Leihamt schließt nach über 400 Jahren
Die Augsburger Einrichtung ist die älteste ihrer Art in Deutschland und die letzte in kommunaler Hand. Doch die Zeiten haben sich geändert: Das Leihamt ist aus der Mode gekommen
Im ersten Stock des städtischen Leihamts thront ein golden glänzender Buddha im Regal – umgeben von anderen Figuren und einer antik anmutenden Standuhr. 1857 Pfänder sind es insgesamt, die Amtsleiter Franz Mundigl und seine Kollegen derzeit im Leihamt der Stadt bei St. Max 1 verwahren. Der Buddha ist hierbei eines der eher seltenen Pfänder. Meist werden Schmuck, Uhren oder hochwertige Elektronik versetzt.
Seit 1603 greift die Stadt mit ihrem Leihamt Armen oder Menschen mit einem kurzfristigen finanziellen Engpass unter die Arme. Damit ist die Einrichtung in Augsburg das älteste Leihamt Deutschlands und das letzte in kommunaler Hand. Denn die Stadt Mannheim führt ihr Leihamt inzwischen als Anstalt des öffentlichen Rechts, die Stuttgarter Pfandleihe ist eine gemeinnützige Aktiengesellschaft und das Nürnberger Leihhaus wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von einem der Stadt nahestehenden Verein weitergeführt. Dass Augsburg keine Privatisierung anstrebt, sondern Ende 2018 aus diesem Viererglied ausscheiden und das Leihamt komplett aufgeben wird, ist für Franz Mundigl emotional schwierig. „Natürlich befinden wir uns aktuell in einer guten wirtschaftlichen Lage, wir haben sehr wenig Arbeitslose, die Menschen verdienen gut. Aber es werden wieder andere Zeiten kommen, in denen das Leihamt mit seiner sozialen Komponente wieder gefragt wäre“, ist er überzeugt.
Die Stadt sieht dies jedoch anders. Das Leihamt werde nicht mehr in dem Maße in Anspruch genommen, wie das früher war, sagt Roland Barth vom Kämmerei- und Steueramt. Die Nachfrage sei rückläufig, ebenso die Summe der ausgegebenen Kredite. Zum Jahresende 2016 beziffert Barth die laufenden Pfanddarlehen auf 480 000 Euro. 1998 betrug die Summe noch 976 000 Euro. Hinzu komme, dass das Leihamt 2016 erstmals ein Minus zu verbuchen hatte. Zwar ein kleines, wie Barth einwirft, aber ein Minus.
Dass die Nachfrage nach Kleinkrediten über das Leihamt und damit die Einnahmen für die Stadt in den letzten Jahren Schritt für Schritt zurückgegangen sind, kann auch Pfandschätzer Hermann Oberstaller bestätigen. „Das zeigt schon die Zahl der Pfänder. Wir hatten viele Jahre lang zwischen 5000 und 5500 Pfänder im Bestand. Aktuell sind es 1857.“
Gründe für das rückläufige Inte- resse gibt es mehrere. Einer davon war die Phase hoher Goldpreise. „Wir dürfen keine Pfänder ankaufen, sondern nur beleihen. Als der Goldpreis sehr hoch war, haben viele Menschen ihren Schmuck jedoch verkauft. Das gab mehr Geld, als ein Darlehen bei uns. Diese Schmuckstücke sind jedoch weg und können nicht mehr wieder zum Beleihen gebracht werden. Der Kunde kommt also nicht wieder“, erklärt Mundigl. Ähnlich sei es bei Verkäufen über verschiedene Internetplattformen wie Ebay.
Der Ankauf und Verkauf von Ware ist es auch, der das Leihamt im Vergleich zu privaten Anbietern schwächt. „Wenn jemand nicht an einem Gegenstand hängt und ihn nicht wiederhaben will, ist der Verkauf lohnenswerter. Aber wir dürfen nicht ankaufen und dann gewinnbringend verkaufen. Wir können nur beleihen und von den dafür fälligen Zinsen leben“, erklärt Oberstaller.
Auch der Blick der Menschen aufs Leihamt hat sich verändert. „Früher war das für viele normal, dass man das Leihamt nutzt. Heute sehen das viele anders“, meint Roland Barth. Hinzu käme die Möglichkeit von Kleinkrediten über Banken oder einer Null-Prozentfinanzierung für viele Waren. Auch
die Produkte, die heute überhaupt noch sinnvoll beliehen werden können, seien andere. „Einen Pelzmantel können wir nicht mehr nehmen. Der ist unverkäuflich. Auch bei Laptops und Handys tun wir uns schwer, weil sie Passwort geschützt sind, schnell veralten oder nicht auf ihre Werkseinstellungen zurückgesetzt werden können. Das ist aber Voraussetzung, um sie im Fall der Fälle versteigern zu können“, erklärt Mundigl.
Ob bis Ende 2018, wenn das Leihamt schließt, alle Pfänder abgeholt werden können, bezweifeln Mundigl und Oberstaller. „Das wird für einige, die mehrere Dinge bei uns
liegen haben, eine schwierige Aufgabe sein“, ist Mundigl überzeugt. „Wir haben ja sogar noch Pfänder aus D-Mark-Zeiten. Hier sind die Pfandscheine immer wieder verlängert worden“, ergänzt Oberstaller. Was mit den Pfändern passiert? Die Kunden werden aufgefordert, sie rechtzeitig auszulösen, ansonsten werden sie versteigert. Wer nach 2018 einen finanziellen Engpass per Pfandleihe überbrücken will, hat dann in Augsburg wohl nur noch beim privat geführten Pfandkredit Wagner Gelegenheit dazu. Alle anderen Anbieter in Augsburg kaufen laut Mundigl Ware nur an. Das Beleihen sei bei ihnen nicht möglich.
Die Frage nach Darlehen geht kontinuierlich zurück