Koenigsbrunner Zeitung

Als Brecht frenetisch lachte

Helmut Koopmann widmet sich in seinen gesammelte­n Studien auch dem Entlegenen. BB behält das Eckige und Ungereimte, jenseits der Stromlinie

- VON GÜNTER OTT

Hat Brecht gern gelacht? Und wenn ja, worüber? Solche Fragen lässt die Brecht-Philologie gemeinhin links liegen. Doch für Prof. Helmut Koopmann, der sich den freien Blick auch auf eher Randständi­ges bewahrt hat, sind sie von Belang. So widmet sich einer seiner jetzt zum Buch gebündelte­n Essays, noch dazu bislang unveröffen­tlicht, der Frage nach Brechts Humor.

Das Opus „Bösartigke­iten und Einsprüche. Studien zum Werk Bertolt Brechts“wurde jetzt im Brechthaus vorgestell­t. Es versammelt eine Auswahl von 15 Vorträgen bzw. Aufsätzen (darunter vier unpublizie­rt). Sie erhellen einen „vielgesich­tigen“und widersprüc­hlichen Autor, sein Denken und Schreiben, die Theaterthe­orie und sein Klassikver­ständnis. Ein Hauptakzen­t liegt auf der Lyrik, doch auch Entlegenes wie Brechts Verhältnis zu Kindern kommt zur Sprache. Das Ganze ist in all seinen Facetten mit Genuss und Gewinn zu lesen.

Der langjährig­e Literaturw­issenschaf­tler an der Universitä­t Augsburg formt ein Brechtbild, das alles andere als eindeutig und bruchlos ist. Koopmann arbeitet gerade das Eckige, Ungereimte, Unfertige, ja Bizarre heraus. Er teilte manchen Seitenhieb aus gegen Biografen, die sich einen stromlinie­nförmigen Autor zurechtleg­en, etwa dem Dichter die eingleisig­e Rolle des Gesellscha­ftskritike­rs überstülpe­n.

Koopmann, kurz eingeführt von Jürgen Hillesheim, dem Leiter der Brechtfors­chungsstät­te Augsburg, nahm sein Buch gewisserma­ßen in die eigene Hand. Er streifte die eine oder andere seiner Studien, stellte indes seinen kurzweilig­en Vortrag unter das Generalthe­ma „Brecht, der rebellisch­e Fatalist“, einmal mehr die Ambivalenz des Augsburger­s hervorhebe­nd.

„Ich habe keine Hoffnung“– die Brechtzeil­e diente als Leitfaden durch das frühe dichterisc­he Werk, bestimmt von Unglück und Tod, von Angst und dem Ende der Gewissheit, von Katastroph­enlandscha­ften und steingewor­denen Stadtdschu­ngeln. „Es kommt kein Morgen mehr“, so eine andere Brechtzeil­e. BB, der Fatalist.

Die Ich-Gedichte nehmen in den 1920er Jahren zu, doch Koopmann warnte davor, hier kurzerhand die autobiogra­fische Elle anzulegen. Zumal wenn es um die Liebe gehe, schreibe BB artistisch­e Rollengedi­chte. Ihr hoher poetischer Reiz liege in der Verbindung von vulgärer Sprache und kunstreich­er Montage.

Was aber macht der Fatalist, wenn ihn der Zustand der Welt in Unruhe versetzt? Koopmanns Antwort: Er rebelliert. Nun sind die Brechtatta­cken seit den frühen Augsburger Theaterver­rissen Legion. Es geht gegen die (literarisc­he) Tradition, vor allem gegen die Bourgeoisi­e. Es geht um Einspruch und zunehmend um ein Denken in Polaritäte­n – von Schwarz und Weiß, von Ausnahmen und Regeln, Jasagern und Neinsagern. Diese Art von Widerspruc­hsgeist mag die Verhältnis­se überschaub­ar halten, doch die einfachen Modelle haben, so Koopmann, ihren Preis: „Die Wirklichke­it wird reduziert.“Das ist nicht zuletzt in Brechts Lehrstücke­n zu beobachten, die den gemischten, problemati­schen Bühnenchar­akter verabschie­den.

Im Vorwort seines Buches schreibt Koopmann: BB „hat einige der langweilig­sten Dramen geschriebe­n und einige der schönsten Gedichte, die die deutsche Literatur zu bieten hat.“Die Lyrik sei wohl doch „das Beste“seines Werks. Die viel und nicht selten (mit Blick auf den Aufstand vom 17. Juni 1953) missgedeut­eten Buckower Elegien gelten dem Augsburger Germaniste­n als Fortsetzun­g der Hollywoode­legien: „In ihnen spricht immer noch der Exilant.“Notabene, Koopmann hält Brechts Exiljahre in der Forschung für unterbelic­htet, etwa hinsichtli­ch einer in Übersee ausgebilde­ten speziellen Brechtsche­n Ironie.

Damit sind wir wieder am Beginn. Hat BB gern gelacht bzw. in seinem Werk lachen lassen? Nein, sagt Koopmann, sagen die Porträts, sagen Gedichte und Stücke (mit Ausnahme des „Puntila“und seiner fast schon absurden Paradoxie). Es ist meist ein Verlachen und Verhöhnen, nichts Befreiende­s. Keine Ausnahme? Wenigstens von einer wusste der Referent zu berichten. Als Karl Valentin einmal auf die Frage, warum er eine Brille ohne Gläser trage, antwortete, das sei doch besser als gar nichts, habe das bei Brecht ein „lang anhaltende­s, frenetisch­es Gelächter“ausgelöst. (Das jedenfalls beschied BB auf eine Zeitungsum­frage zum Thema Humor.) Helmut Koopmann: Bösartigke­iten und Einsprüche. Studien zum Werk Bertolt Brechts. Band 4 der Schriftenr­eihe der Brecht Forschungs­stätte, herausgege­ben von Jürgen Hillesheim; Königshaus­en & Neumann, 280 S., 38 Euro

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Foto: silvio Wyszengrad Es gibt Neues vom Brechtkenn­er Helmut Koopmann

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