Er will kein November Schriftsteller sein
Romanautor Richard Lorenz liegen gebrochene Persönlichkeiten am Herzen. Lesung in der Buchhandlung
Schwabmünchen Ein Autor, der bei seiner Lesung bekennt, dass er überrascht ist, was er geschrieben hat, das ist neu in der Buchhandlung Schmid in Schwabmünchen. Richard Lorenz verfasst seine Werke als ein beim Lesen nicht ganz einfach zu durchdringendes Gemisch aus Realität und Fiktion. Klar und eindeutig hingegen war die absolut dazu passende Musik von Mano Maniak und Renate Dienersberger. Alle zusammen gestalteten einen interessanten, harmonischen Abend, der stark zum Nachdenken anregte.
9. November: Unvergesslich schöne Bilder vom Fall der Berliner Mauer haben sich im Kopf eingebrannt. Scheußlich hingegen die der Reichspogromnacht. Welche Bilder behalten die Zuhörer in der Buchhandlung Schmid von diesem Lesungsabend am 9. November im Kopf? Verwirrung? Erregung? Spannung? Hilflosigkeit? Oder einfach nur Kopfschütteln?
Richard Lorenz trug wenig Klärendes bei. Im Podiumsgespräch mit Buchhändler Hans Grünthaler meinte er: „Ich kann es schlecht erklären, worum es in meinen Büchern geht.“
Klar ist seine hohe Affinität zu Tod, Leiden, seine Nähe zu schwierigen Charakteren, zu gebrochenen Persönlichkeiten, zu Menschen am Rande der Gesellschaft, denen, wie Lorenz sagt, „viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsste“.
Der Autor gibt und gab sie, denn er war Pfleger in der Onkologie (Krebsproblematik) und Palliativmedizin (Linderung der Leiden von Sterbenden) und betätigt sich dort heute noch. Ein bisschen Autobiografie steckt also in seinen Werken, die von dem Dunkelgrau, von Novemberstimmungen geprägt sind.
Ein bisschen Anlehnung an andere Persönlichkeiten steckt auch darin: zum Beispiel an den österreichischen Liedermacher Ludwig Hirsch, der sich wegen seines Lungenkrebses aus dem zweiten Stock des Krankenhauses stürzte, an den österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard, ein politischer Provokant, der an einer langjährigen Lungeninfektion starb. Oder auch an Hans-Dieter Hüsch, den literarischen Kabarettisten und musikalischen Traditionalisten.
Lorenz möchte trotz seiner bisherigen Werke und dem noch nicht erschienenen Buch „Harpers Graceland“, darin dreht es sich wieder wie in „Frost“und „Amerika-Plakate“um Tod und zerbrochene Gestalten, nicht in die Schublade des „November-Schriftstellers“gesteckt werden. Beim Schreiben, da ist für ihn alles im Fluss, alles veränderbar, alles flexibel. „Mein Problem dabei ist, den Faden zu behalten“, sagt Lorenz.
„Ich schreibe den Schrecken des Todes weg, will ihm die Sterilität des Krankenhauses nehmen, den Sterbenden den Übergang erleichtern, den Menschen am Rande der Gesellschaft mehr Bedeutung geben.“Und trotzdem sagt Lorenz, frei nach Bernhard: „Im Angesicht des Todes ist alles andere lächerlich.“
So gebannt die Zuhörer den geschliffenen Worten des Literaten lauschten, irgendwie waren sie froh, die Klarheit der Musik von Mano Maniak hören zu dürfen, auch wenn die Thematik sich nicht arg veränderte: Er schreibt und singt Lieder mit rauchiger Stimme von Verletzbarkeit, Enttäuschung, Einsamkeit, Schicksal, aber auch Liebe und Hoffnung. Musik, das ist nicht nur das Band an diesem Abend in der Buchhandlung, sondern auch das in den Werken von Lorenz, der Leonhard Cohen und Bob Dylan liebt und sie immer wieder zitiert.
Nach so viel düsteren NovemberMomenten: Ein wenig Heiterkeit brauchte der Abend. Sie schuf Hans Grünthaler mit seinen intelligenten Schlussworten und den traditionell witzigen Geschenken aus der Büchertasche.