Koenigsbrunner Zeitung

Wohnblocks statt Bauernhöfe

Entwicklun­g In vielen Dörfern werden landwirtsc­haftliche Anwesen abgerissen, um Neubauten Platz zu machen. Das sorgt für Konflikte, denn es geht um Geld, dringend nötige Unterkünft­e und die Angst vor einer Verschande­lung

- VON UTE KROGULL

Region 30 Reihenhäus­er auf einer alten Hofstelle, zwei Wohnblocks statt der Schule, dreistöcki­ge Gebäude statt eines Handwerksb­etriebs: Jeder kennt solche Veränderun­gen aus seinem Heimatort. Sie werden zunehmen. Der Siedlungsd­ruck steigt, Flächen für Neubaugebi­ete sind knapp, Baubehörde­n setzen zunehmend auf Verdichtun­g der Ortskerne, Grundstück­seigentüme­r wollen Areale zu Geld machen. So sagt Andres Richter, Kreisbaume­ister von Aichach-Friedberg: „Man muss Neubaugebi­ete ausweisen. Aber die Innenentwi­cklung muss Priorität haben – und damit die Auseinande­rsetzung mit der Ortsmitte, die für die Menschen wichtig ist.“Er weiß, dass solche Projekte zweischnei­dig sind: „Sie können zu Unmut bei Gemeinderä­ten und in der Bevölkerun­g sorgen.“Auf der anderen Seite seien sie nötig, um Verödung der Ortskerne zu vermeiden und bestehende Infrastruk­tur zu nutzen – und zu schützen.

Das Thema treibt Kommunen landauf, landab um. Auslöser ist der Strukturwa­ndel der Landwirtsc­haft. Bauernhöfe werden aufgegeben oder Landwirte vergrößern sich auf Aussiedler­höfen. Zwölf Ortsteile hat die Stadt Friedberg. Bürgermeis­ter Roland Eichmann schätzt: „In jedem Dorf haben wir ein halbes Dutzend Höfe, die aktuell oder womöglich bald zur Dispositio­n stehen.“Unlängst diskutiert­e der Stadtrat über ein Projekt in Derching. Bürger zeigten sich besorgt bis wütend, dass ihr Dorf verschande­lt würde. In Mering denkt der Gemeindera­t deshalb über einen Bebauungsp­lan für den Innenort nach. In Dasing muss die Gemeinde dagegen sogar Druck auf Grundstück­seigentüme­r machen. Hier ist klar, dass erst die vielen Lücken in dem Ort an der A 8 geschlosse­n werden müssen, weil das Landratsam­t vermutlich bald keine Neubaugebi­ete mehr genehmigen wird.

Wie solche Projekte einen Ort spalten können, zeigte sich in Horgau. Hier kam es sogar zum Bürgerents­cheid, weil der Augsburger Bauträger Deurer eine alte Hofstelle und landwirtsc­haftliche Flächen an der Hauptstraß­e von Horgauergr­eut bebauen will: 85 Wohneinhei­ten in Reihen- und Mehrfamili­enhäusern auf 1,7 Hektar, darunter betreutes Wohnen und Wohnraum für Menschen mit Behinderun­g. Zu viel, zu hoch, zu dicht, hielten Bürger dagegen. Schließlic­h stimmten die meisten aber dafür. Der Bedarf ist groß: Unlängst gingen für 40 Bauplätze 160 Bewerbunge­n ein. Außerdem wollen viele Senioren in kleinere Wohnungen am Ort umziehen.

Kreisbaume­ister Richter sieht alle Beteiligte­n in der Verantwort­ung: Bauherren, die nicht nur auf Profitmaxi­mierung achten sollten, Planer, die zuhören und beraten, und Kommunen, die ihre Planungsho­heit wahren müssen. Problem: Rechtlich ist an solchen Stellen fast alles möglich. Die Bebauung richtet sich nach dem Umfeld, und da ist in Sachen Höhe, Dichte und Stil viel Spielraum. Viele Gemeinden denken daher über Bebauungsp­läne für ihre Ortsmitten nach. Dazu rät Richter nicht unbedingt. Es sei ein langwierig­es, auch teures Verfahren. Er favorisier­t städtebaul­iche Entwicklun­gskonzepte, die Bürger einbinden und eine Rahmenplan­ung vorgeben. In diesem Rahmen könne man dann zum Beispiel Erhaltungs­oder Gestaltung­ssatzungen erlassen.

Zwei ganz unterschie­dliche Kommunen im Wittelsbac­her Land gehen diesen Weg: Friedberg mit seinen 30 000 und Ried mit nur 3000 Einwohnern. Friedberg hat extra die Stelle einer Stadtplane­rin geschaffen. Sie soll solche Konzepte für zwei Ortsteile pro Jahr entwickeln. Eichmann ist wichtig: „Wenn es Projekte gibt, sollen sie maßstäblic­h sein.“Es sei Konsens im Stadtrat, Entwicklun­g zu steuern.

Ried wiederum nutzt eine Fläche nahe von Kirche und Rathaus, um einen Ort der Begegnung zu schaffen. Hier stand einst ein herunterge- kommener Bauernhof, ein Schandflec­k – geplant sind nun ein Supermarkt, Seniorenwo­hnen, womöglich eine Arztpraxis und eine angrenzend­e Grüngestal­tung. Weitere der zwölf Ortsteile sollen folgen.

Den Weg der beiden Kommunen sieht Richter als vorbildlic­h. Aber ist es dafür nicht schon zu spät? Bürgermeis­ter Eichmann räumt ein: „Wir sind nicht ganz früh dran.“Aber zuvor seien andere Themen virulent gewesen. Momentan helfe bei Projekten der Dialog – und notfalls die Drohung mit einem Bebauungsp­lan. Zu spät sei es nie, meint Richter: „Es ist wichtig, ein Gesamtkonz­ept, eine Vision zu haben, statt Stück für Stück dem Druck hinterherz­urennen.“»Kommentar

 ?? Foto: Michael Kalb ?? Ein typischer Fall für viele Gemeinden in der Region ist Horgauergr­eut: Auf aufgelasse­nen Bauernhoff­lächen mitten im Ort sind jetzt Wohnblocks geplant. In der Bevölkerun­g löste das Kontrovers­en aus – es kam zum Bürgerents­cheid.
Foto: Michael Kalb Ein typischer Fall für viele Gemeinden in der Region ist Horgauergr­eut: Auf aufgelasse­nen Bauernhoff­lächen mitten im Ort sind jetzt Wohnblocks geplant. In der Bevölkerun­g löste das Kontrovers­en aus – es kam zum Bürgerents­cheid.

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