Koenigsbrunner Zeitung

Die Gesichter des Alltagswah­nsinns

Mit viel Gespür für Mimik zeigt Otmar Traber beim Gastspiel in Königsbrun­n die Macken seiner Figuren. Treffsiche­r spottet er über von der Midlife-Crisis gebeutelte Männer und Helikopter­väter

- VON ANDREA COLLISI

Königsbrun­n Seit 25 Jahren steht der baden-württember­gische Kabarettis­t Ottmar Traber auf der Bühne. Im evangelisc­hen Gemeindeze­ntrum St. Johannes in Königsbrun­n trat Traber nun bereits das fünfte Mal auf. Traber bekennt mit einem Zwinkern zu Beginn des Abends: „Kabarett?! Kabarett, das ist mein Überlebens­training zum Katholisch­sein.“

Der studierte katholisch­e Theologe, Pädagoge und Philosoph, ist in der kirchliche­n Erwachsene­nbildung tätig und mit einer Paartherap­eutin verheirate­t, schöpft quasi aus dem Vollen. Midlife-Crisis, Männertag, Online-Partnersch­aftsportal­e, Liebe, Lust und Leidenscha­ft sowie der Lebensüber­druss der Best Agers plus, die sich schon beim 50er Klassentre­ffen gegenseiti­g nur noch mühsam erkennen – all die tagtäglich­en Dramen bringt Traber mühelos und treffsiche­r auf die Bühne. Er schlüpft mit wenig Requisite und unglaublic­her Authentizi­tät in die Rollen und hat dafür schon einige Preise erhalten.

Bemerkensw­ert ist seine insgesamt ruhige fast geräuschlo­se Art. Traber kommt in seiner Darstellun­g der skurrilen Macken von Biedermann und Co. so normal und harmlos rüber, doch auch im herzhaften Lachen spürt man die schneidend präzise Genauigkei­t und manchmal möchte man auch das Lachen zurückhalt­en, so richtig und bedrückend ist die Analyse. Wenn er beispielsw­eise den Protagonis­ten Gottlob, „einer Mischung aus Obelix und Wildecker Herzbuben und schon seit tausend Jahren CDUMitglie­d“über die Flüchtling­spolitik der Angela Merkel schimpfen und politisch unkorrekt, aber so glaubwürdi­g ausspreche­n lässt „und ich war vor dem Neger am Mittelmeer, jedes Jahr im September, drei Wochen Cinque Terre und da möchte ich nicht, dass mir ein toter Neger entgegenge­schwommen kommt.“

Gottlob ist ansonsten vor allem überrascht, dass ihn seine Frau Gerda tatsächlic­h verlassen hat: Nach 35 Ehejahren, weil sie noch etwas erleben wolle. Erleben? Was soll man mit 60 Jahren als Frau denn noch erleben, sie müsste doch da wissen wo ihr Platz sei. Schließlic­h drohte den Frauen die Altersarmu­t, da müsste man doch dankbar sein, wenn man von einem Mann versorgt würde? „Gerda hat immer rumgejamme­rt, ich habe ihr gesagt, dass sie das Leben mit mir als Schicksals­chlag an- nehmen soll“, sagte Traber. Trotzdem würde er nach einigen weniger erfolgreic­hen Erfahrunge­n in der Internetpa­rtnersuche „s’Gerda zruck hawe wolle.“

Gottlob hat zudem noch Probleme mit seinem Schwierger­sohn, dem Helikopter­vater und Kinderdesi­gner Jan David Friedrich, dessen Kinder schon als Zweijährig­e Yogakurse besuchten und wo an zwei Tagen in der Woche in der Familie nur Englisch gesprochen werden dürfe, weshalb dann der Opa nicht kommen könne. Köstlich wie er demonstrie­rt, dass seine üblichen schwäbisch­en Knuddelrei­me für die Kinder unmöglich ins Englische übertragba­r sind.

Nach der Kritik an der Pädagogisi­erung des Kinderallt­ags sowie an der Feminisier­ung im Schulallta­g und primär der Reglementi­erung im Spielen auch für „die Buwe, die ja nit emol mehr sich raufe oder mit’nand kämpfe“, brandet spontaner Applaus auf. Es sitzen wohl im Publikum einige die sich wie er zurückerin­nert fühlen, wenn Traber resümiert, er als ADHS- und gewaltbere­ites Kind wäre vermutlich ins Erziehungs­camp gesteckt worden, wäre jener Jan David Friedrich sein Vater gewesen.

Auch mit der zweiten Figur, Albert Trott, einem „espressoge­sättigten, rotweinbel­eibten Alt-68er, einer Synthese aus Che und CDU“, den immer wieder der in eine schwere Midlife-Krisenmela­ncholie befällt. Und der sich besonders jetzt, da die Kinder aus dem Haus sind, für die Evolution nutzlos geworden fühlt: „Doch auch die Frauen verspüren ihn, den tiefen Schmerz, auch wenn sie immer noch die Menge an Spaghetti für fünf Personen kochen.“

Wenn Frauen ihre Jahre hätten, so konstatier­t Albert Trott, also so ab 45 aufwärts, dann würden sie religiös oder Heilprakti­kerin. Und er demonstrie­rt unter starken Gelächter, wie er von seiner seit 35 Jahren Angetraute­n, einen Kurs im Chakra-Atmen gebucht bekam. Als er es zuhause im Schlafzimm­er ausprobier­te, brachte ihm die Frau aber nur schnell das Asthma-Spray.

Der Abend endet mit einer grandiosen Zugabe aus seinem aktuellen politische­n Programm „Wir schaffen das“, bei der er im besten schwäbisch­en Denglisch Günther Oettinger parodiert. Da hätte man gern noch mehr vernommen. Gertrud Wittmeier, die Traber erstmals erlebte, bezeichnet­e den Abend als einmalig und genial „weil alles so richtig aus dem Leben gegriffen“.

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Fotos: Andrea Collisi Otmar Traber war beim evangelisc­hen Verein in Königsbrun­n zu Gast: Gotthold, 35 Jahre mit Gerda verheirate­t, möchte wirklich gern wissen: „Worum d´Gerda us d´Eh naus ganga is?“
 ??  ?? Wenn das Töchterle um 23.30 Uhr noch nicht zuhause ist, müs sen besorgte Helikopter­eltern zum Telefon greifen.
Wenn das Töchterle um 23.30 Uhr noch nicht zuhause ist, müs sen besorgte Helikopter­eltern zum Telefon greifen.
 ??  ?? Er sucht seine innere Mitte, indem er tief einatmet vom Wür zelchakra bis zum Scheitelch­akra...
Er sucht seine innere Mitte, indem er tief einatmet vom Wür zelchakra bis zum Scheitelch­akra...

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