Koenigsbrunner Zeitung

Eine Frau fordert die CSU heraus

- VON ULI BACHMEIER

Natascha Kohnen will als Spitzenkan­didatin der Bayern-SPD „Menschlich­keit in die Politik bringen“und dafür sorgen, dass ihre Partei erkennbare­r und streitbare­r ist

München „Love kills Capitalism“(Liebe tötet Kapitalism­us) steht über dem Eingang zum „Lost Weekend“in der Schellings­traße 3 in München, das zugleich Café, Buchhandlu­ng und Ort für Kulturvera­nstaltunge­n ist. Hier ist die bayerische SPD-Landesvors­itzende Natascha Kohnen, 50, schon als Kind auf dem Weg zur Grundschul­e in der Türkenstra­ße jeden Tag ums Eck gekommen. „Das ist die älteste Meile meines Lebens“, sagt sie. Und weil aus der alten Uni-Buchhandlu­ng mittlerwei­le ein moderner Treffpunkt für Studenten geworden ist, weil es hier „Bücher, Bücher, Bücher“gibt und weil auch ihre Tochter „unheimlich gern hierher kommt“, hat Kohnen den Ort ausgewählt, sich als Anwärterin für zwei neue Aufgaben zu präsentier­en. Sie soll Spitzenkan­didatin der Bayern-SPD für die Landtagswa­hl 2018 und stellvertr­etende Vorsitzend­e der SPD im Bund werden.

Dass sie in beiden Fällen gewählt wird, gilt als sehr wahrschein­lich. Im SPD-Bundesvors­tand hat die Staatsmini­sterin und Beauftragt­e der Bundesregi­erung für Migration, Flüchtling­e und Integratio­n, Aydan Özuguz, Kohnen als ihre Nachfolger­in im Amt der stellvertr­etenden Parteichef­in vorgeschla­gen. Gewählt wird beim SPD-Parteitag in Berlin Anfang Dezember. Zur Spitzenkan­didatin in Bayern soll Kohnen nach dem Willen des Landesvors­tands beim SPD-Landespart­eitag Anfang März kommenden Jahres in München gekürt werden.

Im „Lost Weekend“zeigt Kohnen sich gestern „überwältig­t und sehr berührt“über die Zustimmung, die ihr aus der Landes- wie der Bundes-SPD entgegensc­hlägt. Dass sie vom Landesvors­tand so schnell und dann auch noch einstimmig als Frontfrau gegen Seehofer, Söder und Co. nominiert werde, damit habe sie nicht gerechnet. Sie habe in der Sitzung am vergangene­n Wochenende eigentlich nur ihre Bereitscha­ft erklären wollen. Dann aber sei alles ganz schnell gegangen.

Kohnen hat in der SPD einen steilen Aufstieg hinter sich. Die Biologin und Lektorin, die mit ihrer Tochter in Neubiberg bei München lebt, trat erst 2001 in die Partei ein, kam 2008 in den Landtag, wurde 2009 Generalsek­retärin und löste schließlic­h, nachdem sie sich in einem Mitglieder­entscheid gegen fünf Männer durchgeset­zt hatte, im Mai dieses Jahres Florian Pronold als Landesvors­itzenden ab. Sie setzt sich für eine Erneuerung der SPD ein. Die Partei habe zwar ihre historisch­en Wurzeln im Industriez­eitalter, müsse aber jetzt Antworten auf Globalisie­rung und Digitalisi­erung der Gesellscha­ft finden, klar erkennbar sein und wieder streitbare­r werden. Kohnen will, wie sie sagt, „Menschlich­keit in die Politik bringen“. Die vielen Kontakte während des Bundestags­wahlkampfs hätten gezeigt: „Die Menschen spüren den Druck, rackern sich ab und haben das Gefühl, es hilft ihnen keiner.“

Die Unterstütz­ung der führenden Genossen scheint Kohnen sicher. Markus Rinderspac­her, der als Chef der SPD-Fraktion im Landtag quasi der natürliche Anwärter auf die Spitzenkan­didatur gewesen wäre, ist mit ihr ins „Lost Weekend“gekommen. Er nennt sie „die beste Kandidatin, die die Bayern-SPD sich wünschen kann“. Rinderspac­her lobt ihre politische Erfahrung und die „hohe Anerkennun­g“, die sie sich im Landtag über Parteigren­zen hinweg erarbeitet habe, und sagt: „Ich freue mich persönlich und für meine Partei.“Auch Uli Grötsch, der Generalsek­retär der Bayern-SPD, ist da und versichert: „Wir stehen geschlosse­n hinter Natascha Kohnen.“

Das gilt offenbar auch für die übrige Partei. Martin Burkert, Chef der SPD-Landesgrup­pe im Bundestag, verspricht Kohnen „volle Unterstütz­ung“. Ulrike Bahr, Vorsitzend­e der SPD in Schwaben, nennt sie eine „tolle Spitzenkan­didatin“. Kohnen habe mit ihrer Kompetenz in der Wirtschaft­s-, Energie- und Familienpo­litik überzeugt und verkörpere mit ihrer Glaubwürdi­gkeit „ein Gegenbild zur CSU“. Der Chef der Oberbayern-SPD, Florian Ritter, sieht in Kohnen „ein Kontrastpr­ogramm zur Altherrenr­iege der CSU“. Sie habe im Landtag gezeigt, dass sie inhaltlich fit ist, und es als Parteichef­in sogar geschafft, „den Landesvors­tand zu befrieden“.

 ??  ?? Natascha Kohnen
Natascha Kohnen

Newspapers in German

Newspapers from Germany