Vom Patriarchen zum Pleitier
Gericht Anton Schlecker galt als begnadeter Unternehmer. Dann ging sein Drogerie-Imperium in kurzer Zeit Bankrott. Heute fällt im Prozess gegen ihn das Urteil. Ihm drohen drei Jahre Haft
Stuttgart Starr blickt Anton Schlecker zu den Anklägern, als sie drei Jahre Haft fordern. Dem Mann, der einst in abenteuerlicher Geschwindigkeit ein Drogerie-Imperium errichtete, droht Gefängnis. Heute wird vor dem Landgericht Stuttgart das Urteil erwartet.
Noch vor fünf Jahren fand sich sein Name in fast jedem Dorf: „Schlecker“, das verbanden die Menschen mit günstigen Drogerieprodukten. Nun verbinden sie es mit einer der größten Pleiten der jüngeren Geschichte. Im Jahr 2012 musste sein Unternehmen Insolvenz anmelden, rund 30000 Beschäftigte verloren ihre Arbeit. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dass er die Firma absichtlich in den Bankrott führte und versuchte, Gelder beiseitezuschaffen. Schlecker ist heute mittellos.
Denn die Pleite bedeutete für ihn den Ruin. Als eingetragener Kaufmann haftete er mit seinem Privatvermögen. Ungewöhnlich für einen Konzern dieser Größe. Doch die Rechtsform hatte einen Vorteil: Schlecker konnte durchregieren, ohne Rücksicht auf andere. Tradition hatten etwa die Touren, die der Patriarch unternahm: In einem Sportwagen klapperte er Filialen ab, um nach dem Rechten zu sehen. Am Ende stand er vor halb leeren Regalen. Die Warenbeschaffung war zum Problem geworden, denn dem Unternehmen ging das Geld aus.
Dabei galt Schlecker als begnadeter Unternehmer. Am 28. Oktober 1944 als einziger Sohn unter drei Geschwistern in Ulm geboren, sollte er in den elterlichen Metzgereibetrieb einsteigen. 1965 legte er mit 21 Jahren die Meisterprüfung ab, als jüngster Metzgermeister der Bundesrepublik. 1970 heiratete er die Fremdsprachenkorrespondentin Christa. Im Folgejahr kam Sohn Lars zur Welt, zwei Jahre später Tochter Meike.
Als 1974 die Preisbindung für Drogerieartikel wegfiel, hatte Schlecker die Idee: Er eröffnete 1975 im schwäbischen Kirchheim/Teck den ersten Schlecker-Markt. Nach zwei Jahren betrieb er schon 100 Drogeriemärkte, nach neun Jahren öffnete Laden Nummer 1000. Der Expansionseifer wurde ihm zum Verhängnis. „Aus purem Wachstum heraus sind Probleme viele Jahre zu spät angegangen worden“, sagte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz 2012. Bereits ab 2008 verlor die Drogeriekette nur noch Geld. Es scheint, als wollte Schlecker das nicht wahrhaben. Seiner Familie machte er teure Geschenke. Eine Wohnungssanierung, ein Karibikurlaub, 200 000 Euro für jeden Enkel. Obwohl Schlecker heute kein Geld hat, lebt er in der Familienvilla – Gütertrennung und das Vermögen seiner Frau machen es möglich. Es könnte sein, dass er die Villa bald gegen eine Gefängniszelle tauschen muss.
Doch egal wie der Prozess morgen endet, die Gerichtsverhandlungen für die Familie Schlecker sind noch nicht vorbei. Denn schon am 12. Dezember startet vor dem Landesgericht im österreichischen Linz ein Zivilprozess gegen die Ehefrau und die Kinder von Anton Schlecker, wie eine Gerichtssprecherin der Wirtschaftswoche sagte. Ein weiteres Zivilverfahren ist demnach vor dem Landgericht Zwickau anhängig. Insgesamt geht es laut dem Bericht um Forderungen in Höhe von 21,4 Millionen Euro.
Der österreichische Insolvenzverwalter der Schlecker-Nachfolgefirma Dayli fordert laut Wirtschaftswoche von den Beklagten 20 Millionen Euro Schadenersatz. Zwischen 2008 und 2011 seien Gelder von der Schlecker-Tochter in Österreich nach Deutschland geflossen, die über den in der Bilanz ausgewiesenen Gewinn hinausgingen. Die Beklagten hätten dies genehmigt. Ein Anwalt der Schlecker-Familie hält die Zahlungen dem Bericht zufolge für zulässig und sieht den Vorgang als verjährt an.
Im Verfahren im sächsischen Zwickau fordert der Insolvenzverwalter des früheren Schlecker-Personaldienstleisters Meniar laut Wirtschaftswoche 1,37 Millionen Euro vom ehemaligen Geschäftsführer des Unternehmens sowie von Lars, Meike und Christa Schlecker. In dem Verfahren gehe es um die Frage, ob die Familie dafür haften muss, dass ein Darlehen unter Verletzung der Vorschriften zur Stammkapitalerhaltung an Schlecker ausgezahlt wurde. Der Anwalt der Familie hält die Klage für unbegründet.