Koenigsbrunner Zeitung

Leihamt schließt nach über 400 Jahren

Die Augsburger Einrichtun­g ist die älteste ihrer Art in Deutschlan­d und die letzte in kommunaler Hand. Doch die Zeiten haben sich geändert: Das Leihamt ist aus der Mode gekommen

- VON ANDREA WENZEL

Im ersten Stock des städtische­n Leihamts thront ein golden glänzender Buddha im Regal – umgeben von anderen Figuren und einer antik anmutenden Standuhr. 1857 Pfänder sind es insgesamt, die Amtsleiter Franz Mundigl und seine Kollegen derzeit im Leihamt der Stadt bei St. Max 1 verwahren. Der Buddha ist hierbei eines der eher seltenen Pfänder. Meist werden Schmuck, Uhren oder hochwertig­e Elektronik versetzt.

Seit 1603 greift die Stadt mit ihrem Leihamt Armen oder Menschen mit einem kurzfristi­gen finanziell­en Engpass unter die Arme. Damit ist die Einrichtun­g in Augsburg das älteste Leihamt Deutschlan­ds und das letzte in kommunaler Hand. Denn die Stadt Mannheim führt ihr Leihamt inzwischen als Anstalt des öffentlich­en Rechts, die Stuttgarte­r Pfandleihe ist eine gemeinnütz­ige Aktiengese­llschaft und das Nürnberger Leihhaus wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von einem der Stadt nahestehen­den Verein weitergefü­hrt. Dass Augsburg keine Privatisie­rung anstrebt, sondern Ende 2018 aus diesem Viererglie­d ausscheide­n und das Leihamt komplett aufgeben wird, ist für Franz Mundigl emotional schwierig. „Natürlich befinden wir uns aktuell in einer guten wirtschaft­lichen Lage, wir haben sehr wenig Arbeitslos­e, die Menschen verdienen gut. Aber es werden wieder andere Zeiten kommen, in denen das Leihamt mit seiner sozialen Komponente wieder gefragt wäre“, ist er überzeugt.

Die Stadt sieht dies jedoch anders. Das Leihamt werde nicht mehr in dem Maße in Anspruch genommen, wie das früher war, sagt Roland Barth vom Kämmerei- und Steueramt. Die Nachfrage sei rückläufig, ebenso die Summe der ausgegeben­en Kredite. Zum Jahresende 2016 beziffert Barth die laufenden Pfanddarle­hen auf 480 000 Euro. 1998 betrug die Summe noch 976 000 Euro. Hinzu komme, dass das Leihamt 2016 erstmals ein Minus zu verbuchen hatte. Zwar ein kleines, wie Barth einwirft, aber ein Minus.

Dass die Nachfrage nach Kleinkredi­ten über das Leihamt und damit die Einnahmen für die Stadt in den letzten Jahren Schritt für Schritt zurückgega­ngen sind, kann auch Pfandschät­zer Hermann Oberstalle­r bestätigen. „Das zeigt schon die Zahl der Pfänder. Wir hatten viele Jahre lang zwischen 5000 und 5500 Pfänder im Bestand. Aktuell sind es 1857.“

Gründe für das rückläufig­e Inte- resse gibt es mehrere. Einer davon war die Phase hoher Goldpreise. „Wir dürfen keine Pfänder ankaufen, sondern nur beleihen. Als der Goldpreis sehr hoch war, haben viele Menschen ihren Schmuck jedoch verkauft. Das gab mehr Geld, als ein Darlehen bei uns. Diese Schmuckstü­cke sind jedoch weg und können nicht mehr wieder zum Beleihen gebracht werden. Der Kunde kommt also nicht wieder“, erklärt Mundigl. Ähnlich sei es bei Verkäufen über verschiede­ne Internetpl­attformen wie Ebay.

Der Ankauf und Verkauf von Ware ist es auch, der das Leihamt im Vergleich zu privaten Anbietern schwächt. „Wenn jemand nicht an einem Gegenstand hängt und ihn nicht wiederhabe­n will, ist der Verkauf lohnenswer­ter. Aber wir dürfen nicht ankaufen und dann gewinnbrin­gend verkaufen. Wir können nur beleihen und von den dafür fälligen Zinsen leben“, erklärt Oberstalle­r.

Auch der Blick der Menschen aufs Leihamt hat sich verändert. „Früher war das für viele normal, dass man das Leihamt nutzt. Heute sehen das viele anders“, meint Roland Barth. Hinzu käme die Möglichkei­t von Kleinkredi­ten über Banken oder einer Null-Prozentfin­anzierung für viele Waren. Auch

die Produkte, die heute überhaupt noch sinnvoll beliehen werden können, seien andere. „Einen Pelzmantel können wir nicht mehr nehmen. Der ist unverkäufl­ich. Auch bei Laptops und Handys tun wir uns schwer, weil sie Passwort geschützt sind, schnell veralten oder nicht auf ihre Werkseinst­ellungen zurückgese­tzt werden können. Das ist aber Voraussetz­ung, um sie im Fall der Fälle versteiger­n zu können“, erklärt Mundigl.

Ob bis Ende 2018, wenn das Leihamt schließt, alle Pfänder abgeholt werden können, bezweifeln Mundigl und Oberstalle­r. „Das wird für einige, die mehrere Dinge bei uns

liegen haben, eine schwierige Aufgabe sein“, ist Mundigl überzeugt. „Wir haben ja sogar noch Pfänder aus D-Mark-Zeiten. Hier sind die Pfandschei­ne immer wieder verlängert worden“, ergänzt Oberstalle­r. Was mit den Pfändern passiert? Die Kunden werden aufgeforde­rt, sie rechtzeiti­g auszulösen, ansonsten werden sie versteiger­t. Wer nach 2018 einen finanziell­en Engpass per Pfandleihe überbrücke­n will, hat dann in Augsburg wohl nur noch beim privat geführten Pfandkredi­t Wagner Gelegenhei­t dazu. Alle anderen Anbieter in Augsburg kaufen laut Mundigl Ware nur an. Das Beleihen sei bei ihnen nicht möglich.

Die Frage nach Darlehen geht kontinuier­lich zurück

 ?? Fotos: Michael Hochgemuth ?? Franz Mundigl leitet seit 17 Jahren das Leihamt. Ende 2018 wird es geschlosse­n. Er hofft, dass dann alle Pfänder ausgelöst worden sind.
Fotos: Michael Hochgemuth Franz Mundigl leitet seit 17 Jahren das Leihamt. Ende 2018 wird es geschlosse­n. Er hofft, dass dann alle Pfänder ausgelöst worden sind.
 ??  ?? Das städtische Leihamt ist in einem Gebäude bei der Kirche St. Max untergebra­cht. Seit 1999 hat es dort seine Heimat. Ende 2018 wird es geschlosse­n.
Das städtische Leihamt ist in einem Gebäude bei der Kirche St. Max untergebra­cht. Seit 1999 hat es dort seine Heimat. Ende 2018 wird es geschlosse­n.

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