Mit Marihuana im Rucksack ins Gericht
Bei den Eingangskontrollen in die Augsburger Justizgebäude werden die Sicherheitsmitarbeiter öfter fündig. Wie monatlich 8000 Personen überprüft werden und was man nicht in die Sitzungssäle mitnehmen darf
Rechtsanwalt Felix Hägele, der Verteidiger der Angeklagten, formulierte es sehr zurückhaltend: „Besonders schlau war das nicht. Das war ja wie eine Selbstanzeige“. Lebensnah ausgedrückt könnte man auch sagen: Das war ziemlich blöd. Eine mit 16 Vorstrafen im Bereich der Justiz erfahrene Frau marschierte im Juni mit knapp drei Gramm Marihuana im Rucksack durch die Eingangskontrolle ins Strafjustizzentrum in der Gögginger Straße. Justitia, oft mit Augenbinde dargestellt, erwies sich in diesem Fall natürlich nicht als blind. Das „Gras“wurde bei der Durchleuchtung des Rucksackes vom Sicherheitspersonal entdeckt. Und so musste sich die 31-Jährige, die damals bei der Staatsanwaltschaft vorsprechen wollte, jetzt wegen unerlaubten Besitzes von Drogen vor Amtsrichter Philipp Meyer verantworten.
„Ich hab halt nicht dran gedacht“, antwortete die Angeklagte auf die Frage des Richters, warum sie denn mit Drogen ins Gerichtsgebäude marschiert sei, obwohl sie doch wisse, dass kontrolliert werde. Verteidiger Hägele wies auf die lange Drogenkarriere seiner Mandantin hin, die zur Tatzeit unter enormen Suchtdruck gestanden habe. Mit 14 Jahren, so sagte die Angeklagte, habe sie schon Heroin und Kokain konsumiert. Richter Meyer sanktionierte das Drogendelikt mit einer zweimonatigen Bewährungsstrafe.
Es kommt nicht gerade selten vor, dass bei der Zugangskontrolle im Strafjustizzentrum in Göggingen und im Alten Justizpalast in der Innenstadt verbotene Mitbringsel entdeckt werden. Alle Besucher, Angeklagte, Zuschauer und Zeugen müssen in beiden Gebäuden zunächst durch eine Schleuse, die Metallgegenstände wie Messer oder Waffen aufspürt, und werden zusätzlich noch vom Sicherheitspersonal abgetastet. Rucksäcke oder Taschen werden mit einem Röntgengerät durchleuchtet. Auf einem Monitor können dann verdächtige Gegenstände, auch Chemikalien, Drogen und Sprengstoff, identifiziert werden. Das Kontrollteam bilden zwei Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes sowie ein Justizbeamter.
Monat für Monat werden in beiden Gebäuden rund 8000 Besucher kontrolliert. „Jeden Tag spüren wir 20 bis 30 verdächtige Gegenstände auf, Taschenmesser, Glasflaschen, Nagelfeilen, Scheren, Schraubenzieher“, alles Dinge, die man nicht ins Gericht mitnehmen darf“, ziehen Martin Rupprecht und Mario Hagenreiner, zuständig für die Sicherheit in den Gebäuden, Bilanz. Was zunächst sichergestellt wird, bekommen die Besucher beim Verlassen beider Gerichte wieder zurück. Ausgeschlossen ist eine Rückgabe von sogenannten „verbotenen Gegenständen“wie Schnapp- und Klappmesser oder Schlagringe. Die werden eingezogen, die Besitzer angezeigt. Sogar eine Schreckschusspistole wollte ein Besucher ins Gerichtsgebäude schmuggeln. Ziemlich unbedarft war offenbar auch ein 36-Jähriger, der als Angeklagter in einem Drogenprozess geladen war. Weil seine Hosentasche seltsam ausgebeult war, sah ein Mitarbeiter an der Eingangskontrolle genauer nach. Er entdeckte ein KinderÜberraschungsei. Darin befanden sich – welch Überraschung – zwei Briefchen mit insgesamt vier Gramm Heroin.
Die verschärften Einlasskontrollen, die in beiden Gebäuden insgesamt mit über einer Million Euro Kosten zu Buche schlugen, seien die Reaktion der Justiz auf die tödlichen Schüsse auf einen Staatsanwalt im Januar 2012 im Dachauer Amtsgericht gewesen, begründet Landgerichtspräsident Herbert Veh. „Inzwischen sind die Eingangsbereiche durch Umbauten perfektioniert worden“, sagt der Hausherr nicht ohne Stolz. Sogar ein „Wärmeschleier“wie in einem Kaufhaus sei eingebaut worden, damit das Sicherheitspersonal im zugigen Eingangsbereich vor Erkältungen bewahrt wird.
Die Kontrollteams bestehen aus mindestens drei Mitarbeitern – immer sind ein Justizangehöriger und eine Frau dabei. Der Justizbeamte, um im Notfall beispielsweise jemanden festnehmen zu können, eine Frau, die weibliche Besucher abtastet. „Am Anfang“, so erinnert sich Mario Hagenreiner, „war es für die Besucher noch ungewohnt. Inzwischen sehen das alle sogar positiv“. Und sein Kollege Martin Rupprecht ergänzt: „Seit Langem gibt es keine Beschwerden mehr. Unsere Mitarbeiter sind stets freundlich“. Betrunkene Besucher, die bei Prozessen nur zuschauen wollen, werden abgewiesen. Handelt es sich um Angeklagte oder Zeugen, entscheiden die zuständigen Richter.
Ein skurriler Fall ist Gerichtspräsident Herbert Veh in Erinnerung geblieben. Ein der Justiz bekannter Besucher, der offenbar provozieren wollte, erschien eines Tages nur mit einem Regenmantel bekleidet an der Sicherheitsschleuse im Strafjustizzentrum. Unter dem Mantel war er splitternackt. Da ein körperliches Abtasten nicht praktikabel erschien, musste er draußen bleiben. Ein anderer Besucher wollte es genau wissen und klagte beim Verwaltungsgericht gegen die Kontrollen. Er verlor den Prozess.
20 bis 30 verdächtige Gegenstände pro Tag Was steckte im Überraschungsei?