Er stinkt, scheppert und macht Spaß
Zum 60. Geburtstag kommt der Trabi für eine spannende Ausfahrt von seinem Podest
Schwabmünchen Seit Monaten ist der Trabi von Gerhard Czada nicht mehr bewegt worden, steht unberührt auf seinem Betonpodest. Zum 60. Geburtstag des Symbols des DDR-Alltags wollte sein Eigentümer ihm eine Ausfahrt gönnen. Und was passiert?
Eigentlich wollte Gerhard Czada gar keinen Trabant. „Was soll ich damit?“, fragte er seinen Tankstellenkollegen, der ihn verkaufen wollte. Als er ihn dann sah, Gletscherblau mit weißen Wolken drauf, da entwickelte er doch eine gewisse Zuneigung und kaufte ihn. Warum auch nicht. Der Trabant ist schließlich deutsches Kulturgut.
So stand er jetzt jahrelang einfach nur rum, ohne Pflege, ohne Zuneigung. Nur ab und zu erhielt er ein Lächeln von ein paar Kunden, auch von mir. Zum Geburtstag eine Ausfahrt mit diesem historischen Gefährt, das wäre doch schön, dachte ich mir und fragte ganz vorsichtig nach. Czada entwickelte sofort Spaß an der Idee.
Also: vorsichtig den P601 L runter vom Podest gerollt und den Schlüssel reingesteckt. Was wird wohl passieren? Nichts außer einem müden Klicken des Anlassers? Von wegen. Benzinhahn auf, Choke ziehen, Schlüssel drehen, hoffen. Und? Sofort schnetterte der kleine Zweizylinder Zweitakter los: reng de deng deng deng. So kennen wir alle den Sound des unverwechselbaren Gefährts aus den Ossi-Filmen.
Draußen qualmt’s drinnen dröhnt’s. Das Gas mal kurz etwas gedrückt: Der Minimotor quält sich hoch. Alles ok. Die völlig gefühllose Kupplung gedrückt. Und jetzt wie den Gang einlegen? Czada erklärt mir: Der Trabi hat eine umgekehrte H-Schaltung am Stockhebel. Also: rein- und runterdrücken. Nach mehreren Versuchen ist der erste Gang drin. Trocken lege ich auch die anderen Gänge ein. Na ja, klappt manchmal. Der Gestank von draußen dringt langsam nach innen. Es wird Zeit, endlich loszufahren.
Kupplung kommen lassen und ab geht’s. Das Gefährt hoppelt lautstark los, stottert, stirbt ab. Zweiter Versuch. Jetzt klappt’s besser. Sollen wir den Hof verlassen? Den Mut, eine Probefahrt auf öffentlichen Straßen zu machen, bringen wir nicht so ganz auf, trotz Bremsprobe und Funktionstest so mancher Schalter und Hebel. Alles geht etwas zäh. Also suchen wir uns eine unbefahrene Nebenstrecke aus, geteert.
Krachend den Gang rein, Gas, Kupplung, ab geht’s: 15 Stundenkilometer im Ersten, 30 im zweiten, 45 im dritten, 60 im vierten Gang. Noch rasanter wage ich nicht zu fahren. Alles dröhnt und scheppert. Wozu wohl ein Radio eingebaut ist? Die Lenkung zieht, die Bremsen auch, ein etwas mulmiges Gefühl beschleicht mich. Doch von Meter zu Meter gewöhnen wir uns besser aneinander, der Trabi-Spaß kommt so langsam auf.
Etwas gebückt auf den ungeformten Sitzen, stark angewinkelte Arme, durch die regennasse Scheibe stierend, so geht’s dahin. Der Wind mit hohem Ton durch das Wägelchen. Genussvolles Autofahren ist anders. Das Erlebnis zaubert einem trotzdem ein Lächeln aufs Gesicht. Ich muss den Trabi ja nicht fahren, ich will.
Ruckel, ruckel, zuckel, zuckel, spotz, spotz. Was ist jetzt los? Wir schauen uns während der unrunden Fahrt an. Plötzlich: Mein Beifahrer sucht und sucht und findet, dreht an einem Hebel. Alles wieder normal. Was war das? „Ich habe den Reservetankhebel umgelegt. Alles gut.“
Ich suche auf dem extrem überschaubaren Armaturenbrett (ein Instrument, ein paar Schalter) nach einer Tankanzeige: Fehlanzeige. „Jetzt sollten wir aber umdrehen, sonst müssen wir noch schieben“, sagt Czada. Also: auf den Feldweg einbiegen, rumpel pumpel, die Federung versagt ihren Dienst. Dass ich nicht mit dem Kopf am Dach anschlage, freut mich.
Auf dem Rückweg tritt schon ein gewisser Gewöhnungsfaktor ein. Ich teste sogar ganz vorsichtig die Kurvenlage, wage natürlich keinen Elchtest. Ich bilde mir ein, zu spüren, wie der Trabi ganz dezent ein Bein hebt und zwinge mir wieder Zurückhaltung auf. Einen Unfall mit dieser Duroplast-Karosserie aus Harzpulver und Putzlumpen möchte ich keinesfalls riskieren. Airbag, ABS, ESP, Knautschzone, Gurtstraffer – was ist das?
Der Hof hat uns wieder. Motor aus, ein paar Spotzerer hinterher. Ich quäle mich aus dem matt-himmelblauen Gefährt, schlage mir Kopf und Knie an, freue mich, wieder aufrecht stehen zu können und fühle mich beim Gang um den Trabi wohler als drinnen. Mir fallen gipfeift
gantische Spaltmaße, Kunststoffecken an der Stoßstange, Zierleisten mit Gummischutz, ein angedeuteter Frontspoiler und, unglaublich, welch Luxus, Nebelscheinwerfer und Nebelschlussleuchte auf. Trotzdem: Alles wirkt primitiv, billig, von übergestern, aber reparaturfreundlich, auch im extrem überschaubaren Motorraum.
Mag das Symbol des DDR-Alltags, auf das man bei einem Kauf oft 15 Jahre lang und mehr warten und dann auch noch unglaubliche Summen dafür bezahlen musste, sein, wie es will, der Trabi hat seine Fans – vor allem im Westen. Nicht für den Alltag, eher als Kultobjekt, als Spaßgefährt als Ausstellungsstück. So auch bei Gerhard Czada, dessen Trabant ohne Kosenamen jetzt wieder auf sein Podest kommt. Für lange Zeit.