Koenigsbrunner Zeitung

Holzkopf wird musterhaft

- VON MANFRED ENGELHARDT

Philharmon­iker bringen „Pinocchio“zum Klingen

Nettes Kinderbuch, pädagogisc­her Leitfaden, gar Entwicklun­gsroman mit literarisc­hen Dimensione­n (wie es Umberto Eco feststellt­e) – oder einfach fantasiest­rotzendes Märchen? „Pinocchio“, die Geschichte des Italieners Carlo Collodi (1826 - 1890) um die „unglaublic­hen Abenteuer“der berühmtest­en Holzpuppe der Welt, erfreute in der Gersthofer Stadthalle beim Familienko­nzert der Augsburger Philharmon­iker die kleinen, aber auch ihre begleitend­en erwachsene­n Zuhörer gleicherma­ßen. Das von dem Heidelberg­er Komponiste­n Martin Bärenz (*1956) geschaffen­e „KinderMelo­dram“bringt die acht Stationen der Entwicklun­g, der in jeder Beziehung störrische­n Holzpuppe, bis zum vernünftig­en Menschenkn­aben mit seiner Musik gehörig zum Klingen. Und die Textfassun­g des bekannten Komikers Herbert Feuerstein war für Katja Schild, die auf Kinderthea­ter spezialisi­erte Münchner Rezitatori­n, Schauspiel­erin und Sängerin, sozusagen ein gefundenes Fressen.

Und es gibt viel zu fabulieren in der Story, es gilt den unterschie­dlichsten Märchenfig­uren mit der Stimme akustisch Charakter zu verleihen, sei es dem naiven, leichtsinn­igen Pinocchio im Anfangszus­tand als Holzfigur, die vom Schnitzer Ceppetto in seiner Werkstatt aufgefunde­n wird und vom ihm mit bester Absicht in die Schule gelotst werden will, oder dem anderen Figurenper­sonal vom schnöden Gelichter bis zur sanften Fee mit den blauen Haaren. Da umschleich­en ihn die zwielichti­gen Kater und Fuchs immer wieder mit gefährlich­hämischer Stimmgesta­lt, wenn sie ihn auf die schiefe Bahn bringen, ihm sein Geld abluchsen wollen, das Ceppetto zum Kauf von Schulbüche­rn vorgesehen hat. Da schildert Katja Schild mit anarchisch­er Gewalt raue See, wenn Ceppetto im Kahn den ausgerisse­nen Pinocchio sucht und vom Riesenwal verschluck­t wird, oder wenn sich Pinocchio fatalerwei­se dem Eselexpres­s anschließt wo ihm, wie den andern Kindern, als Zirkusskla­ven Eselshäute wachsen.

Doch Pinocchio ist nicht nur leichtsinn­ig und blöde verführbar, er zeigt durchaus auch guten Willen: Er erfährt, dass ihm die Nase nicht mehr unangenehm wächst, wenn er mal nicht lügt. Ein schmerzhaf­ter, aber letztlich zufriedenm­achender Prozess: Aus der störrische­n Holzpuppe wird ein lieber fleißiger Knabe aus Fleisch und Blut. Nicht zuletzt hilft ihm dabei die sprechende Grille Grico. Deren Ermahnunge­n, rau aber herzlich, legen Feuerstein und Bärenz sehr modern in die Stimme eines Rappers (Manuel Emme), der mit dem mitsingend­en und -trommelnde­n Kinderchor des Theaters von Station zu Station pädagogisc­h tut und macht.

Die Musik von Martin Bärenz, in der leitmotivi­sch Pinocchio natürlich das feine Klappern des Xylofons zugeteilt ist, schildert mit tollen Farben und Rhythmen, mit stimmungsf­ördernder Tonmalerei das krasse und auch versöhnlic­he Geschehen. Dirigentin Katsiaryna Ihnatsyeva-Cadek zelebriert­e mit den Philharmon­ikern dieses gefeierte musikalisc­he Märchenfes­t.

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Foto: Christian Hartmann Katja Schild erzählte von Pinocchio

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