Zwischen Asterix und Geschichtsheft
Historiker Thomas Dahms verpackt das Leben von Kaiser Otto dem Großen in ein Comic. Mit solch einer Mischung haben die Besucher beim Königsbrunner Archivherbst nicht gerechnet
Königsbrunn Damit haben die Besucher des 6. Königsbrunner Archivherbstes wohl nicht gerechnet: Am Ende des Abends lasen alle – auch Bürgermeister Franz Feigl, seine Stellvertreterinnen Barbara Jaser und Ursula Jung und sogar die über 90-jährige Witwe von Altbürgermeister Adam Metzner, Hansi Metzner – einen Comic.
Sie alle verfolgten, wie ein bärtiger König mit kleiner Krone im wirren Haar aber messerscharfem Verstand die Geschicke seines Reiches lenkte. Aber natürlich ging es nicht um eine beliebige Comic-Figur, sondern um Kaiser Otto den Große. Historiker und Herausgeber Thomas Dahms hat das Leben von Otto I. in bunte Bilder gepackt, „Die Welt zu Gast in Quedlinburg“heißt das Heft. Dabei ist er immer bei den historischen Quellen geblieben. Dahms bezieht sich auf Widukind von Corvey, Thietmar von Merseburg, der überlieferten Biografie von Ottos Mutter Mathilda und einem Brief von Otto an die Sachsen, den der Leser im übersetzten Wortlaut in dem Heft wiederfindet. 968, der Kaiser verweilt in Rom und Markgraf Hermann verliest das Schreiben auf der Versammlung der Sachsen. An Hermanns Seite steht Markgraf Dietrich sowie Bischöfe, Heerführer und einfache Leute einträchtig und hören gebannt mit großen Augen zu. In der Zeichnung wird die Stimmung wiedergeben, die allerdings schon bald kippt und mit der Eintracht ist es hin, es brechen alte Fehden wieder auf. Arg! Bam! Krach!
Dahms bezeichnet seine Bücher als „Absprung-Comics“: Wer mag, kann die vielen Quellen und Bezüge anderweitig vertiefen. „Man kann es lesen wie ein Asterix-Heft, aber auch als Geschichtsheft“, sagte der Historiker. Und Dahms ist sich sicher: Geschichte ist so spannend, da müsse man sich nichts ausdenken. Wer genau hinschaut, findet viel Symbolik. Als Otto dem Gesandten des Kalifen von Cordoba die Grenzen seines Reiches erklärt, ist dieser so verwirrt, dass er nur noch Sterne sieht – die europäischen Sterne auf blauem Hintergrund. „Ich bedauere es endlos, dass Sie nicht meinen Kindern Geschichte gelehrt haben“, schloss Kulturbüroleiterin Ursula Off-Melcher den lehrreichen wie unterhaltsamen Abend.
Zuvor lobte Flötistin Stefanie Pritzlaff den Referenten. „Ihre Comics sind eine besondere Sprache, die die Geschichte entschlüsseln“, wand sich Pritzlaff direkt an den Referenten. Pritzlaff entführte die Besucher mit ihrer mittelalterlichen Traversflöte, ganz aus Holz ohne Klappen, in die Zeit des höfischen Lebens von Kaiser Otto I. „Schließen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der neu gegründeten Klosterkirche in Magdeburg“, empfahl sie den Zuhörern vor ihrer ausdrucksstarken Darbietung. Organisiert wurde der Abend von Stadtarchivarin Susanne Lorenz. Sie schloss den Kreis von Königsbrunn zur Lechfeldschlacht und König Otto. Dafür hatte sie zwei historische Karten aus dem Stadtarchiv mitgebracht, die die Schlacht im Deckengemälde von Ferdinand Wagner in der St. Ulrichkirche zeigen. Es zeigt den um göttliche Hilfe flehenden Bischof Ulrich und im Hintergrund die tobende Schlacht. Dahms Geschichts-Comics ziehen mittlerweile weite Kreise. So engagieren Kommunen den Geschichtswissenschaftler und Grafiker Tobias Wagner für die Darstellung ihrer eigenen, nicht immer einfachen Geschichte. Im Herbst 2016 erschien beispielsweise Donner über Donauwörth, das Handgemenge des Kreuz- und Fahnengefechts von 1606.
ODie Welt zu Gast in Quedlinburg – Auf ein Schachspiel mit Otto dem Gro ßen, Ostfalia Verlag, ISBN 978 3 926560 70 4.