Blitzableiter Scholz
Delegierte strafen Hamburgs Bürgermeister ab. Warum er es sich mit allen Lagern verscherzte
Berlin Olaf Scholz verzieht keine Miene, lässt sich nichts anmerken. Er kennt das Gefühl, auf einem Parteitag den Kopf hinhalten zu müssen und von den eigenen Parteifreunden stellvertretend für andere abgestraft zu werden. 2003, als Generalsekretär unter Parteichef Gerhard Schröder auf dem Höhepunkt der Agenda-2010-Debatte wurde er gedemütigt und wäre mit lediglich 52,6 Prozent beinah durchgefallen. Auch 2013 gab es einen bitteren Denkzettel für den Hamburger Bürgermeister, als er bei den Wahlen zu den Vize-Chefs mit 67,3 Prozent das mit Abstand schlechteste Ergebnis aller Stellvertreter einfuhr.
Jetzt wiederholte sich diese Prozedur auf dem SPD-Parteitag. Nachdem die rund 600 Delegierten nach langer kontroverser Debatte Gesprächen mit der Union zugestimmt und Parteichef Martin Schulz mit ordentlichen 81,9 Prozent im Amt bestätigt hatten, suchte der Parteitag ein Ventil, um seine Verbitterung über den Schlingerkurs der Parteiführung abzulassen, und man fand wieder in dem spröden, kühlen Hanseaten einen Blitzableiter. Bei den Wahlen der sechs Vize-Chefs landete er mit mageren 59,2 Prozent der Stimmen weit abgeschlagen auf dem letzten Platz.
Die Genossen nahmen Scholz nicht nur sein entschiedenes Eintreten für eine Fortsetzung der Großen Koalition mit der Union übel, sondern auch seine Kritik am Kurs von Parteichef Schulz. „Scholz mag ein guter Bürgermeister sein, aber die Seele der Partei erreicht er nicht“, sagt ein führender Sozialdemokrat unserer Zeitung. „Er war noch nie ein Liebling der Partei, er ist ein Technokrat, auf die Macht fixiert.“
Andere werden noch deutlicher: „Die Botschaft ist klar – Kanzlerkandidat wird er nicht“, sagt ein bayerischer Delegierter. Auch im rechten Flügel der Partei gab es Kritik an Scholz: Wenn er schon mit dem Kurs der Partei unzufrieden sei, hätte er die Machtfrage stellen und gegen Schulz antreten sollen. So aber habe er „gekniffen“.
Einen Dämpfer gab es auch für den neuen Generalsekretär der SPD: Der 39-jährige Lars Klingbeil erhielt lediglich 70,6 Prozent. Dass viele Genossinnen lieber eine Frau auf dem Posten gesehen hätten, dürfte ihn Stimmen gekostet haben.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer dagegen schlüpft in die Rolle der früheren nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft: Mit einer überzeugenden Rede und 97,5 Prozent bei der Wahl sei sie „die neue Mutter der Partei“, hörte man.