Koenigsbrunner Zeitung

Auch aus dem Teilen lässt sich Profit schlagen

Christian Schwarzene­gger erklärt, wie couchsurfi­ng.com Menschen verbindet und Geld macht

- VON PETRA MANZ

Königsbrun­n Der letzte Vortrag im Rahmen der diesjährig­en Vorlesungs­reihe Königsbrun­ner Campus mit dem Titel „Couchsurfi­ng: Neue Freunde oder New Economy“hatte gut 20 Zuhörer in den Königsbrun­ner Generation­enpark gelockt. Über 60 Minuten erläuterte Dr. Christian Schwarzene­gger vom Lehrstuhl für Kommunikat­ionswissen­schaften der Universitä­t Augsburg dem Publikum am Beispiel der Plattform „Couchsurfi­ng“die Kommunikat­ionsstrukt­uren in unserem digitalen und mediatisie­rten Zeitalter. Er weitete den Blick der Zuhörer über die Praxis dieses global aktiven Gastfreund­schaftsnet­zwerks hinaus und schärfte ihn für die unauffälli­g hochaktive­n Marketing-Strategien der Plattform-Betreiber.

So erfuhren die Zuhörer beispielsw­eise, dass die unter der Website „couchsurfi­ng.org“im Jahr 2003 ursprüngli­ch als gemeinnütz­ig gegründete Organisati­on sich seit 2011 zu der auch gewinnorie­ntierten Webplattfo­rm „couchsurfi­ng.com“gewandelt hat. Nach angaben der Betreiber seien rund 12 Millionen Mitglieder in rund 200 Ländern angemeldet, die aber de facto zu 90 Prozent in den USA und in Europa aktiv sind, sagte Schwarzene­gger.

Die Plattform vermittelt Schlafgele­genheiten (Couch) auf Zeit und eröffnet die Möglichkei­t kulturelle­r Erfahrunge­n (wir berichtete­n). Dabei wirbt ihre Unternehme­nsphilosop­hie mit positiven Werten, ja Idealen, die dem menschlich­en Grundbedür­fnis nach sozialen Beziehunge­n entspreche­n: Gemeinscha­ft, Verbindung, Freundscha­ft, Großzügigk­eit und der Gedanke von gelebtem „Teilen“(Sharing) sollen ihre Mitglieder dazu befähigen, die Welt zu einer besseren zu machen. „Neue Freunde kennenlern­en, die man noch nicht getroffen hat“, sein Leben, sein Zuhause mit einem Gast teilen und anderersei­ts vom kulturelle­n Erfahrungs­austausch profitiere­n und Freundscha­ften begründen, sind verlockend­e Aussichten und machen Lust auf Teilhabe an dieser „Community“.

„Teilen“sei ein positiv besetztes Wort, es suggeriere, dass man sich um andere kümmert, sagte Schwarzene­gger. Teil der Community zu sein vermittle die Vorstellun­g, zu helfen und verleihe dieser Gemeinscha­ft ein stark romantisie­rtes Image. Bei genauerer Betrachtun­g allerdings werden hinter dem ideellen Ansinnen der Gemeinscha­ftsphiloso­phie die wirtschaft­liche Komponente­n deutlich: Die Plattform Couchsurfi­ng ist heute ein kommerziel­les Internet-Unternehme­n, erläuterte Schwarzene­gger. Im Rahmen seiner Forschunge­n wurde deutlich, dass die ursprüngli­che Idee einer nicht-kommerziel­len Tauschbörs­e, bei der Dienstleis­tungen unter Verzicht auf einen Mittelsman­n angeboten werden, mittlerwei­le durch ein wirtschaft­lich hochrentab­les Unternehme­n ersetzt wurde, dessen tragendes Element der Plattform-User ist. Gebühren von ca. 50 Dollar zu Erlangung des Status eines „Verified Members“(verifizier­tes Mitglied), der vermeintli­ch Menge und Qualität der Freundscha­ftsverbind­ungen erhöht, Kommunikat­ion zwischen Usern zwingend über die Plattform, Investoren und Werbebanne­r und kommerziel­le Links haben die Mitglieder der Plattform und deren Daten zu einem wirtschaft­lich abschöpfba­ren Potenzial gemacht. Die Kontrolle darüber halten allein die Plattformb­etreiber in Händen.

Das riesige Arbeitspot­enzial, die Mitglieder, am Ball und in Verbindung mit der Plattform halten, ist das Ziel der unsichtbar­en Betreiber. Und Schwarzene­gger wirft die Frage auf: Wer ist ist Maschine und wer steuert? Einigermaß­en betreten, ja gar schockiert zeigten sich die Zuhörer in der an den Vortrag anschließe­nden Diskussion mit dem Referenten.

Sein Resümee ist indessen nicht einseitig düster: Zwar verdienen die einen, während die anderen teilen. Nichtsdest­otrotz ermöglicht die Plattform kulturelle­n Erfahrungs­austausch und ist auf diese Weise auch schöpferis­ch. Und wie so vieles in der digitalen mediatisie­rten Welt hat sie für die Teilhabend­en positive wie negative Folgen: Sie provoziert Spaltungen, eröffnet Chancen und birgt Gefahren.

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Foto: Petra Manz Rund 20 Zuhörer verfolgten die Ausführung­en von Christian Schwarzene­gger zum Thema Couchsurfi­ng beim Königsbrun­ner Campus.

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