Arme Männer!
Echte Kerle werden tatsächlich leichter krank. Das sagen Wissenschaftler zum Thema „Männerschnupfen“. Was Hormone damit zu tun haben
„Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht“, sang Herbert Grönemeyer in den Achtzigerjahren und landete damit einen großen Hit. Doch viele Frauen, die einen Mann mit drohender Erkältung zu Hause haben, erleben eher einen Jammerlappen als einen starken Kerl – sagen sie zumindest. So hält sich hartnäckig das Klischee vom Mann, der bei einer kribbeligen Nase und leichtem Halskratzen umgehend schwere Qualen erleidet. So manche Frau möchte da genervt umdichten: „Männer haben’s leicht, nehmen’s trotzdem schwer.“
Doch während sich die männliche Furcht vor kleinsten Erkältungen in jedem Herbst als vergnügliches Small-Talk-Thema eignet, bleiben die Ursachen für den sogenannten „Männerschnupfen“ungeklärt. Könnte am Klischee wissenschaftlich etwas dran sein? Werden Män- ner tatsächlich leichter oder stärker von Erkältungs- und Grippeviren angegriffen als Frauen? Wer solchen Fragen nachgeht, landet früher oder später bei Beatrix Grubeck-Loebenstein. Die Immunologin von der Universität Innsbruck untersucht seit langem, wie sich die Immunsysteme von Frauen und Männern unterscheiden. Ihre Ergebnisse geben all jenen Männern Hoffnung, die sich in ihrer Angst vor Schnupfen und Fieber von der Frauenwelt nicht ernstgenommen fühlen.
„Grob vereinfacht lässt sich feststellen, dass Männer durch die Unterschiede in der Immunantwort häufiger krank werden können als Frauen“, sagt Grubeck-Loebenstein anlässlich des Internationalen Männertags am 19. November, bei dem es unter anderem um die Gesundheit von Männern geht. Um die Schwäche des starken Geschlechts zu verstehen, muss man in die Tiefen des menschlichen Immunsystems eintauchen. Dringen Krankheitserreger in den Körper ein, werden sie durch körpereigene Immunzellen bekämpft. Es gibt grundsätzlich zwei Arten dieser Helfer in der Not: spezifische und unspezifische Immunzellen. Erstere sind nur gegen ganz bestimmte Krankheitserreger wirksam – sie sind quasi die Experten auf ihrem Gebiet. Müssen zum Beispiel Grippeviren bekämpft werden, kommen andere spezifische Immunzellen zum Tragen als bei einer Herpesinfektion. Auf diese Weise kann sich der Mensch gegen eine Vielzahl von Viren, Bakterien oder Parasiten zur Wehr setzen.
Doch die Vielfalt der spezifischen Immunzellen hat einen Haken: Von diesen Experten gibt es im Körper jeweils nur eine geringe Menge. Um eindringende Krankheitserreger tatsächlich besiegen zu können, müssen sie sich millionenfach vermehren. Und genau hier kommt der Unterschied zwischen Frauen und Männern zum Tragen. Während das weibliche Hormon Östrogen die Vermehrung der spezifischen Immunzellen unterstützt, wirkt sich das männliche Hormon Testosteron genau gegenteilig aus.
„Östrogen stimuliert das Immunsystem, Testosteron hingegen unterdrückt es. Das Immunsystem von Frauen reagiert deshalb schneller und aggressiver gegen Krankheitserreger als das von Männern“, erklärt Marcus Altfeld vom HeinrichPette-Institut in Hamburg. Hinzu kommt: Je höher der Testosteronspiegel ist, desto mehr wird das männliche Immunsystem geschwächt. Die Quintessenz daraus: Echte Kerle trifft es also noch härter. Janne Kieselbach, dpa