Der Blechschaden als Geschäftsidee?
Ein Quartett aus Augsburg ist angeklagt, weil es bewusst Unfälle verursacht haben soll
Haben vier Augsburger Angeklagte absichtlich mindestens acht Verkehrsunfälle verursacht, um Versicherungsbetrug mit einem Schaden in Höhe von über 40 000 Euro zu begehen? Vor dieser Frage steht das Schöffengericht des Augsburger Amtsgerichts. Und es kündigte sich am Dienstag ein langwieriger Indizienprozess gegen die vier Angeklagten mit zahlreichen Zeugen an.
Sie bitte um ein Rechtsgespräch, sagte Richterin Susanne Scheiwiller nach dem Verlesen der umfangreichen Anklageschrift an und zog sich mit den ehrenamtlichen Richtern, Staatsanwalt Sebastian Konrad und den vier Verteidigern Edgar Fiebig, Christian Bärnreuther, Sven Gröbmüller und Felix Hägele zur Beratung zurück. Das Resultat: Es wird keinen sogenannten „Deal“gemäß der Devise „umfassendes Geständnis gegen eine zugesicherte, niedrigere Höchststrafe“geben. Folglich muss das, was die Staatsanwaltschaft den vier Angeklagten vorwirft, durch Indizien, Zeugenaussagen, Spuren und Gutachten bewiesen werden. Auf der Anklagebank sitzen eine 27-Jährige sowie drei 28-, 51- und 52-jährige Beschuldigte, alle ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Sie sollen seit 2010 in mindestens acht Fällen Verkehrsunfälle verursacht haben, um Versicherungsbetrug zu begehen und sich zu bereichern. Die Angeklagten müssen sich daher unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Betrugs verantworten.
Die mutmaßliche Vorgehensweise des „Familienunternehmens“: Man fuhr mit dem eigenen Auto zunächst hinter anderen Verkehrsteil- nehmern her. Wechselte der Vordermann die Fahrspur, um vor das Auto der Angeklagten zu lenken, wurde hinten plötzlich Gas gegeben. Es kam zum Zusammenstoß, offensichtlich verursacht durch den vorausfahrenden Einscherer. Anschließend hieß es, der Vordermann habe unachtsam die Spur gewechselt und den Blechschaden verursacht.
Während an den Fahrzeugen der Unfallgegner teilweise nur Minimalschäden zu verzeichnen waren, sah das an den Autos der Beschuldigten anders aus. Privatgutachten ergaben laut Anklageschrift teils erhebliche Schadenshöhen, immer wieder im Bereich von 5000 Euro. Zusätzlich sollten die gegnerischen Versicherungen teilweise Nutzungsausfall und Schmerzensgeld bezahlen, dazu seien Kosten für Rechtsanwälte gekommen. Unfallorte waren die Augsburger Müllerstraße, Fuggerstraße oder Donauwörther Straße ebenso wie zweimal die Augsburger Straße in Gersthofen. In sechs der acht angeklagten Fälle haben verschiedene Versicherungen rund 28 000 Euro über deren Anwälte an die Angeklagten ausbezahlt, in zwei weiteren Fällen blieben Kosten von rund 15000 Euro weitgehend unbeglichen. Schlimmere Personenschäden bei Unfallbeteiligten verzeichnete die Anklageschrift nicht.
Nachdem sich nun ein möglicherweise langwieriger Indizienprozess abzeichnet, müssen mehrere Termine von Richterin, zwei Schöffen und vier Rechtsanwälten unter einen Hut bekommen werden. Dies, so Richterin Susanne Scheiwiller sei wohl erst ab April 2018 realistisch. Das Verfahren wurde bis dahin ausgesetzt, dann soll weiterverhandelt werden.