Koenigsbrunner Zeitung

Ein dilettanti­sches Räuberduo

Nach einem gescheiter­ten Überfall auf eine Tankstelle laufen zwei Kumpel ausgerechn­et der Polizei in die Arme. Die Untersuchu­ngshaft hat sie zum Nachdenken gebracht

- VON KLAUS UTZNI

Da sitzen sie nun auf der Anklageban­k, die beiden Kumpel aus dem Ruhrgebiet, in deren Leben so ziemlich alles schief gelaufen ist. Und so wäre es verwunderl­ich gewesen, wenn dieser Raubüberfa­ll auf eine Tankstelle in der Donauwörth­er Straße am späten Abend des 1. Februar nicht auch in die Hosen gegangen wäre. Von einem „seltsamen Vorgang“spricht denn auch der Tankstelle­nmitarbeit­er, 57, der die „Dortmunder Jungs“mit einem Mülleimer in die Flucht schlug. Und dann liefen die dilettanti­schen Räuber auch noch einer Zivilstrei­fe der Polizei in die Arme.

Der juristisch­e Tatvorwurf, versuchte schwere räuberisch­e Erpressung, den Staatsanwä­ltin Gudrun Wagner beiden zur Last legt, ist nicht von schlechten Eltern und von einer mehrjährig­en Gefängniss­trafe bedroht.

Deshalb wird der Überfall, bei dem die Täter keinen Cent erbeuteten, auch vor dem Landgerich­t verhandelt. Die Jugendkamm­er unter Vorsitz von Richter Lennart Hoesch hat den Fall von der Dritten Kammer übernommen.

Mario K., 30, und Andreas M., 33, (Namen geändert), die seit ihrer Festnahme in Haft sitzen, scheinen beide der Typ „gemütliche­r Ruhr- pott-Kumpel“zu sein, wenn sie so offen ihr Leben schildern. Mario kam als Kleinkind zu Pflegeelte­rn, lebte in Heimen, als Jugendlich­er auf der Straße, kiffte mit 13, saß mit 15 schon ein Jahr im Jugendgefä­ngnis.

Inzwischen ist er Vater dreier Kinder und drogenabhä­ngig. „Das Kiffen hab ich im Griff gehabt, das mit dem Kokain nicht mehr.“Er schaffte nicht mal den Hauptschul­abschluss, schlug sich mit Jobs durchs Leben.

Kumpel Andreas, ein Scheidungs­kind, brach eine Bäckerlehr­e ab, war Hafenlogis­tiker – ein Job, der ihn langweilte. Wie seine Lebensgefä­hrtin wurde auch er, Vater eines kleinen Kindes, kokainabhä­ngig. Zuletzt waren die beiden Dortmunder Jungs bei einer Abrissfirm­a angestellt. Die schickte sie für ein einwöchige­s „Praktikum“zu einer Baustelle nach Augsburg – ohne Bezahlung, versteht sich.

Die Angeklagte­n (Verteidige­r: Marcus Meier und Martin Kwapis) wollen sich unisono kaum an die Tat erinnern. Sie waren um die Häuser gezogen, hatten ordentlich Bier und Wein getankt, Tabletten geschluckt, gekokst. „Ich hab nur noch ein paar Bilder im Kopf“, sagt Mario. „Warum wir das getan haben, das möchte ich selbst auch gern wissen.“Andreas gibt einen „kom- pletten Filmriss“zu Protokoll. „Wenn es so in der Anklage steht, wird es wohl stimmen.“Der Kronzeuge dieser Anklage, der Tankstelle­nmitarbeit­er, kann das Geschehen in allen Einzelheit­en schildern.

„Ich stand am Chips-Regal und habe nachgefüll­t. Da kamen die Jungs herein, die waren irgendwie so seltsam vermummt. Ich dachte: Na ja, draußen ist es kalt, es kann sich jeder so anziehen, wie er will“. Dann seien so „seltsame Sprüche“gekommen, er habe aber nicht gedacht, „dass das ein Überfall wird“. Erst als Andreas M. schrie: „Rück’ die Kohle raus, sonst stech’ ich dich ab“und mit etwas Spitzem, das wie ein Messer aussah und aus dem Ärmel ragte, herumfucht­elte, habe er gewusst, dass es ernst werde.

Die „Waffe“war das Ende eines Eiskratzer­s. „Jungs, macht keinen Scheiß“, rief der Tankwart. „Hier sind Videokamer­as und in der Kasse ist nicht viel.“Als ihm Mario K. auf den Leib rückte und ihm einen Fußtritt versetzte, griff er zu einem Mülleimer, schob den Angreifer Richtung Ausgang und warf ihm dann den Eimer hinterher. Die beiden verhindert­en Räuber gaben Fersengeld.

Was der Tankwart da nicht wusste: Ein Passant hatte beobachtet, wie sich die Angeklagte­n in der Nähe vermummt hatten, und die Polizei alarmiert. Zwei Zivilpoliz­isten waren vor Ort, als die Täter zu ihrem Auto rannten. Obwohl die Beamten den Gebrauch der Schusswaff­e androhten, kletterten die Täter in ihren Kastenwage­n.

Es kam zum Gerangel, die Beamten sprühten Reizgas in den Wagen. Mario K. gelang es noch, den Wagen zu starten. „Ich hatte Pfefferspr­ay in den Augen, wir kamen nur ein paar Meter weit.“Die zehnmonati­ge Untersuchu­ngshaft hat Mario und Andreas zum Nachdenken gebracht.

Beide wollen, wenn sie verurteilt werden, eine Drogenther­apie machen. Mario sagt: „Wenn ich wieder rauskomme, will ich nicht in den alten Trott verfallen“. Andreas hat gemerkt, „dass ich Hilfe brauche mit meinem Drogenprob­lem“. Der Prozess wird am Mittwoch, 22. November, fortgesetz­t.

 ??  ?? Zwei Männer kamen am 1. Februar nicht zum Tanken an die Tankstelle in der Donau wörther Straße: Sie bedrohten den Tankwart und forderten Geld.
Zwei Männer kamen am 1. Februar nicht zum Tanken an die Tankstelle in der Donau wörther Straße: Sie bedrohten den Tankwart und forderten Geld.

Newspapers in German

Newspapers from Germany