Die Gesichter des Alltagswahnsinns
Mit viel Gespür für Mimik zeigt Otmar Traber beim Gastspiel in Königsbrunn die Macken seiner Figuren. Treffsicher spottet er über von der Midlife-Crisis gebeutelte Männer und Helikopterväter
Königsbrunn Seit 25 Jahren steht der baden-württembergische Kabarettist Ottmar Traber auf der Bühne. Im evangelischen Gemeindezentrum St. Johannes in Königsbrunn trat Traber nun bereits das fünfte Mal auf. Traber bekennt mit einem Zwinkern zu Beginn des Abends: „Kabarett?! Kabarett, das ist mein Überlebenstraining zum Katholischsein.“
Der studierte katholische Theologe, Pädagoge und Philosoph, ist in der kirchlichen Erwachsenenbildung tätig und mit einer Paartherapeutin verheiratet, schöpft quasi aus dem Vollen. Midlife-Crisis, Männertag, Online-Partnerschaftsportale, Liebe, Lust und Leidenschaft sowie der Lebensüberdruss der Best Agers plus, die sich schon beim 50er Klassentreffen gegenseitig nur noch mühsam erkennen – all die tagtäglichen Dramen bringt Traber mühelos und treffsicher auf die Bühne. Er schlüpft mit wenig Requisite und unglaublicher Authentizität in die Rollen und hat dafür schon einige Preise erhalten.
Bemerkenswert ist seine insgesamt ruhige fast geräuschlose Art. Traber kommt in seiner Darstellung der skurrilen Macken von Biedermann und Co. so normal und harmlos rüber, doch auch im herzhaften Lachen spürt man die schneidend präzise Genauigkeit und manchmal möchte man auch das Lachen zurückhalten, so richtig und bedrückend ist die Analyse. Wenn er beispielsweise den Protagonisten Gottlob, „einer Mischung aus Obelix und Wildecker Herzbuben und schon seit tausend Jahren CDUMitglied“über die Flüchtlingspolitik der Angela Merkel schimpfen und politisch unkorrekt, aber so glaubwürdig aussprechen lässt „und ich war vor dem Neger am Mittelmeer, jedes Jahr im September, drei Wochen Cinque Terre und da möchte ich nicht, dass mir ein toter Neger entgegengeschwommen kommt.“
Gottlob ist ansonsten vor allem überrascht, dass ihn seine Frau Gerda tatsächlich verlassen hat: Nach 35 Ehejahren, weil sie noch etwas erleben wolle. Erleben? Was soll man mit 60 Jahren als Frau denn noch erleben, sie müsste doch da wissen wo ihr Platz sei. Schließlich drohte den Frauen die Altersarmut, da müsste man doch dankbar sein, wenn man von einem Mann versorgt würde? „Gerda hat immer rumgejammert, ich habe ihr gesagt, dass sie das Leben mit mir als Schicksalschlag an- nehmen soll“, sagte Traber. Trotzdem würde er nach einigen weniger erfolgreichen Erfahrungen in der Internetpartnersuche „s’Gerda zruck hawe wolle.“
Gottlob hat zudem noch Probleme mit seinem Schwiergersohn, dem Helikoptervater und Kinderdesigner Jan David Friedrich, dessen Kinder schon als Zweijährige Yogakurse besuchten und wo an zwei Tagen in der Woche in der Familie nur Englisch gesprochen werden dürfe, weshalb dann der Opa nicht kommen könne. Köstlich wie er demonstriert, dass seine üblichen schwäbischen Knuddelreime für die Kinder unmöglich ins Englische übertragbar sind.
Nach der Kritik an der Pädagogisierung des Kinderalltags sowie an der Feminisierung im Schulalltag und primär der Reglementierung im Spielen auch für „die Buwe, die ja nit emol mehr sich raufe oder mit’nand kämpfe“, brandet spontaner Applaus auf. Es sitzen wohl im Publikum einige die sich wie er zurückerinnert fühlen, wenn Traber resümiert, er als ADHS- und gewaltbereites Kind wäre vermutlich ins Erziehungscamp gesteckt worden, wäre jener Jan David Friedrich sein Vater gewesen.
Auch mit der zweiten Figur, Albert Trott, einem „espressogesättigten, rotweinbeleibten Alt-68er, einer Synthese aus Che und CDU“, den immer wieder der in eine schwere Midlife-Krisenmelancholie befällt. Und der sich besonders jetzt, da die Kinder aus dem Haus sind, für die Evolution nutzlos geworden fühlt: „Doch auch die Frauen verspüren ihn, den tiefen Schmerz, auch wenn sie immer noch die Menge an Spaghetti für fünf Personen kochen.“
Wenn Frauen ihre Jahre hätten, so konstatiert Albert Trott, also so ab 45 aufwärts, dann würden sie religiös oder Heilpraktikerin. Und er demonstriert unter starken Gelächter, wie er von seiner seit 35 Jahren Angetrauten, einen Kurs im Chakra-Atmen gebucht bekam. Als er es zuhause im Schlafzimmer ausprobierte, brachte ihm die Frau aber nur schnell das Asthma-Spray.
Der Abend endet mit einer grandiosen Zugabe aus seinem aktuellen politischen Programm „Wir schaffen das“, bei der er im besten schwäbischen Denglisch Günther Oettinger parodiert. Da hätte man gern noch mehr vernommen. Gertrud Wittmeier, die Traber erstmals erlebte, bezeichnete den Abend als einmalig und genial „weil alles so richtig aus dem Leben gegriffen“.