Tipp zum Tier
Was Sie tun können, wenn Ihre Katze Sie um den Schlaf bringt
Der Irrsinn beginnt jede Nacht aufs Neue. Wenn Frau M. um drei Uhr tief und fest schläft, wird sie energisch geweckt. Auf ihrem Bett hockt dann der geliebte Kater Kasimir. Und miaut. Er miaut und miaut und miaut. Bis Frau M. die Nerven verliert, endlich aufsteht, ihn streichelt, füttert und sich um ihn kümmert. Das Schlimme: Danach kann sie kein Auge mehr zutun. Seit mittlerweile zwei Jahren ist sie nie richtig ausgeschlafen, hat deshalb Kopfweh, bekam sogar schon Probleme wegen Unaufmerksamkeit am Arbeitsplatz. Ihr Ehemann ist aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen und in das Gästezimmer übergesiedelt. Frau M. ist am Ende ihrer Kräfte.
Kasimir ist kein Einzelfall. Es gibt viele Katzenbesitzer, die ihren Stubentiger zwar lieben, aber den nächtlichen Terror kaum noch ertragen können. Sie alle sehnen sich nach einem neuen Leben mit der Katze. Der Weg ist aber nicht ganz einfach: Zuerst muss abgeklärt werden, ob es einen gesundheitlichen Grund für das Miauen gibt. Hat die Katze beispielsweise Diabetes, miaut sie nachts wahrscheinlich aufgrund von Hungerat- Auch eine Überfunktion der Schilddrüse kann zu nächtlicher Geschwätzigkeit führen. Schmerzen sowieso. Der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung führt zum Tierarzt.
Kasimir erwies sich als kerngealten sund. Was er aufführt, nennt sich „Hypervokalisation“. Es gehört in die Kategorie der aufmerksamkeitsfordernden Verhaltensweisen. Katzen setzten dazu gern ihre Stimme ein, weil sie gelernt haben, dass das der effektivste Weg ist, um mit uns Menschen zu kommunizieren.
Der Schlüssel, ob sich das unerwünschte Gemaunze festigt oder nicht, liegt in der Reaktion des Besitzers. Sobald er füttert, spielt, streichelt oder die Samtpfote ins Zimmer lässt, hat die Katze gelernt, dass ihr Miauen zum Ziel führt. Vorsicht: Am meisten wird das Verhalten verstärkt, wenn der Besitzer nicht immer, sondern nur gelegentlich in der gewünschten Weise reagiert. Oder wenn er zunächst standhaft bleibt, nach einer halben Stunde aber doch aufsteht und sich dem Tier zuwendet. Dann lohnt es sich für die Katze, richtig ausdauernd zu sein.
Um Katzen wie Kasimir erfolgreich zu therapieren, müssen Besitzer vor allem Konsequenz lernen. Frau M. sorgte zuerst dafür, dass alle wichtigen Ressourcen für Kasitacken. mir rund um die Uhr zugänglich sind: Ein stets gefüllter Napf, ständiger freier Zugang zum Katzenklo oder zum Zimmer mit dem Kratzbaum sind Beispiele. Tabu: Die Katze nachts wegsperren. Möglich, dass der Besitzer dann in Ruhe schlafen kann, das eigentliche Problem ist aber nicht gelöst. Jetzt beginnt der härteste Teil der Therapie. Egal ob bei Tag oder in der Nacht: Die Katze bekommt beim Miauen keinerlei Aufmerksamkeit! Das erfordert viel Geduld und Kraft, ist aber die einzige Lösung. Achtung: Anfangs kommt es häufig zu einer Erstverschlechterung, denn die Katze weiß nicht, warum sie plötzlich beim Miauen ignoriert wird, und versucht es umso hartnäckiger. Frau M. rüstete sich mit Ohrstöpseln aus und blieb regungslos liegen. Nach zwei Wochen schlief sie erstmals wieder durch.
Tanja Warter ist Tierärztin. Seit zehn Jahren ver knüpft sie die Leidenschaft für die Tiermedizin mit dem Spaß am Schreiben.