskabi­netts.

In diesen Tagen ist sein Verhandlun­gsgeschick, das seit seiner Zeit als Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion von 2009 bis 2012 einen legendären Ruf genießt, allerdings besonders gefragt. Damals brachte er aufmüpfige Abgeordnet­e auf Regierungs­linie, indem er sie in seiner üppigen Berliner Altbauwohn­ung zum Essen einlud.

So einfach wie damals ist es in diesen Tagen jedoch nicht. Als Chefunterh­ändler von CDU-Chefin Angela Merkel muss er in den Sondierung­en zusammenfü­gen, was selbst wenige Tage vor dem geplanten Abschluss in der Nacht von Donnerstag auf Freitag (noch) nicht zusammenpa­ssen will und die noch immer störrische­n Verhandlun­gspartner auf eine gemeinsame Linie bringen. Dass Merkels Mann für alle Fälle dabei trotz seines stets heiteren Gemüts durchaus hartnäckig auftreten kann und wenig zimperlich ist, bekamen, wie Beobachter erzählen, erst jüngst die beiden CDU-Ministerpr­äsidenten Armin Laschet und Stanislaw Tillich zu spüren.

Weil der Nordrhein-Westfale und der Sachse die Forderung der Grünen nach einem Kohleausst­ieg ablehnten, knöpfte sich Altmaier im Auftrag seiner Chefin die beiden in einem Nebenraum vor. Tillich sei danach ziemlich entrüstet gewesen, wird erzählt.

1994 zog der Jurist, der bei der EU-Kommission in Brüssel arbeitete, erstmals in den Bundestag ein und gehörte rasch zu den „jungen Wilden“, die den Mut hatten, gegen CDU-Kanzler Helmut Kohl aufzubegeh­ren. Zudem nahm er an den Treffen der argwöhnisc­h beäugten „Pizza-Connection“teil, wo erste Kontakte zwischen der Union und den Grünen geknüpft wurden. Davon profitiert er bis heute.

Nach dem CDU-Parteispen­denskandal 1999 stand er von Anfang an treu an der Seite der neuen CDUChefin Angela Merkel und machte nach deren Wahl zur Kanzlerin als Teil der „Boygroup“Karriere, erst Staatssekr­etär im Innenminis­terium von 2005 bis 2009, dann Geschäftsf­ührer der Unionsfrak­tion bis Mai 2012, schließlic­h Umweltmini­ster und seit Dezember 2013 Kanzleramt­sminister.

Stets loyal, bienenflei­ßig und gleichzeit­ig mit einer stoischen Ruhe ausgestatt­et, die ihn selbst in der größten Hektik nicht verlässt, zog er hinter den Kulissen die Strippen, um seiner Chefin den Rücken freizuhalt­en. Die wiederum setzte auf ihre Allzweckwa­ffe, wenn es lichterloh brannte. So wurde 2016 Altmaier – und nicht Innenminis­ter Thomas de Maizière – zum Koordinato­r der Bundesregi­erung für die Flüchtling­spolitik ernannt, in diesem Jahr bekam er – und nicht CDU-Generalsek­retär Peter Tauber – den Auftrag, das gemeinsame Wahlprogra­mm mit der CSU auszuarbei­ten. Die eine wie die andere Zusatzaufg­abe erledigte er zur Zufriedenh­eit Merkels.

Nun braucht sie ihn wieder. Und erneut ist Altmaier als wandelnder Vermittlun­gsausschus­s in seinem Element, redet, argumentie­rt, lockt mit Versprechu­ngen, dämpft Erwartunge­n, zeigt Verständni­s, sucht Kompromiss­e und kämpft um Lösungen. Auf ihn kommt es an, zumal FDP und Grüne den Druck auf die Union erhöhen und konkrete Zugeständn­isse bei den unveränder­t strittigen Themen wie der Flüchtling­spolitik oder dem Klimaschut­z fordern. Altmaiers Optimismus scheint dabei grenzenlos zu sein, er setzt auf eine Einigung, gemäß seiner zu Beginn der Sondierung ausgerufen­en Devise: „Wenn man will, dass Gespräche gelingen, sollte man nicht übers Scheitern reden.“

Auch gegenüber den eigenen Leuten ist er nicht zimperlich

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Foto: John MacDougall, afp CDU Chefunterh­ändler und amtierende­r Finanzmini­ster Peter Altmaier: legendärer Ruf innerhalb der Unionsfrak­tion.

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