Wenn das Handy Puls und Laktatwerte misst
Smartphones Fitness- und Gesundheits-Apps könnten die Medizin revolutionieren
Mainz Gesundheits-Apps für das Smartphone oder den Tablet-PC finden immer größere Verbreitung: Inzwischen helfen digitale DiabetesTagebücher chronisch Kranken, ihre Zuckerwerte unter Kontrolle zu halten. Intelligente Pflaster messen über Sensoren Körperfunktionen und können einem Patienten bei Bedarf über die Haut gezielt Medikamente zuführen. Und Sportler vergleichen ihre persönlichen Bestmarken beim Blick auf ihre Fitnessarmbänder.
Mittlerweile nutzen einer Umfrage der Verbraucherzentralen aus dem Frühjahr 2017 zufolge sechs Prozent der unter 30-jährigen Deutschen und immerhin noch drei Prozent der über 50-Jährigen sogenannte Wearables mit Fitness-App. Mehrere Millionen Menschen in der Bundesrepublik schätzen bereits die Vorzüge digitaler Fitnessarmbänder. Einer anderen Umfrage zufolge hat sogar schon fast die Hälfte aller Smartphone-Besitzer auf dem Gerät mindestens eine Gesundheits-App installiert. Nur jeder Zehnte lehnt die Nutzung solcher Programme für sich kategorisch ab.
„Dass das Gerät meine Leistung in puncto Schnelligkeit und Häufigkeit aufzeichnet, motiviert mich ungemein“, sagt der Osnabrücker Hochschulprofessor Lars Leuschner. „Seit ich die App nutze, laufe ich ganz regelmäßig, was mir sonst nie gelungen war.“Die Sicherheit seiner Daten bereitet dem Juristen bislang „nullkommanull“Sorgen: „Dass es technisch möglich ist, diese Daten abzugreifen, ist mir klar. Ich gehe aber davon aus, dass sich niemand dafür interessiert, wann und wo ich herumrenne. Ich bin schließlich nicht prominent.“Bei einer Veranstaltung in Mainz unter dem Titel „Der vermessene Verbraucher“hatten Daten- und Verbraucherschützer hingegen Alarm geschlagen. Der Boom der neuen Technik sei nicht unproblematisch. Sie fürchten, dass hochsensible persönliche Daten bei den falschen Empfängern landen könnten. Oder dass private Krankenversicherungen die Höhe ihrer Tarife davon abhängig machen, dass die Kunden ihre Gesundheitsdaten zur Verfügung stellen. Im Kleingedruckten mancher App-Anbieter willigen die Nutzer ein, dass ihre Daten zu Marketingzwecken genutzt werden dürfen.
„Der digitale Wandel wird wahrscheinlich den Arztberuf nachhaltig verändern“, glaubt etwa der Unfallchirurg Sebastian Kuhn. Während Patienten zunehmend die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzten, gebe es bei seinen Berufskollegen aber noch viel Ablehnung und Skepsis.
Inzwischen drohe die Medizin den Anschluss an die Entwicklung zu verlieren. „Vor 40 oder 50 Jahren war eine Uniklinik ein Ort der Innovation, da gab es sogar schon Computer“, spottet der Arzt, „heutzutage haben uns die Patienten zum Teil überholt.“
Dabei biete die Technologie in der Tat große Chancen. Um eine sehr seltene Krankheit zu diagnostizieren, brauche die Medizin im Moment durchschnittlich 8,5 Jahre, sagt Kuhn. Er geht davon aus, dass die Daten von Gesundheits-Apps den Medizinern künftig schneller Hinweise liefern, welche Probleme ihre Patienten tatsächlich quälen – und dass Apps schon bald so selbstverständlicher Bestandteil der Medizin sein werden wie Röntgenbilder. Karsten Packeiser, epd